28.07.2014 Aufrufe

Wirtschaftswoche Ausgabe vom 28.07.2014 (Vorschau)

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Geld&Börse<br />

Fit für den globalen<br />

Wettbewerb Kids-Camp-<br />

Gründerin Dorner<br />

Die Edel-Kita versorgt den Nachwuchs<br />

elf Stunden auf Englisch und Deutsch<br />

»<br />

Bücher vorbei, viele sind es nicht mehr.<br />

2017 ist im Stadtteil Bockenheim Schluss,<br />

die Hochschule zieht um, und wenn sie weg<br />

ist, rollt auf die meisten Gebäude aus den<br />

Sechzigerjahren trotz Denkmalschutz der<br />

Abrissbagger zu. Wo jetzt noch Fahrräder<br />

stehen, wird es nach dem aktuellen Plan eine<br />

Straße geben, gesäumt von Neubauten,<br />

die Mönich „total leblos, total steril“ findet.<br />

Sie will es anders, lebendig, interessant,<br />

will bezahlbare Wohnungen und Kultur für<br />

möglichst viele. All das sieht sie bedroht.<br />

Mönich führt einmal quer durch den<br />

Stadtteil, in dem sie seit 32 Jahren zu Hause<br />

ist, vorbei an Spuren des Wandels, an<br />

neuen Eigentumswohnungen, das frühere<br />

Verwaltungsgericht nennt sich jetzt Headquarter,<br />

aus den Amtsstuben sind kleine<br />

Apartments geworden, vermietet vor allem<br />

an Studenten und „sehr teuer“, wie<br />

Mönich sagt.<br />

Sie beklagt sich nicht aus Passion, ihre<br />

Sorgen teilen viele in Bockenheim. Das<br />

Viertel war sozial immer munter gemischt,<br />

nun droht eine Monokultur der Gutverdiener.<br />

Um die zu verhindern, hat die Initiative<br />

ein Büro gemietet, an den Wänden hängen<br />

Baupläne, Broschüren verkünden „Wir<br />

bleiben hier“. Mittwochs trifft sich die Mie-<br />

* Name von der Redaktion geändert<br />

terinitiative, es gibt Deutschkurse für Migranten,<br />

Beratung, Diskussionen. Als die<br />

städtischen Wohnungsgesellschaften die<br />

Mieten um 1,30 Euro je Quadratmeter erhöhten,<br />

machten die Berater Überstunden.<br />

„Das war richtig krass, da kamen Dutzende“,<br />

sagt Mönich. „Die Menschen haben<br />

Angst, dass sie sich ihr Leben bald nicht<br />

mehr leisten können.“ Es sind Menschen<br />

wie Veronika Walter*.<br />

AN DEN RAND GEDRÜCKT<br />

1975 ist sie in ihre Bockenheimer Altbauwohnung<br />

eingezogen, hat dort vier Kinder<br />

bekommen und großgezogen, das Wohnen<br />

war immer günstig, weil sich der alte<br />

Vermieter nur wenig um sein Haus kümmerte.<br />

Das änderte sich, als er das Haus<br />

2011 verkaufte. Der neue Eigentümer erhöhte<br />

die Miete sofort um 20 Prozent, ein<br />

älteres Ehepaar konnte sich das nicht leisten<br />

und musste sofort ausziehen. Inzwischen<br />

ist von den ursprünglichen Bewohnern<br />

nur noch Walter da. Mansarden und<br />

Dachboden hat der Investor zu einer Maisonette-Wohnung<br />

mit großer Dachterrasse<br />

umgebaut. Hier wohnt keine Familie, sondern<br />

eine Business-WG – Gutverdiener, die<br />

keinen Anhang haben oder am Wochenende<br />

nach Hause pendeln. Anfang des Jahres<br />

ist Walters Miete noch mal um 20 Prozent<br />

gestiegen. Die Rentnerin hat ihr Auto abgeschafft,<br />

seit vier Jahren ist sie nicht mehr in<br />

den Urlaub gefahren, sie spart, wo sie<br />

kann, aber es reicht nicht. Jetzt will sie sich<br />

eine neue Bleibe suchen, in eine Wohngemeinschaft<br />

mit anderen Älteren ziehen –<br />

eine Zwei-Zimmer-Wohnung kann sie sich<br />

von ihrer Rente nicht mehr leisten.<br />

Das ist die Schattenseite des Booms. Die<br />

sonnige zeigt sich direkt vor der Tür des Bockenheimer<br />

Stadtteilbüros. Wo bis vor Kurzem<br />

noch Ein-Euro-Resterampen, Internet-Cafés<br />

und Spielhallen dominierten,<br />

gibt es heute internationale Käsespezialitäten,<br />

gehobene Kochausrüstung und Tapas-<br />

Bars. In efeuberankten Höfen sitzen Lattemacchiato-Trinker<br />

vor Kunstgalerien.<br />

Selbst die über Jahre verlassene Kaufhof-<br />

Filiale ist wieder vermietet, hier ist gerade<br />

eines der ersten Outlet-Stores des Internet-<br />

Händlers Zalando eingezogen.<br />

Solche Einsprengsel verwandeln Frankfurt<br />

selbst da, wo es immer am finstersten<br />

war. Die Straßen um den Hauptbahnhof<br />

haben das negative Bild der Stadt geprägt,<br />

mit Drogen, Nutten und ab und an Schießereien.<br />

All das gibt es noch, aber heute ist<br />

das Bahnhofsviertel auch das angesagteste<br />

Ausgehquartier, an warmen Abenden stehen<br />

Hunderte auf den Straßen.<br />

ABGEFUCKT BIS ALTERNATIV<br />

Maxie Eisen, Bar Plank und Walon & Rosetti<br />

sind keine Kneipen, sondern Locations,<br />

sie geben sich abgefuckt bis alternativ<br />

– globale Konfektionsware für vollbärtige<br />

Hornbrillenwerber, die Mojitos trinken<br />

und sich nach Berlin träumen. Sechs<br />

S-Bahn-Stationen weiter aber ist nicht Mitte,<br />

sondern Offenbach.<br />

Banker tauchen im Bahnhofsviertel seltener<br />

auf, sie bewegen sich lieber rund um<br />

den Opernplatz. Ihr Spesenspielraum ist<br />

durch diverse Sparrunden nach der Krise<br />

zwar geschrumpft, die Boni fallen etwas<br />

dürftiger aus, mit der Dresdner Bank ist eine<br />

große Adresse verschwunden. Verglichen<br />

mit London und New York, ist Frankfurt<br />

aber glimpflich davon gekommen. „Es<br />

hat keine ganz großen Entlassungswellen<br />

gegeben“, sagt Jörg Janke, Partner bei der<br />

Personalberatung Egon Zehnder. „Frankfurt<br />

hat Stabilität bewiesen und ist nach der<br />

Krise attraktiver als vorher.“ Es sei eine<br />

Stadt kurzer Wege, Banker mit Familie<br />

schätzten das, zumal ihre Arbeitgeber<br />

kaum noch nach Standorten differenzierten:<br />

Angestellte desselben Hauses verdienen<br />

oft überall gleich. Wer Londoner Preise<br />

gewohnt ist, findet Frankfurt günstig.<br />

FOTOS: ANGELIKA ZINZOW FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, INTERFOTO/IMAGEBROKER/ROBBIN, REINHARD EISELE/EISELE-PHOTOS<br />

78 Nr. 31 28.7.2014 WirtschaftsWoche<br />

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