22,2 MB - RegJo
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VIII<br />
interview bildung spezial regjo südniedersachsen<br />
Regjo Südniedersachsen bildung spezial<br />
interview IX<br />
Frauke Heiligenstadt wurde 1966 in Northeim<br />
geboren. Nach der Ausbildung zur<br />
Diplom-Verwaltungswirtin bei der Stadt Northeim<br />
und an der Fachhochschule für Verwaltung<br />
und Rechtspflege in Hannover arbeitete<br />
sie als Leiterin des Amtes für Wirtschaftsförderung<br />
bei der Stadt Northeim. Von 1999 bis<br />
2006 war sie Ortsbürgermeisterin in ihrem<br />
Heimatort Gillersheim. Seit Februar 2013 ist<br />
die langjährige bildungspolitische Sprecherin<br />
der SPD-Fraktion im Niedersächsischen<br />
Landtag Kultusministerin im Kabinett Weil.<br />
„Das Kind im Blick haben“<br />
Frauke Heiligenstadt, die neue niedersächsische Kultusministerin, über die weitere Entwicklung der Schulstruktur, die<br />
Vernetzung aller bildungspolitischen Akteure und 20 Jahre Stillstand bei den Kindertagesstätten.<br />
Interview: Laura Vele Fotografie: Marco Bühl<br />
Sie sind mit der neuen Landesregierung jetzt gut 100 Tage im Amt.<br />
Was waren für Sie die bisher wichtigsten Vorhaben und auf wie viel<br />
„Widerstand“ sind Sie dabei gestoßen?<br />
Wir haben fünf wichtige Themenfelder zu bearbeiten. Das ist die<br />
frühkindliche Bildung mit der Sicherstellung des Rechtsanspruches<br />
auf einen Krippenplatz und der Verbesserung der Qualität in diesem<br />
Bereich, zweitens das Thema Gleichbehandlung der Schulformen,<br />
drittens das Thema Ganztagsschule, viertens Inklusion und<br />
fünftens die berufliche Bildung mit der Ausbildungsplatzgarantie.<br />
Die erste wichtige Maßnahme, die am 18. Juni im Plenum beschlossen<br />
wurde, ist die Möglichkeit, kleinere Gesamtschulen einzurichten<br />
und an den Gesamtschulen das Abitur nach neun Jahren wieder<br />
zu ermöglichen. Der Widerstand der Opposition ist natürlich<br />
erwartbar gewesen, aber er ist nicht so groß wie die Zustimmung,<br />
die ich erfahren habe. Wir vollziehen das, was wir vor der Wahl<br />
versprochen haben und dafür werden wir eigentlich eher gelobt<br />
und weniger kritisiert.<br />
Die Schülerzahlen gehen auf lange Sicht weiter zurück. Halten Sie<br />
an der gegenwärtigen Zahl der Lehrer fest oder fordert der Finanzminister<br />
Einsparungen im Bildungsbereich?<br />
Wir müssen die aufgrund zurückgehender Schülerzahlen frei werdenden<br />
Mittel nutzen, um qualitative Verbesserungen herbeizuführen<br />
und zusätzliche Bedarfe decken zu können, die durch eine<br />
stärkere individuelle Förderung an Ganztagsschulen oder durch die<br />
Inklusion entstehen – wir werden in den nächsten Jahren an der<br />
inklusiven Schule ganz viele Förderpädagogen brauchen. Deswegen<br />
kann ich nur alle jungen Menschen mit Interesse am Lehrerberuf<br />
aufrufen, sich für diesen besonderen Ausbildungsweg zu entscheiden.<br />
Aber es wurde zehn Jahre lang in diesem Bereich nicht ausreichend<br />
ausgebildet, das kann ich nicht innerhalb von 100 Tagen verändern.<br />
Auch deswegen ist klar: Wir werden die zurückgehenden<br />
Schülerzahlen nicht für Sparmaßnahmen nutzen. Die sogenannte<br />
Demografierendite bleibt auch im Bildungssystem.<br />
Wie wird die Schulstruktur in Niedersachsen in fünf Jahren aussehen<br />
– gibt es dann im Sekundarbereich nur noch Gymnasien und<br />
Gesamtschulen?<br />
Die Schulstruktur wird so aussehen, wie Eltern und Schulträger sie<br />
sich vor Ort wünschen. Das wird in den unterschiedlichen Regionen<br />
auch sehr verschieden sein. In Göttingen, wo es sehr viele gute<br />
Gymnasien und Gesamtschulen gibt, diskutieren viele Kommunalpolitiker<br />
den Weg, die Schullandschaft nur noch auf diese beiden<br />
Formen zu konzentrieren. Es gibt aber auch Bereiche, in denen<br />
die kommunalen Schulträger sagen, dass sie ihre Oberschule oder<br />
Realschule gerne erhalten möchten, da ausreichende Schülerzahlen<br />
vorhanden sind. Auch diese Möglichkeit wird es weiterhin geben.<br />
Wir geben nichts von oben vor, sondern lassen die Schullandschaft<br />
sich so entwickeln, wie das vor Ort gemeinsam beschlossen wird.<br />
In Gesamtschulen sind sozial- und leistungsheterogene Klassengemeinschaften<br />
die Regel und damit sehr erfolgreich. Trotzdem möchten<br />
gerade Eltern mit akademischem Hintergrund die Gymnasien<br />
behalten. Wie sieht für Sie ein sozial gerechteres Bildungswesen aus?<br />
Ein sozial gerechtes Bildungswesen muss das Kind im Blick haben<br />
und jedem einzelnen Kind die notwendige individuelle Förderung