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AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

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Gemeinsames Europäisches Kaufrecht<br />

ten, weil schon durch die Unternehmereigenschaft des<br />

Veräußerers ein geschäftlicher Kontext garantiert ist.<br />

b) Bereitstellung digitaler Inhalte<br />

Überraschenderweise nicht als „Kauf“ bezeichnet wird<br />

der Vertrag über die Bereitstellung digitaler Inhalte.<br />

Diese werden in Art 5 lit b – also an anderer Stelle als<br />

der Kaufvertrag – definiert als „Verträge über die Bereitstellung<br />

digitaler Inhalte, gleich, ob auf einem materiellen<br />

Datenträger oder nicht, die der Nutzer speichern,<br />

verarbeiten oder wiederverwenden kann oder<br />

zu denen er Zugang erhält, unabhängig davon, ob die<br />

Bereitstellung gegen Zahlung eines Preises erfolgt oder<br />

nicht“. Die deutsche Übersetzung des Entwurfs weicht<br />

hier allerdings von der – von den Verfassern ursprünglich<br />

verwendeten – englischen Sprachfassung in durchaus<br />

signifikanter Weise ab. Dort ist von „(. . .) which can<br />

be stored, processed or accessed, and re-used by the user (. . .)“<br />

die Rede. Der Unterschied liegt darin, dass der bloße<br />

Zugang in der deutschen Fassung als gleichberechtigte<br />

Alternative zu Speicherung, Verarbeitung oder Wiederverwendung<br />

genannt wird, während in der englischen<br />

Fassung der Zugang eine Alternative zur Verarbeitung<br />

ist und unabhängig davon (und zwar kumulativ)<br />

die Voraussetzungen der Speicherung und Wiederverwendung<br />

genannt sind. Diese scheinbar haarspalterische<br />

Differenzierung hat weit reichende Konsequenzen,<br />

6) weil nach der deutschen Fassung bspw einmaliges<br />

Streaming ebenso erfasst wäre wie die Zugänglichmachung<br />

von Software in einer Cloud („Software as a Service“),<br />

ja möglicherweise sogar der Vertrag zwischen<br />

dem Nutzer und dem Betreiber einer Online-Plattform<br />

oder dem Besucher und dem Bereitsteller einer Website,<br />

da auch dabei jeweils digitale Inhalte „zugänglich<br />

gemacht“ werden. Dazu will es allerdings nicht passen,<br />

dass in Anh I die Bereitstellung digitaler Inhalte im<br />

Wesentlichen dem Warenkauf gleichgestellt wird, ja<br />

für den besonders bedeutsamen Teil IV über die<br />

Rechte und Pflichten der Parteien sogar terminologisch<br />

von „Verkäufer“ und „Käufer“ die Rede ist (vgl Art 91<br />

des Anhangs I). Das alles spricht dafür, dass nur solche<br />

Verträge über digitale Inhalte erfasst sein sollten, die<br />

ihrem Wesen nach kaufähnlich sind, insb bei denen<br />

die digitalen Inhalte dergestalt in den Machtbereich<br />

des Kunden gelangen, dass dieser eine zeitlich wie inhaltlich<br />

prinzipiell unbeschränkte Nutzungsmöglichkeit<br />

erhält. 7) Für diese Deutung spricht es auch, dass<br />

der Entwurf des Rechtsausschusses des Europäischen<br />

Parlaments gerade im Hinblick auf eine gewünschte<br />

Erweiterung des Instruments auf Fälle des Cloud Computing<br />

ausdrücklich „storage“ als verbundene Dienstleistung<br />

erwähnt (Änderung 41).<br />

Durchaus überraschend ist es allerdings nicht nur,<br />

dass diese Verträge nicht als „Kauf“ bezeichnet werden,<br />

sondern auch, dass sich die zur Nutzung digitaler Inhalte<br />

erforderliche Lizenz im ganzen Instrument mit keinem<br />

Wort erwähnt findet. Während in der Definition des<br />

Warenkaufs allein auf die rechtliche Komponente<br />

(Übertragung des Eigentums) abgestellt wird und sich<br />

die faktische Komponente (Lieferung) erst aus den Verkäuferpflichten<br />

in Kapitel IV des Anh I findet, wird hinsichtlich<br />

digitaler Inhalte allein auf die faktische Komponente<br />

(Bereitstellung) abgestellt, während sich die<br />

rechtliche (Einräumung oder Übertragung einer entsprechenden<br />

Lizenz) nur in Art 91 lit d des Anhangs angedeutet<br />

findet als Verpflichtung des Unternehmers,<br />

„sicherzustellen, dass der Käufer das Recht hat, die digitalen<br />

Inhalte entsprechend dem Vertrag zu nutzen“.<br />

Richtigerweise sollten beide Verträge als „Kauf“ bezeichnet<br />

und konstruiert werden. Dafür spricht im Übrigen<br />

auch die E des Gerichtshofs v 3. 7. 2012 in der<br />

Rechtssache UsedSoft, 8) wo nicht nur die mit einer zeitlich<br />

unbefristeten Lizenz verbundene Bereitstellung<br />

von Software als Kauf qualifiziert, sondern sogar das<br />

Recht des Nutzers als „Eigentum“ an der Programmkopie<br />

bezeichnet wurde. 9) Auf diese Weise würde auch<br />

die Terminologie des gesamten Instruments wesentlich<br />

vereinfacht.<br />

c) Verbundene Dienstleistungen<br />

Verbundene Dienstleistungen sind generell der dritte<br />

Vertragstyp, der vom CESL erfasst sein soll. Damit<br />

steht das Instrument im Dienstleistungsbereich nur<br />

zur Verfügung, wenn inhaltlich eine Verbindung zu einem<br />

Kaufvertrag bzw Vertrag über die Bereitstellung<br />

digitaler Inhalte gegeben ist, wie etwa im Fall von Installation,<br />

Reparatur oder Wartung der gekauften Sache.<br />

Ferner ist erforderlich, dass die Dienstleistungserbringung<br />

entweder im Kaufvertrag selbst oder aber aufgrund<br />

eines gesonderten Dienstleistungsvertrags mit<br />

dem Verkäufer vereinbart wird. Nicht möglich ist es<br />

damit, hinsichtlich der Dienstleistung mit einem anderen<br />

Unternehmer als dem Verkäufer zu kontrahieren.<br />

Zugleich verlangt Art 2 lit m, dass ein gesonderter<br />

Dienstleistungsvertrag zeitgleich mit dem Kaufvertrag<br />

abgeschlossen wird, wobei der Sinn dieser letzten Einschränkung<br />

im Dunklen bleibt und außerdem Art 42<br />

Abs 1 lit e des Anh I das Gegenteil suggeriert. Anzumerken<br />

bleibt, dass ein gesonderter Preis für die<br />

Dienstleistung nicht vereinbart werden muss.<br />

6) So zuerst zutreffend Zoll, Das Dienstleistungsrecht, in Schulte-<br />

Nölke/Zoll/Jansen/Schulze (Hrsg), Optionales europäisches Kaufrecht<br />

(2012) 285 f.<br />

7) Wendehorst in Schulze (Hrsg), Common European Sales Law (2012)<br />

Regulation Article 5 Rz 19 ff.<br />

8) Gerichtshof der Europäischen Union, C-128/11 (2012).<br />

9) Vgl aaO Rz 44 ff: „Dadurch, dass Oracle eine Kopie des Computerprogramms<br />

zugänglich macht und ein entsprechender Lizenzvertrag<br />

abgeschlossen wird, soll diese Kopie für die Kunden (. . .) dauerhaft<br />

nutzbar gemacht werden. Unter diesen Umständen wird (. . .) das Eigentum<br />

an der Kopie des betreffenden Computerprogramms übertragen.“<br />

346<br />

Der Anwendungsbereich des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts<br />

Autorin: Univ.-Prof. Dr. Christiane Wendehorst, LL. M. (Cambridge), Wien<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>06</strong>

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