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AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

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Abhandlung<br />

des § 42 Z. P. O. handelt, wonach die Partei für ihre<br />

persönliche Bemühungen einen Kostenersatz nicht anzusprechen<br />

hat, erscheint es aus verfassungsrechtlichen<br />

Gründen vorsichtig, diese Vorschrift mit Gesetzeskraft<br />

auszustatten.“ § 4 Abs 2 RATG 1923 knüpfte also inhaltlich<br />

nahtlos an § 17 der Tarifverordnungen an<br />

und war als Modifikation des § 42 ZPO, als lex specialis,<br />

gedacht. Da die neue Bestimmung auf bürgerliche<br />

Rechtssachen beschränkt war, stellte sich die Frage<br />

nach ihrem Verhältnis zu §§ 380 ff StPO erst gar nicht.<br />

Das RATG 1969 32) erhob den Tarif in den Gesetzesrang<br />

und brachte einige inhaltliche Neuerungen. § 4<br />

Abs 2 RATG 1923 wurde in den § 1 Abs 2 vorverlagert<br />

und dort mit § 4 Abs 1 RATG 1923 verschmolzen. § 1<br />

RATG 1969 lautete, soweit hier von Interesse, wie folgt:<br />

„§ 1. (1) Die Rechtsanwälte haben im zivilgerichtlichen<br />

Verfahren und im schiedsrichterlichen Verfahren nach den<br />

§§ 577 ff der Zivilprozeßordnung sowie in Strafverfahren<br />

über eine Privatanklage und für die Vertretung von Privatbeteiligten<br />

Anspruch auf Entlohnung nach Maßgabe der folgenden<br />

Bestimmungen und des angeschlossenen, einen Bestandteil<br />

dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs.<br />

(2) Die Vorschriften dieses Bundesgesetzes gelten, soweit<br />

im folgenden nicht anderes bestimmt wird, sowohl im Verhältnis<br />

zwischen dem Rechtsanwalt und der von ihm vertretenen<br />

Partei als auch bei Bestimmung der Kosten, die der<br />

Gegner zu ersetzen hat, und zwar auch dann, wenn dem<br />

Rechtsanwalt in eigener Sache Kosten vom Gegner zu ersetzen<br />

sind. (. . .)“<br />

Die Ausführungen in den ErläutRV dazu sind denkbar<br />

knapp: 33) „[In § 1] werden § 2 Abs 1 und § 4 des Ermächtigungsgesetzes<br />

und § 1 der Verordnung zusammengefasst.<br />

Der Tarif soll, wie bisher, im Strafverfahren<br />

nur für das Privatanklageverfahren, im offiziösen<br />

Verfahren nur für die Vertretung des Privatbeteiligten<br />

gelten. Da sonstige Leistungen im Strafverfahren nicht<br />

nach dem Tarif zu entlohnen sind, ist nicht einzusehen,<br />

warum in solchen Fällen Reisekosten und Zeitversäumnis<br />

darnach zu vergüten sind, wie dies § 1 Abs 2 der<br />

Verordnung bestimmt; diese Bestimmung soll daher<br />

entfallen.“ Wenngleich die Materialien wenig Aufschluss<br />

über Einzelheiten des § 1 RATG 1969 geben,<br />

lassen sie die Absicht des Gesetzgebers, den Rechtssatz<br />

des § 4 Abs 2 RATG 1923 (und damit des § 17 Tarifverordnung<br />

1897/1909/1920) fortzuschreiben, doch<br />

deutlich erkennen. 34) Sie kommt weiters in der wörtlichen<br />

Übernahme der Wendung „auch dann, wenn<br />

[dem Rechtsanwalt] in eigener Sache Kosten vom Gegner<br />

zu ersetzen sind“ zum Ausdruck. Fraglich bleibt damit<br />

nur, ob dieser Rechtssatz fortan auch in bestimmten<br />

Strafverfahren Anwendung finden sollte.<br />

Die in § 4 Abs 2 RATG 1923 enthaltene Einschränkung<br />

„In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten“ ist jedenfalls<br />

entfallen; der Wortlaut des Gesetzes spricht daher<br />

für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs. Ob es<br />

sich dabei um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers<br />

handelte, lassen die Materialien nicht unmittelbar<br />

erkennen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang,<br />

dass die Begrenzung auf bürgerliche Rechtssachen<br />

durch das RATG 1923 eine Reaktion auf eine zuvor<br />

unklare Rechtslage war; dass diese Klarstellung<br />

etwas mehr als 40 Jahre später unabsichtlich gestrichen<br />

wurde, ist nicht ohne Weiteres zu unterstellen. Schließlich<br />

belegen die Materialien eindeutig, dass der Gesetzgeber<br />

den Anwendungsbereich des RATG 1969 in<br />

Strafverfahren hinterfragt hat, was auch zu dessen Anpassung<br />

führte. 35) Im Ergebnis ist mE daher nicht von<br />

einem Redaktionsversehen auszugehen. Wie noch zu<br />

zeigen ist, scheint eine Gleichbehandlung des Rechtsanwalts<br />

in eigener Sache vor den Zivil- und den Strafgerichten<br />

insb dort, wo es um den privatrechtlichen<br />

Anspruch geht (Privatbeteiligung), dringend geboten. 36)<br />

Auch die Strafgerichte erachten § 1 Abs 2 Satz 1<br />

RATG 1969 offenbar für im Strafverfahren anwendbar;<br />

sie legen der Bestimmung allerdings eine Bedeutung bei,<br />

die in ihrer Historie keine Deckung findet. 37) Dafür, dass<br />

der Gesetzgeber des RATG 1969 beabsichtigt hätte, § 4<br />

Abs 2 RATG 1923 – trotz weitgehender Übernahme des<br />

Wortlauts – einem (das Zivilverfahrensrecht erfassenden)<br />

völligen Bedeutungswandel zu unterziehen, ohne<br />

dies im Gesetzgebungsprozess mit nur einem Wort zu<br />

erwähnen, gibt es keine Anhaltspunkte.<br />

Damit erfasst § 1 Abs 2 Satz 1 RATG seit 1969 auch<br />

Verfahren über eine Privatanklage und Privatbeteiligung,<br />

38) womit dem Rechtsanwalt in eigener Sache<br />

Kostenersatz wie einem bevollmächtigten Anwalt gebührt.<br />

Der Rsp vor Inkrafttreten dieser legistischen<br />

Neuerung, mag sie auch richtig gewesen sein, kommt<br />

für die heutige Rechtslage kein entscheidendes Gewicht<br />

mehr zu. 39)<br />

3. Zur taxativen Aufzählung in § 381 StPO<br />

Auf Basis dieser Erkenntnis fällt auch das Argument,<br />

bei § 381 StPO handle es sich um eine taxative Aufzählung,<br />

als Stütze der strafgerichtlichen Rsp weg. Schließlich<br />

nehmen § 1 Abs 2 RATG 1969 und § 381 StPO im<br />

Stufenbau der Rechtsordnung denselben Rang ein.<br />

32) BG v 22. 5. 1969 über den Rechtsanwaltstarif, BGBl 1969/189.<br />

33) ErläutRV 1175 BlgNR 11. GP 11 f.<br />

34) Vgl auch OGH 9. 7. 1969, 7 Ob 109/69 SZ 42/111.<br />

35) Siehe bei FN 33.<br />

36) Siehe III.5.<br />

37) Siehe etwa OGH 29. 6. 2011, 15 Os 75, 76/11 k; vgl II. (drittes Argument).<br />

38) § 1 Abs 1 RATG 1969 erwähnt zwar die Subsidiaranklage (§ 72<br />

StPO) nicht. Angesichts ihrer sachlichen Nähe zur Privatbeteiligung<br />

und Privatanklage (vgl Korn/Zöchbauer in Fuchs/Ratz, WK-StPO [Loseblatt,<br />

Stand 2010] § 72 Rz 1 f mwN), die beide in § 1 Abs 1 RATG<br />

1969 angeführt sind, könnte die Anwendung von § 1 Abs 2 RATG<br />

1969 auch in diesem Fall erwogen werden (vgl aber OGH<br />

30. 8. 1989, 14 Os 100/89 SSt 60/53; Lendl in Fuchs/Ratz, WK-StPO<br />

§ 394 f Rz 25).<br />

39) Vgl auch Jahoda, <strong>AnwBl</strong> 1982, 194.<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>06</strong><br />

Kostenersatzanspruch des Rechtsanwalts in eigener (Straf-)Sache<br />

Autor: Ass.-Prof. Dr. Andreas Geroldinger, Linz<br />

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