08.06.2014 Aufrufe

AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Gemeinsames Europäisches Kaufrecht<br />

kennzeichnet ist“. Warum für Unternehmergeschäfte<br />

überhaupt eine gesetzliche Anordnung vorvertraglicher<br />

Informationspflichten erforderlich sein soll, ist nicht<br />

erkennbar: Mit KMU-Schutzüberlegungen kann diese<br />

Regelung jedenfalls nicht begründet werden, da diese<br />

Pflichten den jeweiligen Verkäufer treffen, daher auch<br />

ein KMU, das an ein Großunternehmen verkauft. Zu<br />

hinterfragen ist weiters, warum solche vorvertraglichen<br />

Informationspflichten nur für Verkäufer, nicht aber für<br />

Käufer vorgesehen werden: Bspw bei Verträgen über<br />

die Lieferung maßgeschneiderter Waren oder in andere<br />

Produkte einzubauende Teile ist der Verkäufer<br />

auf die ausreichende und richtige Information durch<br />

den Käufer über die Anforderungen und genauen Verwendungszwecke<br />

zumindest genauso angewiesen wie<br />

der Käufer auf Informationen durch den Verkäufer<br />

über die Merkmale der zu liefernden Ware. Schließlich<br />

ist die vorgeschlagene Formulierung aber allein schon<br />

wegen ihrer völligen Unbestimmtheit strikt abzulehnen:<br />

Es kann wohl ausgeschlossen werden, dass sich<br />

hier europaweit eine einheitliche Rechtsprechungspraxis<br />

bei Auslegung einer solchen unklaren Bestimmung<br />

entwickelt – und der EuGH wird hier keine Auslegungs-Richtlinien<br />

vorgeben können, weil es sich jeweils<br />

um Einzelfallentscheidungen handelt.<br />

Eine abschließende Regelung über die vorvertraglichen<br />

Informationspflichten enthält das GEKR aber<br />

nicht. So bleiben einerseits nach Art 12 VO-Entw die<br />

Informationspflichten nach der Dienstleistungs-RL<br />

ebenso unberührt wie nach Art 11 VO-Entw (vgl auch<br />

Erwägungsrund 28) außerhalb des Vertragsrechts vorgesehene<br />

nationale Informationspflichten (etwa wegen<br />

Gesundheits- oder Umweltschutz, Gründen der Sicherheit):<br />

Insb solche nationalen Informationspflichten<br />

bilden natürlich (insb im Zusammenhang mit der im<br />

GEKR nicht geregelten [und daher ebenfalls nach<br />

dem jeweils anwendbaren nationalen Recht zu beurteilenden]<br />

Frage der Nichtigkeit eines Vertrags wegen eines<br />

Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften) ein weiteres<br />

Einfallstor für nationales Recht und reduzieren<br />

damit naturgemäß den Grad der Rechtsvereinheitlichung<br />

durch das GEKR und damit die Attraktivität<br />

für Unternehmer. 11)<br />

2. Sanktionen für Verletzung vorvertraglicher<br />

Informationspflichten<br />

Art 29 GEKR regelt die Sanktionen für die Verletzung<br />

der vorvertraglichen Informationspflichten abschließend.<br />

Nach Art 29 Abs 1 GEKR hat der eine Aufklärungspflicht<br />

verletzende Vertragspartner dem anderen jeden<br />

Verlust (das ist der materielle und immaterielle Verlust<br />

in Form erlittener Schmerzen und erlittenen Leids,<br />

ausgenommen alle andere Formen immateriellen Verlusts<br />

wie Beeinträchtigung der Lebensqualität oder entgangene<br />

Freude: vgl Art 2 lit a VO-Entw) zu ersetzen,<br />

der dem anderen Vertragspartner dadurch entsteht.<br />

Auch wenn es sich bei der Verletzung einer vorvertraglichen<br />

Informationspflicht streng genommen nicht um<br />

eine „Nichterfüllung“ handelt, wird Kap 16 GEKR<br />

über das vertragliche Schadenersatzrecht (einschließlich<br />

Art 88 GEKR) 12) wohl auch auf den Schadenersatz<br />

für die Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten<br />

anwendbar sein: Diese Bestimmungen sehen eine<br />

Verpflichtung zum Ersatz jedes vorhersehbaren Verlusts<br />

vor, außer die Nichterfüllung ist entschuldigt<br />

(Art 159 ff GEKR). 13) Ergänzt wird diese Regelung<br />

durch Art 88 GEKR, wonach eine Nichterfüllung entschuldigt<br />

ist, wenn sie auf einem außerhalb des Einflussbereichs<br />

dieser Partei liegenden Hindernis beruht<br />

und wenn von dieser Partei nicht erwartet werden<br />

konnte, das Hindernis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses<br />

in Betracht zu ziehen oder das Hindernis oder<br />

dessen Folgen zu vermeiden oder zu überwinden.<br />

Wenn nicht nach Art 14 GEKR über zusätzliche<br />

Versendungskosten oder nach Art 17 GEKR über die<br />

Pflicht zur Tragung der Rücksendekosten aufgeklärt<br />

wurde, verliert der Unternehmer den entsprechenden<br />

Entgeltsanspruch (Art 29 Abs 2 GEKR).<br />

Nach Art 29 Abs 3 iVm Art 42 Abs 2 GEKR führt<br />

die Nichtaufklärung über das Widerrufsrecht bei Fernabsatz-<br />

und Haustürgeschäften zu einer Verlängerung<br />

der Widerrufsfrist, maximal jedoch um ein Jahr: Dies<br />

ist wohl eine engere Regelung als nach der EuGH-Rsp,<br />

der in EuGH Heininger 14) auf Basis des geltenden Verbraucherschutz-Acquis<br />

bei fehlender Belehrung über<br />

das Rücktrittsrecht eine absolute Befristung des Rücktrittsrechts<br />

abgelehnt hat.<br />

Weiters ist nach Art 29 Abs 3 iVm Art 48 f GEKR<br />

die Verletzung einer vorvertraglichen Informationspflicht<br />

auch über die Anfechtung wegen Irrtums oder<br />

Arglist möglich (vgl etwa ebenso § 871 Abs 2 ABGB).<br />

Schließlich sind nach Art 59 GEKR die vorvertraglichen<br />

Informationen für die Auslegung des Vertragsinhalts<br />

maßgeblich: Die Unterlassung gebotener vorvertraglicher<br />

Aufklärung kann daher zu einem anderen<br />

Vertragsinhalt als vom Verkäufer intendiert führen; 15)<br />

11) Vgl Perner, Zum Anwendungsbereich des Gemeinsamen Europäischen<br />

Kaufrechts (Art 1 – Art 16 VO-Entwurf), in Wendehorst/<br />

Zöchling-Jud (Hrsg), Am Vorabend eines Europäischen Kaufrechts<br />

– Zum Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission vom<br />

11. 10. 2011, 28.<br />

12) Vgl Lurger, Zustandekommen eines bindenden Vertrags (Teil II CESL-<br />

Entwurf), in Wendehorst/Zöchling-Jud (Hrsg), Am Vorabend eines<br />

Europäischen Kaufrechts – Zum Verordnungsentwurf der Europäischen<br />

Kommission vom 11. 10. 2011, 71 f.<br />

13) Vgl hierzu näher den Beitrag von Mitterer, in diesem Heft.<br />

14) Urteil v 31. 12. 2001, C-481/99. Vgl dazu auch Weller, Widerrufsrecht<br />

bei Fernabsatz und Haustürgeschäften, in Schmidt-Kessel<br />

(Hrsg), Ein einheitliches europäisches Kaufrecht? Eine Analyse des<br />

Vorschlags der Kommission 162.<br />

15) Benninghoff, Die Rolle der vorvertraglichen Informationspflichten im<br />

Entwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, in Schmidt-<br />

336<br />

Vertragsabschluss nach dem GEKR/CESL<br />

Autor: RA Hon.-Prof. Mag. Dr. Peter Csoklich, Wien<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>06</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!