DIPLOMARBEIT
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Aus pädagogischer Sicht scheinen bilinguale Schulmodelle daher nur als zweite Wahl in<br />
Betracht zu kommen, wenn „die Möglichkeiten Hören zu lernen und Lautsprache zu<br />
erwerben trotz neuer technischer Möglichkeiten nicht gegeben sind“ (Horsch 2003, 343f.).<br />
Des Weiteren wird es den Eltern überlassen das „alternative Erziehungskonzept“ zu suchen<br />
wenn sie mit ihrem Kind „einen bilingualen Weg“ gehen möchten (vgl. ebd., 344).<br />
Eine abgewogene und überlegte Entscheidung zwischen den einzelnen Konzepten treffen<br />
zu können setzt voraus, dass Eltern über die Gesamtheit aller existierenden<br />
Fördermöglichkeiten und deren Vor- und Nachteile ausgewogen informiert werden und<br />
auch die institutionellen Bedingungen vorfinden, um entsprechende Angebote für ihre<br />
Kinder tatsächlich in Anspruch nehmen zu können. Da beides derzeit offenbar nicht<br />
gegeben ist, handelt es sich in meinen Augen nur oberflächlich betrachtet um eine<br />
tatsächliche Wahlfreiheit der Eltern.<br />
Mehr noch muss die vermeintlich „individuelle Entscheidung“ der Betroffenen für oder<br />
gegen die Verwendung der Gebärdensprache kritisch betrachtet werden: einerseits finden<br />
sich in mehreren Diskursfragmenten Hinweise auf die vermehrte Anerkennung der<br />
positiven Auswirkungen gebärdensprachlicher Kommunikation auf die<br />
Identitätsentwicklung Gehörloser, wodurch auch die Bedeutung der Gebärdensprachen in<br />
der Frühförderung zuzunehmen scheint:<br />
„Die Gebärdensprache bietet den Vorzug, dass sich mit ihr unter Gehörlosen<br />
ungehindert und entspannt kommunizieren lässt. Sie gehört damit zum notwendigen<br />
Verständigungsmedium der Bezugsgruppe und stellt eine eigenständige, vollwertige<br />
Sprache dar. Über die Gebärdensprache fühlen gehörlose Personen sich ihrer gehörlosen<br />
Kultur zugehörig, sie definieren sich als Person innerhalb dieser Kultur. Demnach ist es<br />
unumgänglich, im Rahmen des Erstspracherwerbs auch die Gebärdensprache zu<br />
erlernen“ (Biermann/Goetze 2005, 35).<br />
Andererseits sind in den folgenden Ausführungen keinerlei Empfehlungen zu finden, wie<br />
gehörlosen Kindern die Gebärdensprache „im Rahmen des Erstspracherwerbs“<br />
nähergebracht werden könnte. Obwohl das Erlernen der Gebärdensprache als<br />
„unumgänglich“ beschrieben wird, wird die Entscheidung „ob primär die Gebärdensprache<br />
oder die Lautsprache vermittelt werden soll“ (ebd.) ausschließlich den Eltern überlassen.<br />
Das Thema abschließend wird betont, dass<br />
„der fachliche Stand heute so eingeschätzt [wird], dass eine auditiv-verbale<br />
Frühförderung keinesfalls unterbleiben darf, sie wird auch optimalerweise auf<br />
vorhandenen Hörresten aufbauen, mit deren Hilfe die Lautsprache auf der Grundlage<br />
des Hörens erworben werden kann. Ob sich eine gehörlose Person später ausschließlich<br />
der Gebärdensprache bedient oder ob sie für den Kontakt mit der hörenden Umwelt<br />
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