28.07.2014 Aufrufe

Wirtschaftswoche Ausgabe vom 28.07.2014 (Vorschau)

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Geld&Börse<br />

Parallelwelt,<br />

ganz oben<br />

FRANKFURT | Die Europäische Zentralbank verändert<br />

die Finanzmetropole, sie wird internationaler,<br />

bunter – und reicher. Wie tickt die Stadt, in der über<br />

unser aller Geld bestimmt wird?<br />

Krachend kraxelt der Baustellenaufzug<br />

am Gerippe des ehemaligen<br />

Bürogebäudes in die Höhe.<br />

Im zwölften Stock hält er an,<br />

zwischen den nackten Wänden<br />

weitet sich der Blick über die Türme des<br />

Bankenviertels auf die sanften Hügel des<br />

Taunus. „Wer hier wohnt, ist oben angekommen“,<br />

verkündet Daniel Korn stolz.<br />

Der Mann im dezent blauen Anzug ist Immobilienentwickler<br />

und will die kleine<br />

Schar gepflegter Damen und Herren bei<br />

Häppchen und Hochglanzbroschüren<br />

überzeugen, ihr Geld in Frankfurts ambitioniertestes<br />

Wohnprojekt zu stecken. Die<br />

Vorzüge des fertigen „Onyx“ flimmern neben<br />

Korn über einen Fernseher, den der<br />

Veranstalter ganz unbescheiden den größten<br />

der Welt nennt.<br />

HUNDEWASCHPLATZ INKLUSIVE<br />

Bescheidenheit wäre fehl am Platz. Hier<br />

herrscht Luxus am Rand der Realsatire. Die<br />

Einfahrt zur Tiefgarage ist beheizt und garantiert<br />

breit genug für ausladende Limousinen,<br />

Videoüberwachung und Alarmmelder<br />

entsprechen den Standards des Bundeskriminalamts<br />

und dank Hundewaschplatz<br />

hinterlässt Fiffichen keine Schlammspuren<br />

auf dem Eichenparkett. Ein Concierge-Service<br />

zwischen 6 und 22 Uhr<br />

bringt die Wäsche zur Reinigung, besorgt<br />

Karten fürs Konzert in der Alten Oper um<br />

die Ecke, erfüllt jeden Wunsch. Wohnen<br />

heißt hier Leben in der Luxussuite. Onyx<br />

aber könnte genau so in jeder anderen Finanzmetropole<br />

stehen. Es ist ein global<br />

gültiges Wall-Street-Klischee, die Welt<br />

drum herum ist zweitrangig, bei Bedarf<br />

kann sie komplett draußen bleiben.<br />

Tatsächlich geht es in Frankfurt aufwärts<br />

– mehr Gewerbesteuer, mehr Einwohner,<br />

mehr Arbeitsplätze, mehr Studenten, mehr<br />

Museumsbesucher. Mehr alles. Selbst die<br />

„New York Times“ empfahl die Stadt, von<br />

der internationale Touristen bisher oft nur<br />

den Flughafen kennenlernten, als einen<br />

der global angesagten Plätze.<br />

„Die Stadt ist attraktiv und hat sich in den<br />

vergangenen 20 Jahren fantastisch entwickelt.<br />

Viele bleiben gerne auf Dauer hier,<br />

wir wünschen uns, dass es so weitergeht“,<br />

sagt Peter Rennpferdt, Vize-Personalchef<br />

der Europäischen Zentralbank.<br />

1000 Experten aus ganz Europa sollen bei<br />

der EZB innerhalb eines knappen Jahres aus<br />

dem Nichts die Aufsicht über die wichtigsten<br />

europäischen Banken<br />

Luxus an<br />

der Grenze zur<br />

Realsatire<br />

Entwickler Korn<br />

auf dem<br />

Onyx-Rohbau<br />

aufbauen. Rennpferdts<br />

Publikum klatscht artig.<br />

Es sind Männer im Anzug,<br />

Frauen im Kostüm,<br />

die Diskussionsrunde hat<br />

die Räume der Anwaltskanzlei<br />

in einem Hochhaus mit Blick auf<br />

den Main gut gefüllt, viele müssen stehen.<br />

Das Motto lautet „Boom bis zum Ruin?“<br />

und trifft das Unbehagen, das viele Frankfurter<br />

drückt. Sie fragen, ob es gesund oder<br />

schon gestört ist, was mit der Stadt passiert.<br />

Die EZB-Leute sind nur ein Teil des Ansturms,<br />

der überall nach Platz sucht, in der<br />

Schule, auf den Straßen und vor allem auf<br />

dem Wohnungsmarkt.<br />

Der Aufbruch verunsichert viele, auch<br />

weit jenseits der Aktivisten der Protestbewegung<br />

Occupy – und lässt manche zurück.<br />

Die Mieten steigen, Edel-Italiener<br />

und Tapas-Bars verdrängen die Apfelweinkneipen.<br />

Wie keine andere deutsche<br />

»<br />

FOTO: CHRISTOF MATTES FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

1478<br />

Milliarden Euro<br />

managen Fonds von<br />

Frankfurt aus<br />

74 Nr. 31 28.7.2014 WirtschaftsWoche<br />

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