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AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

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Abhandlung<br />

<strong>2013</strong>, 356<br />

Kostenersatz;<br />

Rechtsanwalt in<br />

eigener Sache;<br />

Privatanklage;<br />

Privatbeteiligung;<br />

§ 1 Abs 2 RATG 1969;<br />

§§ 41 f ZPO;<br />

§§ 380 ff StPO<br />

Kostenersatzanspruch des Rechtsanwalts<br />

in eigener (Straf-)Sache *)<br />

Anmerkungen zu OGH 15 Os 75, 76/11 k<br />

Ass.-Prof. Dr. Andreas Geroldinger, Linz. Der Autor forscht und lehrt am Institut für Zivilrecht der Johannes Kepler<br />

Universität Linz und ist Adjunct Faculty Member der John Marshall Law School, Chicago. Zuvor war er Assistent an der<br />

Universität Wien (Institut für Zivilverfahrensrecht) und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Obersten Gerichtshof.<br />

Seine Forschungsschwerpunkte liegen im allgemeinen Zivilrecht und im Zivilverfahrensrecht.<br />

Seit mehr als 100 Jahren judizieren die Strafgerichte, dass ein Rechtsanwalt, der sich in einem Strafverfahren<br />

über eine Privatanklage „selbst vertritt“, keinen Kostenersatz für seine anwaltlichen Leistungen beanspruchen<br />

kann. Seit mehr als 40 Jahren steht die Fortschreibung dieses Rechtssatzes jedoch mit § 1 Abs 2 RATG 1969<br />

in Konflikt: Nach Maßgabe dieser Bestimmung gebührt dem Rechtsanwalt in eigener Sache auch in Verfahren<br />

über eine Privatanklage oder Privatbeteiligung tarifmäßige Vergütung.<br />

I. Einleitung<br />

Rechtsanwälte haben „im zivilgerichtlichen (. . .) und im<br />

schiedsrichterlichen Verfahren (. . .) sowie in Strafverfahren<br />

über eine Privatanklage und für die Vertretung<br />

von Privatbeteiligten Anspruch auf Entlohnung“ nach<br />

dem RATG 1969 1) samt Tarif (§ 1 Abs 1 leg cit). Diese<br />

Vorschriften gelten, „soweit (. . .) nicht anderes bestimmt<br />

wird, sowohl im Verhältnis zwischen dem<br />

Rechtsanwalt und der von ihm vertretenen Partei als<br />

auch bei Bestimmung der Kosten, die der Gegner zu ersetzen<br />

hat, und zwar auch dann, wenn dem Rechtsanwalt in eigener<br />

Sache Kosten vom Gegner zu ersetzen sind“ (§ 1<br />

Abs 2 Satz 1 RATG 1969).<br />

Bei isolierter Betrachtung des Wortlauts bleibt der<br />

Gehalt des letzten Halbsatzes etwas im Dunkeln. Für<br />

den Bereich des Zivilverfahrens zweifelt heute aber<br />

kaum jemand daran, dass der Rechtsanwalt, der in eigener<br />

Sache 2) tätig wird, aufgrund § 1 Abs 2 Satz 1 RATG<br />

1969 Kostenersatz im selben Umfang wie bei Vertretung<br />

durch einen Standeskollegen verlangen kann. 3)<br />

Für die Beteiligung am Privatanklageverfahren vertreten<br />

strafrechtliche Judikatur 4) und Lehre 5) jedoch seit<br />

mehr als 100 Jahren das Gegenteil: Der in eigener Sache<br />

tätige Rechtsanwalt wird – entgegen abweichenden<br />

Tendenzen in den Unterinstanzen und einzelnen<br />

mahnenden Stimmen im Schrifttum 6) – ebenso behandelt<br />

wie eine rechtsunkundige Person; für die eigene<br />

Mühewaltung gebühre kein Kostenersatz.<br />

II. Argumentation der Strafgerichte<br />

Die hier zu besprechende E OGH 15 Os 75, 76/11 k erging<br />

infolge einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung<br />

des Gesetzes. Das LGSt Wien hatte dem Privatankläger<br />

Rechtsanwalt Dr. Karl V die Kosten für die<br />

Teilnahme an der Berufungsverhandlung – bei der er<br />

persönlich anwesend, aber nicht vertreten war – nach<br />

den Tarifansätzen des RATG 1969 in der beantragten<br />

Höhe von . . . 988,42 (samt USt) zugesprochen. Als Begründung<br />

führte es aus, dass dem Privatankläger als<br />

Rechtsanwalt in eigener Sache „gemäß § 1 Abs 2<br />

RATG 1969 Kosten zustehen, als wäre er von einem<br />

Rechtsanwalt vertreten“. Der dagegen erhobenen Beschwerde<br />

des Verurteilten Dr. Ewald S gab das OLG<br />

Wien nicht Folge. Die Generalprokuratur erhob jedoch<br />

Nichtigkeitsbeschwerde und war erfolgreich.<br />

Nach Ansicht des 15. Senats steht dem Privatankläger,<br />

der sich im Verfahren „selbst vertreten“ hat, auch dann<br />

kein Anspruch auf Vertretungskosten zu, wenn er<br />

Rechtsanwalt ist. Sowohl im Ergebnis als auch mit<br />

der Begründung reiht sich der 15. Senat in eine weit zurückreichende<br />

Judikaturlinie ein; die sie tragenden Argumente<br />

lassen sich wie folgt zusammenfassen: 7)<br />

*) Die Befassung mit diesem Thema geht auf eine Anfrage aus der Praxis<br />

zurück. Die Personenbezeichnungen beziehen sich gleichermaßen<br />

auf Männer und Frauen.<br />

1) Rechtsanwaltstarifgesetz, BGBl 1969/189 idgF.<br />

2) Zum Begriff der eigenen Sache s etwa Schmidt, „Populismus“ verpönt!<br />

Anmerkung zu Om 6/91 v 11. 3. 1992, ÖBl 1993, 7.<br />

3) Siehe die Nachweise in FN 16 f.<br />

4) OGH 13. 1. 1977, 12 Os 192, 193/76 EvBl 1977/188, 408; RG<br />

12. 3. 1940, 6 D 74/40 EvBl 1940/259, 107; OGH 16. 11. 1911, Kr<br />

VI 164/11 KH 3.888; aus der unterinstanzlichen Rsp s etwa LGSt<br />

Wien 14. 10. 1999, 13 a Bl 529/99 WR 875; OLG Wien<br />

2. 12. 1991, 21 Bs 398/91 MR 1992, 16 (Kornfeld) (zu § 16 MedienG);<br />

LGSt Wien 13. 4. 1988, 13 d Bl 351/87 WR 388; vgl auch<br />

schon OGH 7. 4. 1897, 3.850 KH 2.074; 31. 5. 1907, 7.2<strong>06</strong> KH<br />

3.346.<br />

5) So etwa Beisser, Kostenersatzanspruch des Privatanklägers? ZBl<br />

1891, 121 (124 f); Fischer, Kostenersatz im Strafprozess (20<strong>06</strong>)<br />

Rz 107, 230; Lendl in Fuchs/Ratz, WK-StPO (Loseblatt, Stand<br />

2011) § 393 Rz 28; Lohsing/Serini, Österreichisches Strafprozeßrecht<br />

4 (1952) 508.<br />

6) Jahoda, Zur Frage der Erlagsbefugnis gem § 19 Abs 3 RAO und des<br />

Kostenersatzes in eigener Sache, <strong>AnwBl</strong> 1982, 191 (193 f); krit auch<br />

Kornfeld, MR 1992, 17 (Entscheidungsanmerkung), den Fischer (Kostenersatz<br />

Rz 107 Fn 142) zu Unrecht als „zust“ zitiert.<br />

7) Vgl die Nachweise in FN 4, wobei nicht alle Argumente in jeder Entscheidung<br />

(mit gleichem Gewicht) vorkommen.<br />

356<br />

Kostenersatzanspruch des Rechtsanwalts in eigener (Straf-)Sache<br />

Autor: Ass.-Prof. Dr. Andreas Geroldinger, Linz<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>06</strong>

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