08.06.2014 Aufrufe

AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Gemeinsames Europäisches Kaufrecht<br />

ist wiederum Voraussetzung sämtlicher in Art 1<strong>06</strong> enthaltenen<br />

Rechtsbehelfe, dh von ua Reparatur, Preisminderung,<br />

Vertragsbeendigung, Schadensersatz. Anders<br />

als im österreichischen Recht 16) ist im B2C-Bereich<br />

keine Hierarchie der Gewährleistungsbehelfe und damit<br />

keine Möglichkeit zur Verbesserung durch den<br />

Verkäufer vorgesehen. 17) Der Käufer kann – mit geringen<br />

Einschränkungen 18) – daher sofort sämtliche Behelfe<br />

kumulativ geltend machen. Die Grundlage für einen<br />

Anspruch auf Schadensersatz ist Art 1<strong>06</strong> Abs 1 lit e<br />

iVm Art 159 ff. 19) Demnach sind drei Voraussetzungen<br />

kumulativ zu erfüllen: Nichterfüllung, Fehlen einer<br />

Entschuldigung, Kausalität. 20)<br />

2. „Entschuldigte“ Nichterfüllung<br />

Art 88 regelt, unter welchen Voraussetzungen eine<br />

Nichterfüllung entschuldigt ist, und nennt dazu vier<br />

kumulativ zu erfüllende Kriterien:<br />

" ein Hindernis, 21) welches<br />

" außerhalb des Einflussbereiches der Partei liegt,<br />

" zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht in Betracht<br />

gezogen werden konnte und auch<br />

" in weiterer Folge nicht vermieden oder überwunden<br />

werden konnte.<br />

Damit folgt die Bestimmung der Tendenz in der internationalen<br />

Rechtsvereinheitlichung und ist als Kompromiss<br />

zwischen Garantiehaftung und Verschuldenshaftung<br />

ausgebildet. 22) Vorbild zu dieser Regelung<br />

war offensichtlich Art 79 UN-Kaufrecht, welcher das<br />

beabsichtigte Ergebnis – nämlich einen Ausschluss<br />

der Haftung praktisch nur in Fällen höherer Gewalt –<br />

aber etwas klarer und deutlicher und damit gelungener<br />

228, der überdies auf den Widerspruch zu Art 2 (3) Verbrauchsgüterkauf-RL<br />

hinweist.<br />

16) Bzw der entsprechenden Vorlage in der Verbrauchsgüterkauf-RL<br />

1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v<br />

25. 5. 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs<br />

und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl L 1999/171, 12<br />

(7. 7. 1999).<br />

17) Kritik dazu in der Stellungnahme der WKÖ zum Gemeinsamen Europäischen<br />

Kaufrecht v 26. 3. 2012, 41 f.<br />

18) So ist zB die Vertragsbeendigung gem Art 114 GEKR nur möglich,<br />

wenn die Nichterfüllung „wesentlich“ (B2B) bzw „unerheblich“<br />

(B2C) ist.<br />

19) Inwieweit aus den sonstigen Normen weitere Schadensersatzpflichten<br />

abgeleitet werden, ist unklar. Denkbar erscheint es zB, eine Haftung<br />

bei Schutzpflichtverletzung aus Art 2 Abs 2 GEKR abzuleiten.<br />

20) Remien, Schadensersatz und Zinsen nach EU-Kaufrecht, in Schmidt-<br />

Kessel (Hrsg), Ein einheitliches europäisches Kaufrecht – eine Analyse<br />

des Vorschlags der Kommission 504.<br />

21) Aus dieser Formulierung leiten einige Kommentatoren zu Art 79<br />

UN-Kaufrecht ab, dass Fälle der Lieferung einer mangelhaften Sache<br />

niemals entschuldigt iS der Bestimmung sein können. Vgl Stoll/Gruber<br />

in Schlechtriem/Schweinzer, CISG 4 Art 79 Rz 6, ähnlich CISG Advisory<br />

Council Opinion No 7, Pkt 7.<br />

22) Vgl Kieninger, Allgemeines Leistungsstörungsrecht im Vorschlag für<br />

ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, in Schulte-Nölke/Zoll/<br />

Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales europäisches Kaufrecht<br />

209 mwN.<br />

zum Ausdruck bringt. Einstiges Ziel bei der Formulierung<br />

von Art 79 UN-Kaufrecht war es, einen international<br />

konsensfähigen Kompromiss zwischen der angloamerikanischen<br />

Garantie- und der kontinentaleuropäischen<br />

Verschuldenshaftung zu finden. Demzufolge ist<br />

Art 79 nach übereinstimmender Lehre und überwiegender<br />

Rsp 23) auch nur in Extremfällen als Entschuldigungsgrund<br />

anerkannt, zB bei Naturereignissen oder<br />

bei durch staatliche Eingriffe verursachten Mängeln<br />

bei der Erfüllung. Keinen tauglichen Entschuldigungsgrund<br />

stellen hingegen sämtliche in der Sphäre des<br />

Verkäufers angesiedelte Gründe, zB Organisationsrisiken<br />

oder Produktionsschäden dar. Der Verkäufer haftet<br />

auch für sämtliche an der Erfüllung beteiligte<br />

Dritte. 24) Während sich in Bezug auf das UN-Kaufrecht<br />

dieses Ergebnis hinsichtlich der Gehilfenhaftung explizit<br />

aus Art 79 Abs 2 ergibt, lässt es sich im GEKR aus<br />

Art 92 Abs 2 ableiten, wonach der Verkäufer, der andere<br />

Personen mit der Erfüllung beauftragt, für selbige<br />

verantwortlich bleibt. 25) Beträchtliche Unterschiede –<br />

wie bereits anhand der einleitend referierten Fälle dargestellt<br />

– zum österreichischen Recht ergeben sich daher<br />

immer bei der Einschaltung von Zulieferern. 26)<br />

23) Siehe CISG Advisory Council Opinion No 7 mwN, Pkt 3 ff. Dort wird<br />

insb auch auf den Fall BGH 9. 1. 2002, VIII ZR 304/00 verwiesen:<br />

Der Kläger handelt mit Milcherzeugnisprodukten und kaufte von<br />

der beklagten Molkerei 2.557,5 t abgepacktes Milchpulver. Die Klägerin<br />

kontrollierte das Milchpulver stichprobenartig, palettierte es<br />

neu und lieferte es an einen Kunden, der damit Trinkmilch produzierte.<br />

Die Trinkmilch wies teilweise einen ranzigen Geschmack<br />

auf, als dessen Ursache Sachverständige einen Lipase-Befall erkannten.<br />

Ob der Befall bereits im Zeitpunkt des Gefahrenüberganges vorlag<br />

oder erst später bspw im Zuge der Lagerung auftrat, konnte nicht<br />

eindeutig festgestellt werden. Das HöchstG stellte fest, dass eine Befreiung<br />

der Beklagten von der Schadensersatzpflicht für ihre vertragswidrige<br />

Leistung allenfalls in Betracht käme, wenn sie nachweisen<br />

könnte, dass ein etwaiger Lipasebefall der angelieferten Milch<br />

auch bei sorgfältiger Anwendung der gebotenen Untersuchungsmethoden<br />

vor der Weiterverarbeitung in der gesamten Zulieferkette<br />

nicht erkennbar gewesen wäre und dass zusätzlich eine mögliche<br />

Verseuchung bei der Herstellung des Milchpulvers auf einem außerhalb<br />

ihres Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruhen<br />

würde.<br />

24) CISG Advisory Council Opinion No 7, Pkt 13, wonach die Entschuldigungsmöglichkeiten<br />

im Falle der Lieferung mangelhafter Waren<br />

minimal sind. Begründet wird dies ua damit, dass eine strikte – praktisch<br />

verschuldensunabhängige – Anwendung der Vorschrift klarer<br />

und gerechter sei.<br />

25) So auch Koch, Schadensersatz und Rückabwicklung (Teil VI und VII<br />

CESL-Entwurf), in Wendehorst/Zöchling-Jud, Am Vorabend eines<br />

Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts 232. Diese Ansicht wird<br />

im Übrigen auch durch Art 91 lit c GEKR unterstützt, der eine Pflicht<br />

zur Sicherstellung der Vertragsgemäßheit durch den Verkäufer vorsieht.<br />

26) So auch Remien, Schadensersatz und Zinsen nach EU-Kaufrecht, in<br />

Schmidt-Kessel (Hrsg), Ein einheitliches europäisches Kaufrecht –<br />

eine Analyse des Vorschlags der Kommission 5<strong>06</strong>, der die mangelnde<br />

Rechtssicherheit kritisiert. Kritisch auch Kieninger, Allgemeines Leistungsstörungsrecht<br />

im Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches<br />

Kaufrecht, in Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein<br />

optionales europäisches Kaufrecht 210 f, die auf die Unterschiede<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>06</strong><br />

Die Regelung des Schadensersatzes im Entwurf zum Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht<br />

Autor: Mag. Moritz Mitterer, Wien<br />

353

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!