PDF Katalog - Koller Auktionen
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Möbel & Antiquitäten | Möbel, Uhren, Tapisserien, Bronzen<br />
1134 (Detail)<br />
1134*<br />
1 PAAR PRUNK-APPLIKEN, Régence, A.C. BOULLE (André<br />
Charles Boulle, 1642-1732) und seinen Söhnen zuzuschreiben, Paris um<br />
1710/15.<br />
Matt- und glanzvergoldete Bronze. Geschweifte, mit Blumen, Voluten<br />
und Kartuschen beschmückte Wandplatte mit 3 unterschiedlich<br />
geschweiften, ungleich hohen Lichtarmen mit verschieden gestalteten<br />
Tropftellern und Tüllen. H 56 cm.<br />
Provenienz: Aus französischem Besitz.<br />
Ein nahezu identisches Applikenpaar ist im Paul Getty Museum in Malibu<br />
ausgestellt (Inventarnr. 97.DF.16.1-2) und wurde von G. Wilson A.C.<br />
Boulle zugeschrieben. J.N. Ronfort, der wohl bedeutendste Experte der<br />
Arbeiten von A.C. Boulle und Co-Autor des Ausstellungskataloges über<br />
A.C. Boulle in Frankfurt in 2009, hielt diese Zuschreibung für plausibel.<br />
Er wies mit Recht darauf hin, dass die Appliken in die Zeit nach 1715 zu<br />
datieren seien, als die berühmte Werkstatt offiziell von A.C. Boulles<br />
Söhnen geführt wurde. Die Unterschiede zum hier angebotenen Paar<br />
bestehen einerseits in den Tüllen, die im <strong>Katalog</strong> des Paul Getty Museum<br />
als spätere Ergänzung bezeichnet werden, andrerseits in der unteren<br />
Partie der Wandplatte. Sie zeigen die Entwicklung des Modells und<br />
ermöglichen die frühere Datierung des hier angebotenen Paares.<br />
Es liegt eine Materialanalyse des CIRAM vom 20.2.2009 vor (Certificat<br />
d’analyse 0209-OA-28R-1), welche die hier angegebene Datierung<br />
bestätigt.<br />
A.C. Boulle, bereits in jungen Jahren als „menuisier d’art“ und „charpentier“<br />
tätig, arbeitete als polyvalenter Künstler in den 1660er Jahren in der<br />
Abbaye Sainte-Geneviève als Maler, Bildhauer und Stukkateur. Diese<br />
Tätigkeiten ermöglichten ihm den Zugang zur Académie St. Luc und<br />
brachten ihm den ersten Auftrag des Königs ein, zwei Gemälde. Der am<br />
französischen Hof tätige Colbert erkannte sehr früh das künstlerische<br />
Talent des jungen Boulle und lobte ihn als „le plus habile dans son<br />
mé tier“. Boulle erhielt durch ihn als Nachfolger von J. Macé eine Wohnung<br />
im Louvre. Es folgte ein rasanter Aufstieg mit zahlreichen Aufträgen,<br />
die ihm den Titel „architecte, peintre, sculpteur en mosaique, ciseleur-graveur,<br />
marqueteur, inventeur de chiffre“ und das Privileg einbrachten,<br />
mehrere Aktivitäten zu kombinieren, was angesichts der starken<br />
Korporationen der Zünfte eine enorme Freiheit bedeutete: Er konnte all<br />
diese Tätigkeiten in seinem Atelier ausüben. Der riesige Erfolg seiner qualitativ<br />
hochwertigen Möbel, Bronzen, Pendulen, Leuchter, Postamente<br />
und Einrichtungsgegenstände führte zu einer Fülle von Aufträgen für den<br />
französischen Hof, aber auch für die gesamte führende Adelsschicht von<br />
Frankreich, wie zum Beispiel für die Ducs d’Orléans und de Bourbon, für<br />
den Prince de Condé, die Duchesse du Barry, den Kardinal von Rohan,<br />
für ausländische Könige und Fürsten wie König Philippe V. von Spanien,<br />
den Bischof von Köln und Prinz Maximilian Emanuel von Bayern. Trotz<br />
des enormen Erfolges kämpfte Boulle ständig mit finanziellen Problemen<br />
und war auf die Hilfe des Königs angewiesen, wie beispielsweise im Jahr<br />
1703: „Le Roi a bien voulu accorder cette fois encore à Boulle un arrest de<br />
surséance pour six mois à condition que ce sera la dernière grâce que sa<br />
Majesté luy fera là-dessus“. Es waren die finanziellen Schwierigkeiten, vor<br />
allem die ausstehenden Lohnauszahlungen an seine Arbeiter, und Steuerprobleme,<br />
die Boulle im Jahr 1715 zwangen, das Unternehmen an vier seiner<br />
Söhne zu überschreiben - allerdings ohne die Zügel aus der Hand zu<br />
geben. Bis ins hohe Alter blieb er in seiner Werkstatt tätig und war verantwortlich<br />
für die neue Formensprache der Régence.<br />
Lit.: J.N. Ronfort, André-Charles Boulle, Die Bronzearbeiten und sein<br />
Werkstatt im Louvre, in: Vergoldete Bronzen - Die Bronzearbeiten des<br />
Spätbarock und Klassizismus, München 1986; II, S. 459-520. G. Wilson /<br />
C. Hess, Summary Catalogue of European Decorative Arts of the J. Paul<br />
Getty Museum, Los Angeles 2001; S. 125f. J.N. Ronfort / J.D. Augarde,<br />
André Charles Boulle, 1642-1732, A new style for Europe (englische, neu<br />
überarbeitete Fassung), Paris 2011. P. Kjellberg, Le mobilier français du<br />
XVIIIe siècle, Paris 1989; S. 106-114 (biogr. Angaben). A. Pradère, Die<br />
Kunst des französischen Möbels, München o.J.; S. 67-109 (biogr.<br />
Angaben). J.P. Samoyault, André-Charles Boulle et sa famille, 1979.<br />
Unser Dank gilt Herrn J.D. Augarde, Paris, für die Hinweise bei der<br />
<strong>Katalog</strong>isierung dieser Appliken.<br />
CHF 90 000.- / 140 000.-<br />
(€ 75 000.- / 116 670.-)<br />
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