Deutsche Bahn AG: Menschen bewegen – Welten verbinden
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Flaggenparade An der Wand der Plan des Großprojekts, vor den Landesfahnen sein Name auf Chinesisch – Dietrich Theurer in seinem Büro.<br />
Vortrieb Chinesische Arbeiter sichern beim Tunnelbau für die neue Hochgeschwindigkeitstrasse das Deckengewölbe mit Stahlträgern.<br />
Feste Fahrbahn für Hochgeschwindigkeitszüge und digitaler<br />
<strong>Bahn</strong>funk GSM-R sind die Produkte des Technologietransfers.<br />
m Hof des Kaisers von China wäre Dietrich<br />
Theurer bestimmt Geschichtenerzähler gewesen.<br />
Eine Begabung dazu hat er jedenfalls.<br />
Ist weit gereist, schwer belesen, ein Typ Viel-<br />
und manchmal – „leider, leider“ – auch Allesganzgenauwisser.<br />
Darüber verrät seine Visitenkarte allerdings<br />
nichts. Sie annonciert ihn trocken als Chief<br />
Consulting Engineer. Dazu eine kleine Anmerkung von<br />
Theurer: „Zitat von François de La Rochefoucauld“, sagt<br />
er und spricht: „Das Talent der <strong>Menschen</strong> hat viele Jahreszeiten<br />
– wie die Früchte.“<br />
Ein schlagfertiger Mann also, dieser Kosmopolit und<br />
Eisenbahner. Jawohl, Eisenbahner, denn für die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Bahn</strong> arbeitet Dietrich Theurer derzeit in China. Den Kaiser<br />
gibt es dort zwar längst nicht mehr, dafür blüht Xi’an,<br />
seine einstige Hauptstadt. Ein Ort, an den man sich sehnlichst<br />
hinwünscht, weil er wie geschaff<br />
en ist für Kunst-, Kultur- und<br />
zeitgeschichtlich interessierte <strong>Welten</strong>bummler.<br />
„In Xi’an“, sagt Theurer,<br />
„gibt es Sehenswürdigkeiten wie<br />
Sommersprossen auf einem irischen<br />
Kindergesicht.“<br />
Altes meist, aus Zeiten der Han-,<br />
der Qing-, Tang- und Ming-Dynastien.<br />
Die 13,6 Kilometer lange Stadt-<br />
mauer und ihre Tore etwa, mitten im<br />
Landesinneren, südwestlich von<br />
Peking. Oder der Glocken- und Trommelturm<br />
im Stadtzentrum. Die imposante<br />
Wildgans-Pagode und natürlich Qin Shihuangdi’s<br />
weltberühmte Terrakotta-Armee. Meint daneben aber<br />
auch Neues oder besser und mit Theurers Worten gesagt:<br />
„Werdendes“.<br />
Ein Projekt vor allen anderen ist auch „sein“ Projekt:<br />
der Bau einer Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitstrasse<br />
über 484,5 Kilometer von Zhengzhou nach X’ian. Die<br />
Strecke ist Abschnitt eines gewaltigen Langfristprogramms,<br />
mit welchem Chinas Regierung bis zum Jahr<br />
2020 sein <strong>Bahn</strong>netz erweitern will. Nach Auskunft des<br />
Eisenbahnministeriums in Peking sieht es Investitionen<br />
von nahezu 196 Milliarden Euro vor.<br />
Geplant ist neben Maßnahmen zur Streckenertüchtigung<br />
sowie Elektrifi zierung ein Ausbau des gesamten<br />
Netzes um 28.000 auf insgesamt 100.000 Schienenkilometer.<br />
Darunter fallen 12.000 Kilometer neu zu bauender<br />
High-Speed-Rail-Trassen (Passenger Dedicated Lines,<br />
PDL) für Züge mit Tempo 200 und schneller, die in acht<br />
Linien (vier vertikal, vier horizontal) Chinas Wirtschafts-<br />
und Ballungszentren <strong>verbinden</strong> sollen.<br />
Know-how-Träger Ingenieure der <strong>Bahn</strong>-<br />
Tochter DE-Consult sind auch in China sehr<br />
gefragte, weil erfahrene Spezialisten.<br />
Als vertikale Passagen gelten: 1.300 Kilometer Trasse<br />
Peking–Schanghai; 2.230 Kilometer Peking–Wuhan–<br />
Shenzhen; 1.860 Kilometer Trasse Peking–Ha’erbin und<br />
Dalian sowie 1.600 Kilometer Trasse Hangzhou–Ningbo–Shenzhen<br />
zur Erschließung von Chinas südöstlicher<br />
Küsten linie.<br />
Die horizontalen Passagen sind daneben: 1.900 Trassenkilometer<br />
Nanjing–Wuhan–Chongquing–Chengdu;<br />
770 Kilometer Qingdao–Taiyuan; 890 Kilometer Hangzhou–Changsha<br />
sowie die 1.400 Kilometer lange Trasse<br />
Xuzhou–Lanzhou mit Theurers Arbeitsfeld: dem Teilabschnitt<br />
Zhengzhou nach Xi’an entlang der Ufer von<br />
Chinas sagenumwobenem Gelben Fluss.<br />
Ein einzigartiges Kulturland sei das, sagt der <strong>Bahn</strong>ingenieur<br />
und springt durch Jahrtausende der Menschheitsgeschichte.<br />
Hopplahopp geht das: Von der Besiedelung<br />
des Gebiets vor mehr als 40.000<br />
Jahren über das Werden und Vergehen<br />
der Kaiserdynastien bis hin zum<br />
Handelsleben zu Zeiten der Seidenstraße<br />
(sie nahm ihren Anfang in<br />
Xi’an) und dem Geschehen heutiger<br />
Tage. Im Hier und Jetzt beschäftigen<br />
sich die chinesischen Eisenbahnbauer<br />
mit den Tücken des Dutzende von<br />
Meter dicken Lössbodens. Sein auf-<br />
gewehter gelblicher Feinstaub prägt<br />
die Landschaft rund um die Stadt<br />
(7,16 Millionen Einwohner). Er habe<br />
die nahen Lin Tong-li Berge in eineinhalb<br />
Jahren erst drei Mal gesehen, gesteht Theurer, „ganz<br />
zu Schweigen vom Gipfel des Heiligen Hua Shan. Der<br />
steckte, wann immer ich bei meinen Fahrten entlang der<br />
Baustellen vorbeikam, hoch in den Wolken.“<br />
12.000 neue Streckenkilometer<br />
Abenteuer China, erst recht in bautechnischer Hinsicht.<br />
Die Trassenkonstruktion in fester Fahrbahn nach Vorbild<br />
der ICE-Strecke Frankfurt/M.–Köln vergleicht Theurer<br />
gerne mit einem „Stück Uhrmacherarbeit. Dabei geht es<br />
immer und überall um Millimeter.“ Und was das Gesamtprojekt<br />
betriff t, ist er voller Bewunderung für seine<br />
Auftraggeber. „Deren planerischer Wille ist für mich fast<br />
gleichzusetzen mit der Realisation der Großen Mauer.“<br />
Die 484 Kilometer bedeuten: Bau zahlloser Brücken,<br />
Viadukte, Tunnels und <strong>Bahn</strong>höfe. Sie bedeuten den Einsatz<br />
Zehntausender Arbeiter, eine unendliche Flut von<br />
Konstruktionsplänen und -zeichnungen. Letzteres fällt<br />
in Theurers Arbeitsgebiet.<br />
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