Heft - Institut für Theorie ith
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Victor I.<br />
Stoichita<br />
51<br />
Minimal<br />
Zurbarán<br />
des Leichnams, ein «Sich Sammeln» angedeutet:<br />
Franziskus hat sich gewissermassen wieder gefangen.<br />
Was wir sehen, ist nicht ein Anderer, sondern<br />
ihn selbst. Bei Zurbarán wird die Darstellung dieses<br />
«Selben» doppelt akzentuiert: Dieser «Selbe»<br />
hat ein Anderes, seinen Schatten; dieser «Selbe»<br />
ist ein idealer Spiegel <strong>für</strong> den Betrachter.<br />
Die Verbreitung des Bildes «desselben»<br />
durch Kopien, Repliken oder Varianten ist Teil<br />
einer Strategie: Um von seiner Identität zu überzeugen,<br />
wiederholt das Bild und wird selbst wiederholt.<br />
Die Verwendung von anderen Mitteln<br />
kommt erst später auf und hat eine intensivierende<br />
Funktion, wobei jedoch auf die Wirkung des<br />
jeweiligen Mittels geachtet wird. So bietet z. B. die<br />
mehrfarbige Holzskulptur von Pedro de Mena, 35<br />
die bekannteste aller multimedialen Verbreitungen<br />
der Franziskus-Legende, sämtliche Vorteile<br />
der Statuenkunst (wie Dreidimensionalität, Möglichkeit<br />
des Berührens usw.), greift aber auch auf<br />
Mittel der Simulation zurück, die der spanischen<br />
Tradition der Bildherstellung entnommen sind<br />
(wie z. B. Zähne aus Elfenbein, aufgeklebte Augenbrauen<br />
aus Haar usw.). Abb. 12 Mena ist jedoch klug<br />
genug, die Gefahr der allzu perfekten Analogie zu<br />
vermeiden – seine Statuen sind nicht höher als ein<br />
Meter und von daher keine richtigen Trugbilder.<br />
Ebenso ziehen sich die lebensgrossen Bilder von<br />
Zurbarán und seinen Schülern Abb. 1 mit ihrer halluzinatorischen<br />
Wirkung, die noch gesteigert wird durch die Lebensgrösse<br />
und andere Trompe-l’oeil-Strategien, stumm hinter<br />
die unsichtbare Mauer der Bildoberfläche zurück. Die Wirkung<br />
dieser Bilder ist eine doppelte: Sie scha≠en Präsenz<br />
und gebieten gleichzeitig Distanz. In der Geschichte der Malerei<br />
stehen diese Bilder auf einer Schwelle, oder besser gesagt<br />
an einer Schwelle.<br />
Abb. 11<br />
Mumie und Portrait eines Knaben (Anfang des 2.<br />
Jh. n. Chr.), 133 x 33 x 18,5 cm, Portrait: Holz,<br />
Enkaustik, 24 x 16,5 cm (British Museum, London)<br />
Abb. 12<br />
Pedro de Mena, Der unversehrte Leichnam des<br />
heiligen Franziskus (1663), polychromiertes Holz,<br />
Glas, Bindfaden, menschl. Haar, 97 x 33 x 31 cm<br />
(Kathedrale Toledo)