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12 professorengespräch regjo südniedersachsen<br />

regjo südniedersachsen Professorengespräch 13<br />

„Das Sandwich gibt es nicht“<br />

Die Professoren Jürgen Dix und Florentin Wörgötter im 15. Professorengespräch über die Entwicklung Künstlicher<br />

Intelligenz, den nur schleppenden Fortschritt und den langen Weg zum belegten Brot à la Robot.<br />

Gesprächsleitung: Sven Grünewald Fotografie: Ronald Schmidt<br />

Welches Bild von Künstlicher Intelligenz wird uns gemeinhin<br />

vermittelt?<br />

Wörgötter: Dieses Medienbild wird durch Roboter geprägt, durch<br />

Maschinen, die die Weltherrschaft an sich reißen. Das prägt teilweise<br />

selbst die seriöse Berichterstattung. Die Maschinen werden<br />

menschenähnlich dargestellt – als ob sie mehr könnten als in Wirklichkeit<br />

der Fall ist. Das hat 1968 angefangen mit dem Film „2001:<br />

Odyssee im Weltraum“ von Stanley Kubrick mit dem berühmtem<br />

Computer HAL, der alles weiß und auf alles antworten kann. Heute,<br />

50 Jahre später, ist es immer noch extrem schwierig, natürliche<br />

Sprache maschinell zu verstehen.<br />

Dix: Ich könnte das Web zum Beispiel nicht fragen: Wie heißt dieses<br />

große Gebäude aus Eisen aus dem 19. Jahrhundert, das in Frankreich<br />

errichtet wurde? Wer darüber nachdenkt, würde sofort auf<br />

den Eiffelturm kommen. Das Web kann das nicht, weil dort nur<br />

ganz normale Zeichenreihen ohne Bedeutung stehen. Aber das<br />

semantische Web, das alles verknüpft und die Semantik hinter den<br />

Zeichen versteht, das wäre die Vision. Allerdings sind wir noch sehr<br />

weit davon entfernt.<br />

Wörgötter: Es ist inzwischen ein Problem, dass die Forschung so<br />

ausdifferenziert ist, dass jeder Teilbereich nur noch seine eigenen<br />

Konferenzen hat. Dabei gibt es natürlich viele interessante Ansätze,<br />

die sich über Kreuz befruchten könnten. Aber die Leute wissen<br />

nichts voneinander mit dem Ergebnis, dass eine Weiterentwicklung<br />

auch an fehlendem interdisziplinärem Austausch krankt.<br />

Dix: Man hat versucht, diese ganz unterschiedlichen Disziplinen<br />

vor ein paar Jahren bei der Grand Challenge zusammenzubringen.<br />

Dabei sollten autonome Fahrzeuge die Wüste durchqueren. Dafür<br />

braucht man alles: Mechanik; das Auto muss autonom fahren; Sie<br />

müssen die Gegend erkunden; Sie müssen Entscheidungen treffen;<br />

Sie müssen Bilder verstehen. Das sind Millionenprojekte – hinter<br />

jedem Fahrzeug stehen zweistellige Millionenbeträge, Arbeitsgruppen<br />

von 40 Leuten.<br />

Wörgötter: Der Eindruck von „Intelligenz“ ist heute bereits da.<br />

Wenn ich in Google einen Suchbegriff eingebe, dann wird der<br />

bereits nach den ersten zwei Worten ziemlich genau eingegrenzt.<br />

Das wirkt beeindruckend, hat aber mit menschenähnlichem Denken<br />

nichts zu tun. Große Konsortien, etwa Google, kommen<br />

allein durch den massiven Einsatz von Datensuch- und Datenbehandlungsalgorithmen<br />

so weit. Viele klassische KI-Probleme, das<br />

Schachspiel etwa, sind einfach durch wahnsinnig viel Rechenpower<br />

erschlagen worden.<br />

Dix: Ja, leider weniger durch Anwendung der KI. Das System<br />

erscheint nur intelligent. Beim Brettspiel Go ist man heute noch<br />

so weit entfernt wie vor 50 Jahren. Da ist die Komplexität viel zu<br />

groß, wohingegen heute schon normale Schachprogramme viele<br />

Großmeister schlagen können.<br />

Wie kommt man dann weiter in Richtung „echter“ KI?<br />

Wörgötter: Der notwendige interdisziplinäre Ansatz geschieht häufig<br />

leider nur auf Ebene einzelner Arbeitsgruppen. Nehmen wir<br />

die Robotik als Beispiel, die wirkt durchaus integrativ. Um einen<br />

humanoiden Roboter immer besser funktionieren zu lassen, ist man<br />

gezwungen, die verschiedenen Teilfelder tatsächlich zu nutzen und<br />

weiter voranzutreiben. Angefangen von der Mechanik über Kontrollalgorithmen,<br />

die Steuerung der Mechanik bis zur Sensorik mit<br />

Bilderkennung und haptischer Erkennung. Aber auch das klassische<br />

symbolische Verständnis von Objekten in der Welt ist wichtig,<br />

damit man dem Roboter Handlungsabläufe beibringen kann beziehungsweise<br />

die Maschine darüber nachdenkt und diese dann auch<br />

selbst durchführen kann. Bloß der Fluch bleibt, dass wir nicht oft<br />

genug mit Kollegen aus ganz anderen Fächern reden.<br />

Dix: Wer stand hinter der Grand Challenge? Die Darpa (Behörde<br />

zur Forschungsfinanzierung des amerikanischen Verteidigungsministeriums,<br />

Red.)! Und warum? Weil das Militär keinen Trend verpassen<br />

will. Für solche Entwicklungen braucht man Geld und zwar ziemlich<br />

viel. Autonomie hat große Vorteile. Stellen Sie sich ein eingestürztes<br />

Gebäude vor, Menschen müssen gerettet werden. Klassisch<br />

fahren Sie mit einer ferngesteuerten Maschine dort rein. Aber<br />

wir möchten natürlich Maschinen, die eigenständig handeln, die<br />

erkennen: Da liegt einer, bewegt sich aber nicht mehr. Ein anderer<br />

schreit noch, also wird zunächst der Bewusstlose untersucht. Dort<br />

kommen wir langsam auch tatsächlich hin.<br />

Wörgötter: Ein Beispiel ist der Marsrover – bei mindestens drei<br />

Minuten Laufzeit eines Signals vom Mars hin und zurück ist da<br />

nichts mit Fernsteuerung. So etwas wie Hindernisvermeidung können<br />

diese Maschinen heutzutage. Intelligenz im Sinne von Entscheidungsfähigkeit<br />

fehlt ihnen jedoch. Die Gefahr der Autonomie<br />

ist dabei, dass sie aus dem Ruder läuft. Wenn die Maschine nicht

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