AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...
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Gemeinsames Europäisches Kaufrecht<br />
Ebenso ausgenommen sind sog Mischverträge, das<br />
sind nach Art 6 Abs 1 VO-Entw Verträge, die neben<br />
dem Kauf von Waren und der Erbringung verbundener<br />
Dienstleistungen iSv Art 5 VO-Entw noch andere Elemente<br />
beinhalten.<br />
Gerade auch bei diesen zentralen Fragen des sachlichen<br />
Anwendungsbereichs 19) zeigen sich ganz erhebliche<br />
strukturelle und konzeptionelle Schwächen des<br />
VO-Entw: Zum einen ist die Aufnahme dieser ganz<br />
zentralen Definitionen in den Chapeau (statt direkt in<br />
das GEKR) unverständlich; zum anderen ist es aus<br />
Sicht der Rechtssicherheit inakzeptabel, dass aufgrund<br />
der unklaren, vagen Formulierung schon bei der Frage,<br />
für welche Verträge das GEKR überhaupt wirksam vereinbart<br />
werden kann, erhebliche Zweifelsfragen auftauchen:<br />
Es kann auch nicht mit einer breiten Akzeptanz<br />
des GEKR gerechnet werden, wenn die Vertragsparteien<br />
ein erhebliches Risiko eingehen, dass sie im<br />
Streitfall vom Gericht erfahren müssen, dass auf ihren<br />
Vertrag, weil dieser doch kein Kaufvertrag iS des<br />
VO-Entw ist, das gewählte GEKR gar nicht anwendbar<br />
ist, sondern ein nach der Rom I-VO zu bestimmendes<br />
nationales Recht; und angesichts dieser Risiken kann<br />
sich ein sorgfältig handelnder Unternehmer auch nicht<br />
die Prüfung der einzelnen nationalen Rechtsordnungen,<br />
in denen er seine Waren verkaufen möchte, ersparen.<br />
Hier besteht also noch ein erheblicher Änderungsbedarf.<br />
20)<br />
2. Vertragsabschluss<br />
Auch der im GEKR vorgesehene Mechanismus des Zustandekommens<br />
eines wirksamen Vertrags entspricht<br />
im Grunde dem des österreichischen Rechts und dem<br />
des CISG: Ein wirksamer Vertrag setzt nach Art 30<br />
GEKR voraus, dass die Parteien eine Einigung mit<br />
Rechtsfolgewillen erzielen und die Einigung einen ausreichenden<br />
Inhalt hat und hinreichend bestimmt ist.<br />
Auch das GEKR geht von einem Anbot als einleitende,<br />
zum Vertragsabschluss führende Willenserklärung aus,<br />
das einen ausreichenden Inhalt haben und hinreichend<br />
bestimmt sein muss und in der Absicht unterbreitet<br />
wird, im Falle seiner Annahme zu einem Vertrag zu<br />
führen; ein an die Allgemeinheit gerichteter Vorschlag<br />
(etwa Prospekt, Homepage, Flugblatt) stellt – so wie im<br />
österreichischen Recht – kein Anbot dar, außer aus den<br />
Umständen ergibt sich etwas anderes (Art 31 GEKR;<br />
ebenso Art 14 Abs 2 CISG). Eine Einigung (und damit<br />
der Vertragsabschluss) wird durch (ausdrückliche oder<br />
schlüssige) Annahme des Anbots innerhalb der Annahmefrist<br />
bewirkt (Art 30 Abs 2, Art 35 GEKR).<br />
Hingegen ist die Bindungswirkung der Offerte im<br />
GEKR angelehnt an das englische Recht („mailboxrule“)<br />
und der diesem nachgebildeten Regelung des<br />
Art 16 CISG vorgesehen und damit abweichend vom<br />
österreichischen Recht: Während nach dem österreichischen<br />
Recht eine Offerte ab Zugang beim Oblaten<br />
nicht mehr einseitig zurückgenommen oder geändert<br />
werden kann, ist die Offerte nach dem GEKR bis zur<br />
Absendung der Annahmeerklärung vom Offerenten<br />
frei widerrufbar, wenn sich aus der Offerte selbst keine<br />
andere Regelung ergibt (Art 32 GEKR). 21) Weiters ist<br />
die Offerte nach Art 32 Abs 3 lit c GEKR nicht widerrufbar,<br />
wenn der „Empfänger aus sonstigen Gründen vernünftigerweise<br />
auf die Unwiderruflichkeit des Anbots vertrauen<br />
konnte und er im Vertrauen auf das Anbot gehandelt<br />
hat“: diese völlig unbestimmte Regelung sollte in der<br />
Endfassung gestrichen werden.<br />
Die Annahmefrist ist ebenfalls dem österreichischen<br />
Recht entsprechend geregelt: Wenn der Offerent nicht<br />
selbst eine Annahmefrist gesetzt hat, gilt eine angemessene<br />
Annahmefrist (Art 36 GEKR).<br />
Die verspätete Annahme ist Art 21 CISG und im<br />
Ergebnis wohl auch dem geltenden österreichischen<br />
Recht entsprechend geregelt: Eine verspätete Annahme<br />
führt nur dann zum Vertragsabschluss, wenn der Anbietende<br />
den Empfänger unverzüglich davon unterrichtet;<br />
Art 37 Abs 2 GEKR enthält eine § 862 a,<br />
2. Halbsatz, ABGB entsprechende Regelung.<br />
In der dt Sprachfassung missverständlich ist der Zugang<br />
von Willenserklärungen geregelt (Art 10 GEKR):<br />
Danach geht eine Mitteilung zu, wenn sie dem Empfänger<br />
„übermittelt“ wird; wie aus der englischen<br />
Sprachfassung („delivered“) folgt, ist wohl von der Zustellung,<br />
nicht von der Absendung auszugehen; bei<br />
elektronischer Übermittlung reicht für den Zugang<br />
aber, dass die Erklärung für Empfänger abrufbar oder<br />
sonst an einem Ort und in einer Weise zugänglich gemacht<br />
wird, dass ihr unverzüglicher Abruf durch den<br />
Empfänger erwartet werden kann.<br />
Bemerkenswerterweise regelt das GEKR nicht, wann<br />
das Anbot bzw der Vertrag „hinreichend bestimmt“<br />
ist und einen „ausreichenden Inhalt“ hat, insb ist unklar,<br />
ob die Nennung eines bestimmten Preises erforderlich<br />
ist. Auch wenn etwa nach Art 14 GEKR für<br />
Fernabsatz- und Haustürgeschäfte über den Gesamtpreis<br />
und Kosten aufgeklärt werden muss, kann daraus<br />
nicht zwingend geschlossen werden, dass der Preis zumindest<br />
bei Verbrauchergeschäften zu den essentialia<br />
negotii zählt, weil die Verletzung der Informationspflicht<br />
zwar über eine Schadenersatzpflicht und Irrtumsanfechtung<br />
sanktioniert wird, nicht aber mit der<br />
Vertragsunwirksamkeit. Hinzu kommt, dass nach<br />
Art 73 GEKR dann, wenn kein Preis vereinbart wurde,<br />
ein angemessener Preis als vereinbart gilt: Insgesamt<br />
19) Vgl hierzu näher den Beitrag von Wendehorst, in diesem Heft.<br />
20) Vgl hierzu mit konkreten Änderungsvorschlägen das ELI, Statement<br />
of the European Law Institute (ELI) on the Proposal for a Regulation<br />
on a Common European Sales Law, Part A: Summary of Proposed<br />
Changes, II Changes to the Scope of the CESL (7)-(9) und Art 2 (neu).<br />
21) Die diesbezügliche deutsche Sprachfassung ist aber irreführend und<br />
schwer verständlich; aus der engl Fassung erschließt sich aber das<br />
hier wiedergegebene Verständnis.<br />
338<br />
Vertragsabschluss nach dem GEKR/CESL<br />
Autor: RA Hon.-Prof. Mag. Dr. Peter Csoklich, Wien<br />
Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>06</strong>