Wirtschaftswoche Ausgabe vom 28.07.2014 (Vorschau)
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Unternehmen&Märkte<br />
»<br />
Die Wasser- und Stromversorgung gehört<br />
zu den Infrastrukturbereichen, die mit<br />
besonders hohen Sicherheitsanforderungen<br />
vor dem Totalausfall geschützt werden.<br />
Für Berlin wäre es der GAU, wenn Hacker<br />
oder ausländische Cyberkrieger in die<br />
Steuerungscomputer eindringen und das<br />
System lahmlegen. Eine winzige Manipulation<br />
der Software reicht aus, um die Wasserversorgung<br />
zum Stillstand zu bringen –<br />
und damit das gesamte Gesellschafts- und<br />
Wirtschaftsleben. Eine penible Überwachung<br />
des gesamten Datenverkehrs ist<br />
deshalb eine der Aufgaben des neuen Kontrollzentrums.<br />
„Im Notfall müssen wir sehr<br />
schnell handeln“, sagt Böttcher. Der Bereitschaftsdienst,<br />
der rund um die Uhr im Einsatz<br />
ist, muss deshalb im Notfall auch von<br />
zu Hause aus sofort eingreifen und Korrekturen<br />
vornehmen können.<br />
Angst vor Smartphones<br />
Welche Trends die Bedrohungslage durch<br />
Cyberangriffe verschärfen (in Prozent)<br />
Mobile Geräte<br />
Cloud Computing<br />
Soziale Netzwerke<br />
Vernetzte Maschinen<br />
Quelle: PAC<br />
E-Commerce<br />
Big Data<br />
Sehr stark<br />
6 %<br />
3 %<br />
2 %<br />
7 %<br />
Stark<br />
24 %<br />
26 %<br />
20 %<br />
19 %<br />
26 %<br />
35 %<br />
39 %<br />
49 %<br />
Andererseits gelten gerade solche Fernzugänge<br />
als Achillesferse aller Steuerungscomputer:<br />
Die Zugangsdaten lassen sich<br />
vergleichsweise leicht ausspionieren, ein<br />
Mitarbeiter braucht sie nur weiterzureichen.<br />
Sich einem externen Dienstleister als<br />
Betreiber der Leitstelle „bedingungslos anzuvertrauen“<br />
kam für die Wasserbetriebe<br />
aber nicht infrage. Als erster kommunaler<br />
Versorger haben die Berliner deshalb ein<br />
hochgradig verschlüsseltes System implementiert,<br />
das der Essener IT-Sicherheitsspezialist<br />
Secunet in abgewandelter Form<br />
auch im Regierungsnetz einsetzt, dem Informationsverbund<br />
Berlin-Bonn (IVBB).<br />
Der IVBB gilt als Messlatte in der Cyberabwehr.<br />
Unter strengsten Vorgaben des<br />
Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik<br />
(BSI) für den elektronischen<br />
Versand geheimer Verschlusssachen<br />
haben Unternehmen wie Secunet und die<br />
in Kirchheim bei München ansässige Genua<br />
dieses hochsichere Regierungsnetz<br />
mit ganz wenigen, besonders geschützten<br />
und kontrollierten Übergängen ins öffentliche<br />
Internet konstruiert.<br />
2000 bis 3000 Mal pro Tag, also etwa zwei<br />
Mal pro Minute, registriert das BSI einen<br />
Angriff auf das Regierungsnetz. Die meisten<br />
Angriffe – etwa mit Schadprogrammen<br />
infizierte E-Mails – werden automatisch<br />
abgeblockt. Nur in 30 Fällen musste das BSI<br />
2013 aktiv eingreifen, um einen „Abfluss<br />
kritischer Informationen“ zu verhindern.<br />
Nur bei wenigen Unternehmen werden<br />
bisher einzelne Sicherheitskomponenten<br />
aus dem IVBB zur Absicherung der Firmennetze<br />
eingesetzt. Den meisten ist das<br />
zu teuer. Die Berliner Wasserbetriebe haben<br />
anders entschieden, weil die preiswer-<br />
Gefährliche Mitarbeiter<br />
Vonwem die größte Bedrohung bei Spionageund<br />
Cyberattacken ausgeht<br />
Sehr große Bedrohung<br />
Eigene Mitarbeiter<br />
Wettbewerber<br />
Externe Mitarbeiter*<br />
Aktivisten<br />
Organisierte Kriminalität<br />
Ausländische Regierungsbehörden<br />
(Geheimdienste)<br />
6 %<br />
teren Lösungen Lücken hatten. Böttcher:<br />
„Wichtig war uns, dass wir die vollständige<br />
Kontrolle behalten.“<br />
Vertrauenswürdige<br />
Anbieter<br />
Relevante Bedrohung<br />
7 %<br />
5 %<br />
5 %<br />
* Zeitarbeitnehmer, Berater; Quelle: PAC<br />
11 %<br />
10 %<br />
21 %<br />
29 %<br />
33 %<br />
31 %<br />
30 %<br />
39 %<br />
Varta Microbattery, Ellwangen. Wer Unternehmenschef<br />
Herbert Schein in seinem<br />
Büro in der Zentrale besucht, spürt sofort,<br />
dass der Mann überdurchschnittlich technikaffin<br />
ist: Auf seinem Schreibtisch liegen<br />
die Utensilien, die ein Smartphone zur<br />
Schaltstation für alle Lebensbereiche aufrüsten<br />
können – Headsets, Uhren, Körpersensoren,<br />
Armbänder und Brillen.<br />
All diese Geräte, ist Schein überzeugt, sichern<br />
Vartas Zukunft: Sie brauchen starke<br />
Energiequellen, die so winzig sind, dass sie<br />
sich leicht in jedes Teil einbauen lassen.<br />
Möglich wird das durch neue, leistungsfähige<br />
Lithium-Ionen-Batterien. Von Mitte<br />
2015 an soll die Produktion im badenwürttembergischen<br />
Ellwangen starten.<br />
„Massenfertigung ohne hohen Ausschuss<br />
können nur ganz wenige“, sagt Schein. „Wir<br />
gehören dazu.“<br />
Varta ist daher ein ideales Spionageziel.<br />
Wie kaum ein anderes Unternehmen ist es<br />
in die Forschungsprojekte von Autobauern,<br />
Energieversorgern und Handyherstellern<br />
eingebunden. Ob Energiewende oder<br />
Elektroauto: Der Erfolg hängt an einem<br />
starken Energiespeicher, der sich schnell<br />
wieder aufladen lässt. Vartas für die Sicherheit<br />
zuständiger Chief Information Officer<br />
Wolfgang Fritz hat darum einen hohen<br />
Schutzwall errichtet, der alle Spionageangriffe<br />
abwehren soll: „Die Kunst ist, die<br />
echten Innovationen zu schützen.“<br />
Wenn doch mal einer mit „viel krimineller<br />
Energie“ ins Firmennetz eindringt, könne<br />
er mit den abgezogenen Informationen<br />
wenig bis gar nichts anfangen, so Fritz: Die<br />
wirklich wichtigen Informationen sind auf<br />
drei Rechner verteilt, „der Angreifer bekommt<br />
höchstens einzelne Puzzlesteine,<br />
aber nie das gesamte Bild“.<br />
Bei Sicherheitsfragen ist Fritz altmodisch:<br />
Firmendaten per Cloud Computing<br />
zu einem externen IT-Anbieter auszulagern<br />
kommt für ihn nicht infrage. Inzwischen<br />
sehen das viele IT-Chefs so: Laut einer<br />
Bitkom-Umfrage haben 13 Prozent der<br />
Unternehmen konkret geplante Cloud-<br />
Projekte zurückgestellt, elf Prozent haben<br />
sogar bestehende Lösungen aufgegeben.<br />
„Die NSA-Affäre hat dem Wachstum einen<br />
herben Dämpfer versetzt“, sagt Bitkom-<br />
Präsident Dieter Kempf.<br />
Auch an einer zweiten Tradition hält<br />
Fritz fest. Nicht die Großen der IT-Szene<br />
wie IBM oder Microsoft gehen in Ellwangen<br />
ein und aus, sondern kleine, lokal tätige<br />
IT-Dienstleister aus Baden-Württemberg<br />
wie die Arcos Informationssysteme<br />
aus Essingen. „Die helfen rund um die Uhr,<br />
wenn es mal ein Problem gibt“, sagt Fritz.<br />
Sicherheitsübung<br />
im Vorstand<br />
RWE, Essen-City. Wer in diesen Tagen in<br />
der nahe am Hauptbahnhof gelegenen<br />
Zentrale des Energieversorgers die von<br />
Mitarbeitern besonders stark frequentierten<br />
Bereiche wie etwa die Kantine besucht,<br />
erkennt die Veränderungen sofort. Gut<br />
sichtbar sind kleine Werbeständer an den<br />
Eingängen aufgestellt, die den Schatten ei-<br />
44 Nr. 31 28.7.2014 WirtschaftsWoche<br />
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