DIE ZIMBRISCHE SPRACHINSEL LUSÉRN
DIE ZIMBRISCHE SPRACHINSEL LUSÉRN
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Sie stellen im alltäglichen Bild Lusérns einen der blühensten<br />
und reichsten Bereiche dar. Um sie dreht sich eine<br />
Welt voller Mythen und Furcht, denn sie sind ja die<br />
schwächsten Mitglieder der Familie und daher umso stärker<br />
verletzbar von okkulten Kräften und dem Bösen.<br />
Die meisten Ängste hatte man abends und nachts, wenn<br />
sich die dämonischen Gestalten mit größter Freiheit<br />
bewegten.<br />
Im alten Volksglauben Lusérns (der immerhin bis in die<br />
ersten Jahre des 20. Jahrhunderts überlebte, als der Priester<br />
und Gelehrte J. Bacher sie notierte) riet man davon<br />
ab, Kinder nach der Dämmerung aus dem Haus zu lassen.<br />
Das Nichtbefolgen dieses Rates hätte ja die Verhexung der<br />
Kleinen zur Folge haben können. Ebenfalls strikt untersagt<br />
war das Messen der Körpergröße eines Kindes. Auch<br />
durfte man es nicht übersteigen. Bei Zuwiderhandlung<br />
würde das Kind zu wachsen aufhören.<br />
Dieser letzte Punkt ist deshalb besonders interessant, da<br />
das Übersteigen eines Gegenstandes oder einer Person ja<br />
die Vorherrschaft des Übersteigenden über den Bestiegenen<br />
deutlich macht.<br />
Man bedenke, daß ein Paar am Tag der Hochzeit beim Betreten<br />
des neuen Hauses einen Besen übersteigen mußte,<br />
um eine Verhexung mittels dieser wohl ausreichenden<br />
Neutralisation zu verhindern.<br />
Erst heute kann man vollständig die Kraft dieser Handlung<br />
des Übersteigens und die Auswirkungen auf die Entwicklung<br />
eines Kindes verstehen.<br />
Mit Blick auf die Neugeborenen hatte man einst geglaubt,<br />
daß das Schaukeln einer leeren Wiege jenem Kind Bauchschmerzen<br />
brächte, das diese Wiege später nutzte.<br />
Schließlich hielt man daran fest, ein weinendes Kind sich<br />
seiner selbst zu überlassen, weil dessen Herz wüchse,<br />
solange es dies tat.<br />
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