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AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

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Abhandlung<br />

Kann § 1 Abs 2 Satz 1 RATG 1969 die Reichweite der<br />

Ausnahme in § 42 ZPO einengen, so kann er auch<br />

§§ 380 ff StPO um die Kosten des Rechtsanwalts in eigener<br />

Sache erweitern. § 1 Abs 2 RATG 1969 ist in beiden<br />

Fällen lex specialis. 40)<br />

4. Zum Vergleich mit der rechtsunkundigen Partei<br />

Der Vergleich des Rechtsanwalts in eigener Sache mit<br />

der rechtsunkundigen Partei, der für eigene Mühewaltung<br />

weder nach StPO noch nach ZPO Vergütung gebührt,<br />

liefert kein zwingendes Argument.<br />

Jedenfalls der Gesetzgeber der ZPO spricht im Zusammenhang<br />

mit deren § 42 vom „große[n] Nutzen<br />

(. . .), der aus der Intervention rechtskundiger Vertreter<br />

für die Rechtsprechung und die ganze Erledigung [des<br />

Verfahrens] resultiert“. 41) Als Vorteile der anwaltlichen<br />

Vertretung – im Vergleich zum Laienbevollmächtigten<br />

– heben die Materialen zur ZPO ganz allgemein „die<br />

Fachkenntnisse, die Geschäftsgewandtheit, die Schulung<br />

und Erfahrung der berufsmäßigen Parteienvertreter“<br />

hervor. 42) Die Abwicklung des Verfahrens wird<br />

durch anwaltliche Sachkunde auf Seiten der Parteien<br />

deutlich erleichtert; Anleitungs- und Belehrungspflichten<br />

des Richters sind abgeschwächt, 43) die Zustellung<br />

von Gerichtsstücken ist – insb durch den elektronischen<br />

Rechtsverkehr (vgl § 83 Abs 2 StPO) – schneller<br />

und leichter nachvollziehbar möglich. Mit dem unvertretenen<br />

Rechtsunkundigen kann das Verfahren daher<br />

nicht so effizient geführt werden wie mit dem Rechtsanwalt<br />

in eigener Sache; die gesteigerte Effizienz liegt<br />

letztlich auch im Interesse des Gegners.<br />

Außerdem hat die „Mühewaltung des Rechtsanwalts,<br />

der auf dem ihm vertrauten Gebiet als Fachmann tätig<br />

wird, den gleichen Wert (. . .), wenn er die Leistung<br />

nicht für einen Klienten, sondern für sich selbst erbringt“.<br />

44) Durch § 1 Abs 2 Satz 1 RATG 1969 werden<br />

auch die Interessen des Gegners nicht ungebührend beeinträchtigt.<br />

Für anwaltliche Leistungen, die zur<br />

zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig<br />

waren, wäre er auch dann ersatzpflichtig, wenn sich<br />

der Rechtsanwalt – wie es ihm jederzeit möglich ist –<br />

(zumindest der Form nach) durch einen Berufskollegen<br />

vertreten ließe. 45) Warum der ersatzpflichtige Gegner<br />

davon profitieren soll, dass der Rechtsanwalt selbst tätig<br />

wurde, ist nicht ersichtlich. Eine Obliegenheit des<br />

Rechtsanwalts, sich nach Möglichkeit selbst zu vertreten,<br />

um dem Gegner allfälligen Kostenersatz zu ersparen,<br />

ist nicht anzunehmen. Außer Betracht muss auch<br />

bleiben, ob die Beauftragung eines Anwalts im konkreten<br />

Einzelfall unbedingt notwendig und sinnvoll gewesen<br />

wäre. 46) Umgekehrt spielt es auch bei der rechtsunkundigen<br />

Partei keine Rolle, ob sie den Anwalt bloß<br />

„als Assistenz“ beizieht. 47)<br />

Man kann der Regelung des § 1 Abs 2 RATG 1969<br />

aus rechtspolitischen Gründen kritisch gegenüberstehen.<br />

48) Zwischen der eigenen Mühewaltung der rechtsunkundigen<br />

Partei und dem Tätigwerden eines Rechtsanwaltes<br />

in eigener Sache bestehen aber hinreichende<br />

Unterschiede, die eine Ungleichbehandlung hinsichtlich<br />

des Kostenersatzes in den rechtspolitischen Spielraum<br />

des Gesetzgebers stellen. 49) Er hat seine grundlegende<br />

Entscheidung vor 116 Jahren getroffen und sie<br />

vor 44 Jahren auf Teile des Strafverfahrens erstreckt.<br />

5. Gleichbehandlung bei Verfolgung<br />

des privatrechtlichen Anspruchs<br />

Speziell die Möglichkeit, Privatbeteiligte (§ 69 StPO)<br />

auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (§ 366 StPO), legt<br />

die Notwendigkeit offen, den Rechtsanwalt in eigener<br />

Sache vor den Zivil- und den Strafgerichten gleich zu<br />

behandeln. 50) Denn soweit der Privatbeteiligte „mit seinen<br />

privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg<br />

verwiesen worden ist, bilden die zur zweckentsprechenden<br />

Geltendmachung seiner Ansprüche im<br />

Strafverfahren aufgewendeten Kosten seines Vertreters einen<br />

Teil der Kosten des zivilgerichtlichen Verfahrens,<br />

in dem über den Anspruch erkannt wird“ (§ 393 Abs 5<br />

StPO). Die Kostenentscheidung trifft dann das Zivilgericht<br />

auf Basis der §§ 41 ff ZPO. 51) Dem Ergebnis, dass<br />

der in eigener Sache obsiegende Rechtsanwalt für die<br />

Verfolgung ein und desselben Anspruchs vor dem<br />

Strafgericht keinerlei, für jene vor dem Zivilgericht<br />

aber tarifmäßige Vergütung seiner anwaltlichen Leistungen<br />

verlangen kann, mutet etwas Willkürliches an.<br />

Dazu kommt es bei richtigem Verständnis des § 1 Abs 2<br />

RATG 1969 erst gar nicht.<br />

40) Zur Vorgängerbestimmung § 4 Abs 2 RATG 1923 s bei FN 33.<br />

41) K.u.k. Justizministerium, Materialien zu den neuen österreichischen<br />

Civilprozeßgesetzen I (1897) 214.<br />

42) Materialien zur ZPO I, 214.<br />

43) Zum Zivilverfahren s bspw Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen<br />

Zivilprozessrechts 8 (2010) Rz 944; zum Strafverfahren s<br />

bspw Ratz in Fuchs/Ratz, WK-StPO (Loseblatt, Stand 2008) § 281<br />

Rz 737, § 468 Rz 38 mwN.<br />

44) M. Bydlinski in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze II/1 2 § 42 ZPO<br />

Rz 1 f.<br />

45) M. Bydlinski in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze II/1 2 § 42 ZPO<br />

Rz 1 f.<br />

46) Zu § 91 Abs 2 Satz 3 dZPO: BGH 6. 12. 2007, IX ZB 223/<strong>06</strong> NJW<br />

2008, 1087.<br />

47) OGH 18. 11. 1902, 14.981 KH 2.778.<br />

48) So etwa Gebauer, Honorar 45 ff; für Deutschland LG Berlin<br />

27. 4. 20<strong>06</strong>, 536 Qs 108/<strong>06</strong> NJW 2007, 1477; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,<br />

Zivilprozessordnung 70 (2012) § 91 ZPO<br />

Rz 56 f.<br />

49) Siehe noch bei FN 52.<br />

50) Vgl auch Jahoda, <strong>AnwBl</strong> 1982, 193 f.<br />

51) Fischer, Kostenersatz Rz 125.<br />

360<br />

Kostenersatzanspruch des Rechtsanwalts in eigener (Straf-)Sache<br />

Autor: Ass.-Prof. Dr. Andreas Geroldinger, Linz<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>06</strong>

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