BAHN EXTRA 1970-1989: Zwei spannende Jahrzehnte Bundesbahn (Vorschau)
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Rückblick<br />
86<br />
| ALS LOKFÜHRER BEI DEN JUBILÄUMSFAHRTEN<br />
Auf diese Treffen freute er sich seit jeher.<br />
Jürgen Kliemt, früher Lokheizer, kam<br />
zusammen mit Helmut Wolfrom, früher<br />
einmal „sein“ Lokführer. Etliche Dienste<br />
hatten sie in den 1960ern auf der Schnellzugdampflok<br />
01 abgeleistet, kameradschaftlich,<br />
im Team. Später war Kliemt selbst Lokführer<br />
geworden. Und nun, im Jahre 1984, hatte Helmut<br />
Wolfrom eine Überraschung für ihn<br />
parat. Oder besser, eine Frage. Ob Jürgen<br />
Kliemt Lust habe, wieder Dampflok zu fahren?<br />
Die Antwort: „Natürlich.“ Und schwupp,<br />
war Kliemt drin in der Lokführer-Mann -<br />
schaft für das Eisenbahn-Jubiläum.<br />
Vier Loks, 27 Freiwillige<br />
Mit viel Ausdauer und Geschick hatten<br />
einige DB-Obere, allen voran Horst Troche<br />
als Leiter des Werkstättenwesens, die Dampflok-Sonderfahrten<br />
für den Sommer 1985<br />
durchgeboxt. Hatten es geschafft, diesen<br />
Programmpunkt der Jubiläumsfeiern auch<br />
gegen Widerstand in den eigenen Reihen zu<br />
etablieren. Hatten erreicht, dass das Dampflokverbot<br />
für zwei Strecken ausgesetzt<br />
wurde und die Aufarbeitung geeigneter<br />
Lokomo tiven begann. Vier Maschinen waren<br />
für die Züge von Nürnberg nach Amberg und<br />
Bayreuth vorgesehen: die Schnell zug lok<br />
01 1100, die Personenzuglok 23 105, die Güterzuglok<br />
50 622 und die Tenderlok 86 457.<br />
So wie Jürgen Kliemt meldeten sich insgesamt<br />
27 Lok führer, um als Freiwillige zu<br />
heizen oder am Regler zu stehen. Vielen erging<br />
es wie Kliemt, den der „Dampf-Virus“<br />
einfach nicht losließ. Im Alltag fuhr er längst<br />
Diesel- und Elloks, die moderner, kräftiger<br />
und leichter zu handhaben waren als die<br />
kohlegefeuerten Veteranen früher. Doch die<br />
Atmo sphäre auf dem Dampflok-Führer -<br />
stand, das Miteinander von Lokführer und<br />
Heizer hatte er noch in guter Erinnerung. Gut<br />
genug, um es wieder erleben zu wollen.<br />
Freilich mussten die „neuen“ Dampflokpersonale<br />
vorher ihre Kenntnisse auf -<br />
frischen. 15 Jahre lag die Stationierung der<br />
letzten „fauchenden Ungetüme“ in Nürnberg<br />
zurück, die letzten Dampflok-Dienste waren<br />
zehn Jahre zuvor beendet worden. Also<br />
stand zunächst einmal Theorie auf dem Lehrplan<br />
– vermittelt von Ausbildern, die noch<br />
genügend Erfahrung aus der Dampfzeit mitbrachten.<br />
Im Januar 1985 folgten die ersten<br />
Schulungsfahrten. Auf dem Führerstand von<br />
50 622 übten die Freiwilligen zwischen Nürnberg<br />
und Amberg die Arbeitsabläufe ein.<br />
Die Jubiläums-Saison<br />
Als sich am 16. Mai 1985 der erste Sonderzug<br />
mit Reisenden auf den Weg machte, war die<br />
Begeisterung riesengroß. Endlich wieder<br />
Dampfloks auf DB-Gleisen! Das hatte es, abgesehen<br />
von den Probefahrten fürs Jubiläum,<br />
seit 1977 nicht mehr gegeben! Auf die Perso-<br />
Wieder mit<br />
Dampf<br />
Die Dampflok-Sonderzüge der <strong>Bundesbahn</strong> waren<br />
die Sensation des Eisenbahn-Jubiläums 1985. Nach<br />
Jahren des Verbots feierten die schwarzen Rösser im<br />
Raum Nürnberg eine triumphale Rückkehr. Jürgen<br />
Kliemt war mit dabei – als einer der Dampflokführer<br />
nale wartete ein gut gefülltes Programm: Bis<br />
in den Herbst hinein schnauften die Maschinen<br />
mit historischen Wagengarnituren ins<br />
Pegnitztal und nach Oberfranken. Außerdem<br />
waren da noch die Fahrzeugparaden, welche<br />
die <strong>Bundesbahn</strong> an den Septemberwochenenden<br />
in Nürnberg-Langwasser ausrichtete.<br />
Der Erfolg war überwältigend: Manche<br />
Züge hatten zehn bis zwölf Wagen, bei den<br />
Lokomotiven musste die DB aufstocken. Ursprünglich<br />
hatte 01 1066, ölgefeuerte Gastlok<br />
der Ulmer Eisenbahnfreunde, nur die ölgefeuerte<br />
Schwester 01 1100 vertreten sollen;<br />
diese war nicht rechtzeitig fertig geworden.<br />
Nun mietete die DB die Ulmer Maschine für<br />
die ganze Fahrsaison an, samt ihres Heizers<br />
Herbert Dorfschmied. Jürgen Kliemt wurde<br />
in dieser Zeit der ständige Lokführer; das<br />
Maschinenamt Nürnberg I hatte ihn nach<br />
bestandener Ölfeuerungsprüfung dazu<br />
bestimmt. Noch heute schwärmt er von der<br />
Öllok. „Ballern“ konnte sie, bei Betriebstemperatur<br />
richtig viel Kraft auf die Schienen<br />
bringen; trotzdem schonte sie den Heizer.<br />
Dienst<br />
bei der<br />
Im Laufe des Jubiläumssommers kam<br />
Kliemt auch auf den anderen Museumsmaschinen<br />
zum Einsatz. Als die DB noch 01 150<br />
aus Privatbesitz in den Bestand holte, bescherte<br />
ihm das ein freudiges Wiedersehen.<br />
Jene Lok kannte er aus den 1960er-Jahren;<br />
unter anderem mit „der 150“ hatten sie<br />
damals D-Züge nach Stuttgart gebracht.<br />
Nachteile und Vorteile<br />
Den Enthusiasmus um die Jubiläumsfahrten<br />
teilte indes nicht jeder Lokführer, nicht einmal<br />
in Nürnberg, wo die Eisenbahner tagein<br />
tagaus damit zu tun hatten. Jüngere spöttelten,<br />
man müsse schon blöd sein, wenn man<br />
sich die körperlichen Strapazen auf einer<br />
Dampflok aufhalse. Einwände, denen Jür -<br />
gen Kliemt mit Nachsicht begegnet. Nach<br />
dem Dampf-Aus, sagt er, war eben eine neue<br />
Lokführer-Generation in Nürnberg heran -<br />
gewachsen. „Die kannten das nicht mehr.“<br />
Vielleicht übersah mancher Kritiker auch<br />
die Vorteile, welche die Sonderfahrten brachten.<br />
Hatte doch die DB die Lokpersonale ei-<br />
Während der Jubiläumssaison 1985 ist 01 1066 von den Ulmer Eisenbahnfreunden die<br />
„Stammlok“ für Jürgen Kliemt. Zusammen mit dem „Stammheizer“ Herbert Dorfschmied (l.)<br />
fährt er zahlreiche Sonderzüge Slg. Jürgen Kliemt