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AnwBl_2013-06_Umschlag 1..4 - Österreichischer ...

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Europa aktuell<br />

Die Reform der Rechtsanwaltsordnung in Italien<br />

(Gesetz v 31. 12. 2012 Nr 247) 1)<br />

I. Einleitung<br />

Der 31. 12. 2012 ist ein wichtiges Datum in der Geschichte<br />

der italienischen Anwaltschaft. An diesem<br />

Tag wurde das Gesetz Nr 247/2012 verabschiedet, das<br />

endlich nach zahllosen Anläufen die neue Rechtsanwaltsordnung<br />

gebracht hat.<br />

Es war eine schwere Geburt. Die italienische Rechtsanwaltsordnung<br />

beruhte ja immer noch im Wesentlichen<br />

auf dem aus der Faschistenzeit stammenden Kgl.<br />

Dekret Nr 1578 von 1933, das zwar nach dem Ende<br />

des Faschismus und dem Inkrafttreten der republikanischen<br />

Verfassung (1. 1. 1948) der neuen Situation angepasst<br />

worden war, aber leider immer noch den einen<br />

oder anderen politischen Geburtsmakel beibehalten<br />

hatte. Zudem wurden die Anpassungen nicht einheitlich,<br />

sondern durch eine ganze Reihe von separaten Gesetzen<br />

und Gesetzchen vorgenommen, was der Überblickbarkeit<br />

alles eher als nützlich war.<br />

So tauchten schon bald immer neue Vorschläge einer<br />

grundlegenden Reform auf, bis 2007 nicht weniger als<br />

deren 59. Die Reformbestrebungen waren aber bis jetzt<br />

nie zum Ziel gelangt, weil einerseits die Regierungen in<br />

Italien zu kurzlebig waren, 2) andererseits die Rechtsanwälte<br />

selbst sich trotz endloser Diskussionen nicht auf<br />

einen einheitlichen Text einigen konnten.<br />

In den letzten Jahren ging man die Sache nun mit<br />

größerem Ernst an, auch weil eine grundlegende Anpassung<br />

an die heutigen Verhältnisse dringend nötig<br />

war, und nun liegt endlich das Ergebnis vor. Umso größer<br />

ist natürlich das Interesse, das der neuen Rechtsanwaltsordnung<br />

entgegengebracht wird.<br />

II. Das Gesetz Nr 247 vom 31. 12. 2012<br />

Rein formal ist das Gesetz in sechs Abschnitte (titoli)<br />

unterteilt. Der erste Abschnitt enthält allgemeine<br />

Grundsätze, der zweite Bestimmungen über Anwaltslisten<br />

und andere Register, der dritte bezieht sich auf den<br />

Anwaltsstand und die Kammern, der vierte ordnet den<br />

Zugang zum Anwaltsberuf, der fünfte das Disziplinarverfahren<br />

und der sechste enthält die Schluss- und<br />

Übergangsbestimmungen.<br />

Rein gesetzestechnisch hat man eine eher aufwendige<br />

Lösung gewählt. Das Gesetz enthält einige Bestimmungen,<br />

die sofort schon in Kraft getreten sind<br />

(das Gesetz wurde am 18. 1. <strong>2013</strong> im Amtsblatt der Republik<br />

veröffentlicht und ist daher am 2. 2. <strong>2013</strong> in<br />

Kraft getreten), andere enthalten Delegierungen an<br />

die Regierung, den Justizminister oder auch an andere<br />

Behörden, innerhalb von zwei Jahren ab Inkrafttreten<br />

des Gesetzes nach Anhörung des Consiglio Nazionale<br />

Forense, 3) der örtlichen Kammern oder auch anderer<br />

Stellen nähere Durchführungsbestimmungen zu erlassen,<br />

für welche im Gesetz die Grundlinien festgelegt<br />

werden. Diese Normen treten somit erst nach Erlassung<br />

dieser Durchführungsbestimmungen in Kraft.<br />

III. Allgemeine Bestimmungen (1. Titel)<br />

Grundlinien<br />

Es zeigt sich schon bei der ersten flüchtigen Begegnung<br />

mit dem Gesetz, dass man im Wesentlichen das<br />

bisherige Kammersystem beibehalten und durch eine<br />

Reihe von systematischen Normen noch ausgebaut<br />

und näher geklärt hat. Die Unabhängigkeit und Autonomie<br />

des Rechtsanwaltes wird beibehalten und gestärkt,<br />

der Zugang zum Anwaltsberuf ist wie bisher<br />

über ein Praktikum und eine Staatsprüfung geregelt,<br />

die Vertretung, Verwaltung und Überwachung der<br />

Rechtsanwälte liegt nach wie vor bei den lokalen Kammern<br />

sowie auf gesamtstaatlicher Ebene beim Consiglio<br />

Nazionale Forense. Diese grundsätzliche Beibehaltung<br />

des bisherigen Kammersystems entbehrt nicht einer<br />

gewissen Ironie: das Gesetz ist ausgerechnet unter<br />

der Regierung desselben Monti erlassen worden, der<br />

sich ja schon während seiner Amtszeit als europäischer<br />

Kommissar ausgesprochen anwalts- und kammerfeindlich<br />

gezeigt hatte, da dieses System seiner Meinung<br />

nach den freien Wettbewerb behindere.<br />

Die Grundlinien der gesamten Anwaltsordnung werden<br />

schon im Art 1 dargelegt: Sie setzt sich „angesichts<br />

der spezifischen Funktion der Verteidigung und der<br />

grundlegenden rechtlichen und sozialen Bedeutung<br />

der zu schützenden Rechte“ das Ziel,<br />

" die Organisation und die Ausübung des Anwaltsberufes<br />

zu regeln und im öffentlichen Interesse die berufliche<br />

Eignung der Mitglieder sicherzustellen, um<br />

den Schutz der individuellen und kollektiven Interessen<br />

zu garantieren;<br />

" die Unabhängigkeit und Autonomie der Anwälte zu<br />

garantieren, die als unabdingbare Voraussetzungen<br />

einer wirksamen Verteidigung und des Rechtsschutzes<br />

verstanden werden;<br />

" das Vertrauen der Kollektivität und der Klienten zu<br />

schützen und zu diesem Zweck die Verpflichtung<br />

zu einer korrekten Verhaltensweise und die Sorge<br />

für die Qualität und Effektivität der beruflichen Leistung<br />

festzuschreiben;<br />

1) Auszugsweise Wiedergabe.<br />

2) Sie dauerten durchschnittlich kaum länger als ein Jahr!<br />

3) Am besten zu übersetzen als „Nationaler Anwaltsrat“.<br />

Österreichisches Anwaltsblatt <strong>2013</strong>/<strong>06</strong><br />

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