Wirtschaftswoche Ausgabe vom 28.07.2014 (Vorschau)
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Politik&Weltwirtschaft<br />
»<br />
Physische Reserve außerhalb des Finanzsystems?<br />
Goldkeller der Deutschen Börse<br />
Russland gehöre bei diesen Rohstoffen<br />
zu den weltgrößten Produzenten. Steigende<br />
Rohstoffpreise aber, vor allem steigende<br />
Energiepreise, erzeugen Inflationsdruck.<br />
Die Eskalation im Konflikt zwischen Israel<br />
und der Hamas und die Lage im Norden<br />
Iraks und in Libyen treiben den Ölpreis.<br />
Gold gilt als Krisenprofiteur, und es bietet<br />
Anlegern bei Inflation Schutz vor Kaufkraftverlusten<br />
ihrer Heimatwährung. So<br />
folgten auf die beiden Ölkrisen in den Siebzigerjahren<br />
jeweils starke Preisschübe<br />
beim Gold. Überschießt der Ölpreis aber<br />
nach oben, brechen Konjunktur und Investitionen<br />
ein. Nachdem der Ölpreis zum<br />
Beispiel 2008 auf 150 Dollar pro Barrel<br />
schoss, kollabierte die Weltwirtschaft.<br />
Die Folgen: schwächere Unternehmensgewinne,<br />
höhere Arbeitslosigkeit und<br />
schrumpfende Steuereinnahmen. Die Vermögenspreise<br />
gerieten unter Druck,<br />
Zwangsverkäufe klammer Investoren erhöhten<br />
diesen. Das könnte vorübergehend<br />
auch wieder beim Goldpreis passieren,<br />
wenn etwa an den virtuellen Goldmärkten,<br />
an denen Gold in Form von Derivaten und<br />
börsennotierten Fonds (ETF) gehandelt<br />
wird, Investoren Geld brauchen, um an anderer<br />
Stelle Verluste zu decken.<br />
Dass die physische Nachfrage nach Gold<br />
weltweit einbricht, ist gerade wegen der<br />
dann zunehmenden Verunsicherung der<br />
Anleger unwahrscheinlich. Zumal auch die<br />
Solvenz von Banken wieder hinterfragt<br />
würde. Denn im Abschwung drohen bei ihnen<br />
noch mehr Kredite faul zu werden.<br />
Eine zunehmende Konfrontation des<br />
Westens mit Russland könnte das Systemrisiko<br />
an die Finanzmärkte auch direkt zurückbringen.<br />
Um die Märkte in Unruhe zu<br />
versetzen, reichte vermutlich schon ein<br />
<strong>vom</strong> Kreml administrierter Zahlungsausfall<br />
eines russischen Unternehmens. Europas<br />
Banken hängen mit am Fliegenfänger.<br />
Laut einer am Mittwoch veröffentlichten<br />
Statistik der Bank für internationalen Zahlungsausgleich<br />
hatten europäische Banken<br />
per Ende April 177 Milliarden Dollar nach<br />
Russland vergeben. Französische Banken<br />
hatten Forderungen über 50,3 Milliarden,<br />
177Milliarden<br />
Dollar haben Europas<br />
Banken nach Russland<br />
vergeben<br />
italienische über 27 Milliarden und deutsche<br />
über 23 Milliarden Dollar.<br />
Ein Totalausfall ist unwahrscheinlich.<br />
Goldanleger aber werden nicht müde zu<br />
betonen, dass immer nur ein Bruchteil der<br />
sofort abrufbaren Kundeneinlagen bei<br />
Banken durch Bargeld und Reserven bei<br />
der EZB gedeckt ist. Das System funktioniert<br />
nur, solange Kunden ihr Geld auf dem<br />
Konto lassen. Der Run auf die bulgarischen<br />
Banken im Juni, der nur durch eine EU-Hilfe<br />
über 1,7 Milliarden Euro gestoppt werden<br />
konnte, erinnert an den flüchtigen<br />
Charakter des Bankensystems. Jürgen<br />
Stark, Ex-Vizepräsident der Bundesbank,<br />
bezeichnete unser Geldsystem unlängst als<br />
„pure Fiktion“. Er empfiehlt Anlegern, einen<br />
Teil ihrer „fiktionalen Ersparnisse“ gegen<br />
einen Zusammenbruch des Systems<br />
zu schützen und auch in Gold anzulegen.<br />
GOLD ALS NOTFALLRESERVE<br />
Tatsächlich bietet physisches Gold eine Reserve<br />
außerhalb des Finanzsystems. „Physisch<br />
bedeutet, dass ich immer zu meinem<br />
Safe gehen, meine Barren und Münzen<br />
rausnehmen und am Markt verkaufen<br />
kann, wenn ich das muss“, sagt der Schweizer<br />
Vermögensverwalter Felix Zulauf.<br />
Sollte die Wirtschaft der geopolitischen<br />
Krisen wegen einbrechen, dürften die Zentralbanken<br />
die Dosis der Geldschöpfung<br />
wieder stark erhöhen. Gold aber ist, anders<br />
als Dollar oder Euro, nicht beliebig vermehrbar.<br />
„Mich interessiert nicht, wohin<br />
der Goldpreis geht. Im Vergleich zu dem<br />
Wert, den es besitzt, wenn ich die Versicherung<br />
tatsächlich brauchen sollte, ist Gold<br />
billig“, bringt es ein Hamburger Kaufmann<br />
auf den Punkt. Diese Absicherung kann<br />
über Jahre aber auch nur Geld kosten, wie<br />
eine Versicherungspolice.<br />
Das gleiche Prinzip hilft bei Aktien. Auf<br />
lange Sicht brauchen Anleger diese, weil sichere<br />
Zinspapiere nicht mal die Inflation<br />
ausgleichen. Verluste im Depot lassen sich<br />
über Zertifikate (siehe Tabelle) abfedern,<br />
die bei fallenden Börsen profitieren.<br />
Im James-Dean-Film übrigens kommt<br />
einer der beiden Helden nicht mehr aus<br />
dem Auto raus, er rast über die Klippe. Ein<br />
Hasenfuß zu sein kann sich auszahlen. n<br />
frank.doll@wiwo.de, hauke reimer | Frankfurt, anton riedl<br />
Vier gegen die Krise<br />
Zertifikate und Verkaufsoptionsscheine für eine Absicherung gegen Kursrückschläge<br />
Derivat (Emittentin)<br />
Faktor-Shortzertifikat auf<br />
Dax (Deutsche Bank)<br />
Faktor-Shortzertifikat auf<br />
MDax (Commerzbank)<br />
Put-Optionsschein auf<br />
Dax (HSBC Trinkaus)<br />
Put-Optionsschein auf<br />
MDax (Deutsche Bank)<br />
Funktion<br />
* in Euro; Quelle: Banken, Thomson Reuters<br />
Wandelt tägliche Verluste im Index mit vierfachem<br />
Hebel in Kursgewinne um; kein Knockout,<br />
keine Laufzeitgrenze; für kurz- bis mittelfristige<br />
Absicherung geeignet<br />
Wandelt Indexverluste derzeit mit siebenfachem<br />
Hebel in Kursgewinne um; Laufzeit bis 17. Juni<br />
2015; für kurzfristige Absicherung und vor allem<br />
gegen scharfe Indexrückschläge geeignet<br />
ISIN<br />
DE000DE9SRT7<br />
DE000CZ34NN3<br />
DE000TD0H4P1<br />
DE000DX75V78<br />
Kurs/<br />
Stoppkurs*<br />
2,45/1,72<br />
2,70/1,89<br />
4,65/2,33<br />
0,92/0,46<br />
Trend angeknackst<br />
Wertentwicklung deutscher Aktien (Dax, in<br />
Punkten) seit Mitte 2013<br />
10 500<br />
10 000<br />
9500<br />
9000<br />
8500<br />
8000<br />
7500<br />
2013<br />
Quelle: Thomson Reuters<br />
2014<br />
FOTO: BERT BOSTELMANN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />
32 Nr. 31 28.7.2014 WirtschaftsWoche<br />
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