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AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

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Gemeinsames Europäisches Kaufrecht<br />

zu veranlassen (Art 49 Abs 2 GEKR). Damit ist – enger<br />

als nach geltendem österreichischem Recht 38) – die Verschuldensform<br />

des dolus directus erforderlich. Zur<br />

Vertragsanfechtung ist die arglistig getäuschte Person<br />

dann berechtigt, wenn sie dadurch, sei es durch Worte<br />

oder durch Verhalten oder durch arglistiges Verschweigen<br />

von Informationen, die ihr nach dem<br />

Grundsatz von Treu und Glauben und dem Grundsatz<br />

des redlichen Geschäftsverkehrs oder aufgrund vorvertraglicher<br />

Informationspflichten hätten offen gelegt<br />

werden müssen, zum Vertragsabschluss bestimmt<br />

wurde.<br />

Ungeachtet dieser komplizierten Regelung wird damit<br />

wohl ein dem geltenden österreichischen Recht<br />

vergleichbarer Arglist-Tatbestand vorgesehen; durch<br />

einerseits die explizite Bezugnahme auf die Verletzung<br />

vorvertraglicher Informationspflichten und andererseits<br />

den umfangreichen Katalog vorvertraglicher Informationspflichten<br />

des GEKR (vgl oben I.) ist aber<br />

durchaus zu erwarten, dass dem Arglist-Tatbestand unter<br />

dem GEKR ein weiterer Anwendungsbereich zukommen<br />

wird; zumindest kann erwartet werden, dass<br />

häufiger versucht werden wird, sich auf Arglist zu berufen.<br />

Drohung liegt nach Art 50 GEKR vor, wenn eine<br />

Partei mit rechtswidrigem, unmittelbar bevorstehendem<br />

ernsten Übel oder mit einer rechtswidrigen Handlung<br />

zum Vertragsabschluss bestimmt wird.<br />

Unter unfairer Ausnutzung versteht Art 51 GEKR<br />

die Verschaffung eines übermäßigen Nutzens oder unfairen<br />

Vorteils durch Ausnutzung einer Abhängigkeit,<br />

Vertrauensverhältnis, Notlage, Unwissenheit, Unerfahrenheit<br />

oder Unvorsichtigkeit, von der der Andere<br />

wusste oder wissen musste; dies entspricht sowohl hinsichtlich<br />

der objektiven als auch subjektiven Voraussetzungen<br />

wohl weitgehend dem Wucher-Tatbestand des<br />

§ 879 Abs 2 Z 4 ABGB. 39)<br />

Die Rechtsfolgen von arglistiger Täuschung, Drohung<br />

und unfairer Ausnutzung sind dieselben wie bei<br />

Irrtum: Die betroffene Person ist zur Anfechtung mittels<br />

Mitteilung berechtigt; diese führt zur ex-tunc Auflösung<br />

des Vertrags und Rückabwicklung sowie Schadenersatz.<br />

Besonders bei der unfairen Ausnutzung führt<br />

die fehlende Möglichkeit der Vertragsanpassung zu<br />

sachlich nicht zu rechtfertigenden Konsequenzen:<br />

Denn der Bewucherte ist damit gezwungen, entweder<br />

das bewucherte Geschäft unverändert zu belassen oder<br />

anzufechten, dh rückabzuwickeln: Warum soll der Bewucherte<br />

etwa gezwungen werden, die von ihm dringend<br />

benötigte, zum wucherisch überhöhten Preis gekaufte<br />

Sache (etwa einen dringend benötigten Heilbehelf)<br />

zurückgeben zu müssen, anstatt sie gegen Bezahlung<br />

eines fairen Preises behalten zu dürfen? 40)<br />

Gerade hier ist die fehlende Anpassungsmöglichkeit,<br />

nämlich hier Anpassung an eine angemessene Gegenleistung,<br />

geradezu unverständlich.<br />

Die Anfechtungsfrist in all diesen Fällen beträgt jeweils<br />

ein Jahr ab Kenntnis von den maßgebenden Umständen<br />

(Art 52 Abs 2 lit b) GEKR, maximal zehn Jahre<br />

(Art 179 f GEKR) und ist damit jedenfalls deutlich kürzer<br />

als nach österreichischem Recht.<br />

38) Vgl Bollenberger in KBB ABGB 3 § 870 Rz 1 mwN: Eventualvorsatz ist<br />

ausreichend.<br />

39) Vgl Bollenberger in KBB ABGB 3 § 879 Rz 18 mwN.<br />

40) Vgl Lurger, Zustandekommen eines bindenden Vertrags (Teil II CESL-<br />

Entwurf), in Wendehorst/Zöchling-Jud (Hrsg), Am Vorabend eines<br />

Europäischen Kaufrechts – Zum Verordnungsentwurf der Europäischen<br />

Kommission vom 11. 10. 2011, 83.<br />

344<br />

Vertragsabschluss nach dem GEKR/CESL<br />

Autor: RA Hon.-Prof. Mag. Dr. Peter Csoklich, Wien<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>06</strong>

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