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Deutsche Bahn AG: Menschen bewegen – Welten verbinden

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Jan-Martin Wiarda (30) Redakteur bei der<br />

Wochenzeitung „Die Zeit“.<br />

„Einmal zum Mond<br />

und zurück“<br />

Ich gebe zu, dass ich ein bisschen verrückt bin. Ein<br />

normaler Mensch nimmt doch nicht 300 Kilometer<br />

tägliche Anfahrt ins Büro in Kauf, macht 600 Kilometer<br />

am Tag, 3.000 die Woche, 140.000 im Jahr.<br />

Ja, ich bin so verrückt, ich arbeite in Hamburg und<br />

lebe in Berlin.<br />

Viele sagen: Das geht doch gar nicht. Ich sage:<br />

Doch, das geht. Wenn man ICE-Pendler ist. Seit ich<br />

Mitte 2004 meinen Job angetreten habe, habe ich<br />

im ICE die einfache Fahrt von der Erde zum Mond<br />

zurückgelegt. Inzwischen arbeite ich am Rückweg.<br />

Ich bin nicht der einzige Verrückte. Wenn ich<br />

morgens in Berlin einsteige, blicke ich in ein paar<br />

Dutzend bekannte Gesichter. Ich kenne nicht alle<br />

beim Namen, aber wir ICE-Pendler erkennen einander<br />

an der schwarzen <strong>Bahn</strong>Card 100. Ich kenne<br />

auch nur die Berliner, die in Hamburg arbeiten.<br />

Doch ich habe gehört, dass auch in Gegenrichtung<br />

gependelt wird.<br />

Warum man sich das antut? Weil es geht. Die<br />

Hochgeschwindigkeitsverbindungen von Berlin<br />

nach Hamburg oder von Köln nach Frankfurt verschmelzen<br />

Großstädte zu Großräumen, zu entfernten<br />

und gleichzeitig nahen Doppelstädten. Warum<br />

die Freundin zurücklassen? Warum nur der Arbeit<br />

wegen aus der geliebten Wohnung aus ziehen? Es<br />

geht ja anders. Und ich habe Spaß dabei, genieße<br />

die Ruhe, schalte ab. Täglich zweimal 90 Minuten<br />

Zeit zum Lesen, zum Arbeiten am Computer – und<br />

zum Philosophieren: Vielleicht sind wir ICE-Pendler<br />

gar nicht verrückt. Sondern unser Leben ist nur<br />

ein Vorgeschmack auf die Mobilität der Zukunft.<br />

Die Mitarbeiter der<br />

Transportleitung in<br />

Frankfurt/M. verstehen<br />

sich als Anwälte ihrer<br />

Reisekundschaft.<br />

Den fi ligranen ICE-Taktfahrplan für ganz Deutschland zu<br />

entwickeln und Jahr für Jahr zu optimieren, ist für sich ein<br />

eher mathematisches Kunststück. Ihn auf dem dichtesten<br />

Eisenbahnnetz der Welt tagtäglich so gut wie möglich<br />

in die Tat umzusetzen, ist ein logistischer Drahtseilakt,<br />

der Erfahrung und Kreativität erfordert. Wie ein geübter<br />

Schachspieler muss Borsdorf buchstäblich viele Züge vorausdenken.<br />

„Wir sind Anwalt unserer Kunden“, sagt der Chef der<br />

Zentralen Transportleitung Thomas Göwert. „Unsere primäre<br />

Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Reiseketten<br />

der Fahrgäste sichergestellt sind.“ Er und seine Disponenten<br />

kümmern sich darum, dass das ICE-Netzwerk rund<br />

läuft, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Im Idealfall<br />

würden sie hier Däumchen drehen, aber den Idealfall gibt<br />

es in einem derart komplexen System eben nicht. An<br />

neun Knotenpunkten hält die DB bemannte Ersatzzüge<br />

vor, die von den Frankfurter Disponenten innerhalb von<br />

einer Viertelstunde in den Fahrplan eingefädelt werden<br />

können.<br />

Sobald die Sonne in Deutschland untergeht und die<br />

meisten ICE die letzte Endstation des Tages erreicht haben,<br />

entfaltet er sein ganz eigenes Nachtleben. ICE-Werk<br />

Frankfurt-Griesheim, kurz vor halb zehn am Abend: Das<br />

Tor surrt nach oben und scheinbar müde vom Tag schiebt<br />

sich ein ICE 3 in die blitzblanke Halle. „Haut rein!“, ruft<br />

Ingenieur Wolfgang Schmidt seinen Technikern zum<br />

Abschluss der kurzen Dienstbesprechung zu.<br />

Zahlreiche Checklisten abarbeiten<br />

Die Zeit drängt. Genau acht Stunden haben die Schlosser,<br />

Mechatroniker, Entstörer, Klimatechniker und Elektroniker,<br />

um die erste Hälfte der Inspektionsstufe 1 zu<br />

erledigen: Laufwerkskontrolle, Bremsrevision, Klimaanlage,<br />

Türen, Stromabnehmer, Toiletten, Fahrgastinformationssystem.<br />

Eine lange Checkliste ist abzuarbeiten.<br />

Wenn die Sonne wieder aufgeht, muss der Zug pünktlich<br />

wieder auf die Strecke.<br />

ICE-Instandhaltung just in time: „Vor zwei Jahren haben<br />

wir für den ICE die modularisierte Instandhaltung<br />

entwickelt“, erklärt Schmidt. Früher fi el jeder ICE für die<br />

nach jeweils zirka 80.000 Kilometern fällige Inspektion<br />

mindestens einen Tag aus. „Jetzt machen wir das in zwei<br />

Nächten, ohne dass wir den Zug aus dem Verkehr ziehen<br />

Pit Stop Im DB-Werk Griesheim geht es Nacht für Nacht zu wie beim Formel-1-Zirkus des Bernie Ecclestone. Nacheinander treff en Züge der ICE-<br />

Flotte ein, es erfolgen Wartungs- und Revisionsarbeiten und frühmorgens gehen die Einheiten wieder auf die Strecke.<br />

„Mit dem Zug in die Freiheit“<br />

Natürlich haben wir bei Hertha BSC<br />

einen Mannschaftsbus. Aber für uns<br />

ist der ICE auf vielen Strecken eine<br />

schnelle und komfortable Alternative.<br />

Zu unseren Bundesliga-Auswärtsspielen<br />

fahren wir von Berlin aus mit dem<br />

ICE. Die Spieler genießen die Bewegungsfreiheit<br />

und dass sie unterwegs<br />

machen können, was sie wollen.<br />

Ich habe schon vor Jahren den Reiz<br />

des <strong>Bahn</strong>fahrens entdeckt und genieße<br />

den Komfort in der 1. Klasse. Ich<br />

sitze 20 bis 25 Mal pro Jahr im Zug,<br />

bin auch oft allein und gewissermaßen<br />

„in Zivil“ unterwegs, denn als<br />

Trainer muss ich unsere nächsten<br />

Gegner unter die Lupe nehmen.<br />

Die Zeit im Zug ist für mich ideal zum<br />

Arbeiten, etwa für Video-Analysen am<br />

Laptop. Ich halte da auch mal ein Nickerchen,<br />

und erkennt mich jemand,<br />

gebe ich gern ein Autogramm. Man<br />

kann sagen, dass ich zur Generation<br />

ICE gehöre, und das nicht nur, weil<br />

die <strong>Bahn</strong> Sponsor meines Vereins ist.<br />

Mit der <strong>Bahn</strong> verbinde ich auch persönlich<br />

eine wichtige Erinnerung.<br />

Nachdem ich mich 1983 in Belgrad vor<br />

einem Europacup-Spiel von meinem<br />

damaligen DDR-Fußballteam abgesetzt<br />

hatte, fuhr ich mit der <strong>Bahn</strong> in<br />

die Bundesrepublik. Mein Zug in die<br />

Freiheit war ein überheizter Schlafwagen<br />

von Ljubljana nach München.<br />

Falko Götz (45) Trainer des Fußball-<br />

Bundesligisten Hertha BSC Berlin.<br />

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