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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 28.07.2014 (Vorschau)

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Unternehmen&Märkte<br />

Geheime Mission<br />

CYBERABWEHR | Den Kopf frustriert in den Sand stecken und vor der technischen Überlegenheit<br />

ausländischer Geheimdienste kapitulieren? Oder die Ärmel hochkrempeln<br />

und eine Sicherheitsoffensive starten? Ein Jahr nach den Enthüllungen des ehemaligen<br />

NSA-Agenten Edward Snowden zeigen Sicherheitschefs deutscher Unternehmen der<br />

WirtschaftsWoche, wie sie sich vor Spionage- und Sabotageattacken schützen.<br />

Spezialisten für Spionageabwehr<br />

arbeiten lieber im Verborgenen.<br />

Wenn allerdings Hans-Georg<br />

Maaßen als Präsident des Bundesamtes<br />

für Verfassungsschutz<br />

(BfV) quasi der oberste Schlapphut der Republik<br />

die Wirtschaft zum Erfahrungsaustausch<br />

nach Berlin einlädt, dann verlassen<br />

auch die sonst so scheuen Sicherheitschefs<br />

kleiner und großer deutscher Unternehmen<br />

ihre Wagenburg und plaudern ansonsten<br />

sorgsam gehütete Interna aus.<br />

An diesem Donnerstag im Mai hat Volker<br />

Ressler, Leiter Corporate Protection<br />

and Security beim Stuttgarter Autozulieferer<br />

Bosch, gerade als Vertreter eines spionagegefährdeten<br />

Technologiekonzerns auf<br />

dem Podium Platz genommen, als der Moderator<br />

die Frage aller Fragen stellt: „Kennen<br />

Sie eigentlich Ihre Kronjuwelen?“<br />

Kronjuwelen – so nennen Unternehmen<br />

ihre kostbarsten Schätze. Früher wurden<br />

sie im Panzerschrank aufbewahrt, jetzt liegen<br />

sie auf – hoffentlich gut abgeschirmten<br />

– Rechnern. Meist sind es Ergebnisse langjähriger<br />

Forschungs- und Entwicklungsarbeit.<br />

Auch sensible Kundendaten und Angebote<br />

bei Ausschreibungen zählen dazu.<br />

Umso überraschter sind die Teilnehmer<br />

des Symposiums, dass ausgerechnet der<br />

Vertreter von Robert Bosch – mit einem<br />

Jahresbudget von 4,5 Milliarden Euro eines<br />

der forschungsintensivsten Unternehmen<br />

in Deutschland – erstmals ein ehrliches<br />

Geständnis ablegt: „Wir sind dabei, unsere<br />

Kronjuwelen kennenzulernen.“ Wow.<br />

Bosch kennt seine wertvollsten Schätze<br />

(noch) nicht. Wer hätte das gedacht.<br />

Der Auftritt des Sicherheitschefs ist<br />

symptomatisch für die Stimmung in den<br />

Unternehmen. Seit den Enthüllungen des<br />

ehemaligen NSA-Agenten Edward<br />

Snowden ist klar: Deutschland mit seinen<br />

High-Tech-Unternehmen gehört zu den<br />

Top-Zielen ausländischer Geheimdienste.<br />

Fast jedes dritte deutsche Unternehmen ist<br />

in den vergangenen Jahren Opfer eines Cyberangriffs<br />

geworden, ergab eine repräsentative<br />

Umfrage des ITK-Branchenverbandes<br />

Bitkom. Laut Studie des Virenschutzanbieters<br />

McAfee liegt Deutschland mit einem<br />

Schaden von 1,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />

an der Spitze der betroffenen<br />

Länder – weit vor den USA und Japan.<br />

Zudem bleiben Angreifer viel zu lange unentdeckt,<br />

wie der jüngste Bedrohungsbericht<br />

des kalifornischen IT-Sicherheitsanbieters<br />

Fireeye zeigt: Durchschnittlich 229<br />

Tage braucht ein Unternehmen, um Datendieben<br />

auf die Spur zu kommen.<br />

Wie reagieren deutsche Unternehmen<br />

auf diese verschärfte Bedrohungslage? Die<br />

WirtschaftsWoche wollte es genauer wissen.<br />

Das Ergebnis der zahlreichen Gespräche<br />

mit Unternehmens- und Sicherheitschefs:<br />

Manche haben den Ernst der Lage<br />

noch nicht erkannt, andere kennen die Gefahren,<br />

kapitulieren aber vor der technischen<br />

Überlegenheit der Geheimdienste<br />

und anderer Angreifer. Die dritte Gruppe<br />

krempelt die Ärmel hoch und erhöht die<br />

Sicherheitsvorkehrungen noch weiter. Viele<br />

dieser Unternehmen wollen ihre Abwehrstrategien<br />

nicht offenlegen. Das, so erklären<br />

sie unisono, würde nur die Angreifer<br />

provozieren, noch aggressivere Attacken<br />

zu fahren. Das Risiko will keiner eingehen.<br />

Ein paar zur Nachahmung empfohlene<br />

Puzzlesteine aus ihrem Gesamtkonzept<br />

haben sie dann aber doch verraten. Schon<br />

dieser kleine Ausschnitt zeigt: In der deutschen<br />

Wirtschaft gibt es Pioniere, die den<br />

Kampf gegen Geheimdienste und straff organisierte<br />

Cyberbanden aufnehmen.<br />

Spezialeinheit<br />

mit Hackern<br />

Daimler, Stuttgart-Möhringen. Die ehemalige<br />

Unternehmenszentrale ist jetzt das<br />

Reich von Sabine Wiedemann. Von hier<br />

aus wehrt die 50-Jährige, die seit dreieinhalb<br />

Jahren an der Spitze der Konzernsicherheit<br />

steht, Attacken gegen die PCs und<br />

Smartphones der weltweit 275000 Mitarbeiter<br />

des Autobauers ab. Die Sicherheitsspezialistin,<br />

die einst beim Bundeskriminalamt<br />

arbeitete, ist eine von wenigen<br />

Frauen in dieser fast ausschließlich von<br />

Männern dominierten Szene. Vielleicht ist<br />

das einer der Gründe, warum sie anders<br />

mit der Abwehr von Spionage- und Sabotageangriffen<br />

umgeht als viele Kollegen. Der<br />

Arbeit der Sicherheitsabteilungen dürfe<br />

nicht länger die Aura des Geheimnisvollen<br />

anhaften: „Wir müssen viel offener damit<br />

umgehen.“<br />

Den Snowden-Enthüllungen gewinnt sie<br />

deshalb auch Positives ab: Plötzlich fänden<br />

Verbesserungsvorschläge zur Cyberabwehr,<br />

die früher abgeschmettert wurden,<br />

ganz oben und ganz unten viel mehr Gehör.<br />

Das gesamte Unternehmen sei „sensibilisiert“.<br />

Die Chance müsse man nutzen.<br />

Daimler gehört zu den Dax-Unternehmen<br />

mit den höchsten Sicherheitsvorkehrungen:<br />

So gibt es längst ein Lagezentrum,<br />

das weltweit und rund um die Uhr jeden<br />

noch so kleinen Sicherheitsvorfall erfasst<br />

und verfolgt. Um die IT inklusive der Se-<br />

»<br />

FOTO: BERNHARD HASELBECK FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

40 Nr. 31 28.7.2014 WirtschaftsWoche<br />

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