(SILAS) für die minimal invasive Chirurgie - Universität zu Lübeck
(SILAS) für die minimal invasive Chirurgie - Universität zu Lübeck
(SILAS) für die minimal invasive Chirurgie - Universität zu Lübeck
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
STUDIUM GENERALE<br />
Über <strong>die</strong> Suche nach dem Glück<br />
M. Wicki-Vogt<br />
Einleitung<br />
Dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der<br />
‚Schöpfung’ nicht erhalten“ (1), hielt Freud in<br />
einem seiner gesellschaftsanalytischen Texte fest, den er<br />
1929-1930 schrieb, als er beinah 74 Jahre zählte. Freud,<br />
selber krebskrank und der bedrohlichen gesellschaftspolitischen<br />
Entwicklung bewusst, bezieht sich in seiner<br />
letzten Lebensphase oft auf <strong>die</strong> Tora, <strong>die</strong>se große Mythologie<br />
der Entwicklung des individuellen Menschseins im<br />
Zusammenleben mit einer vielfach unterschiedlichen,<br />
sowohl machthungrigen und regelüberschreitenden wie<br />
weisen oder ohnmächtigen Menschheit. Freud hält dabei<br />
fest, dass „Glück“ nur als „episodisches Phaenomen“ erlebbar<br />
ist, ja dass <strong>die</strong> „Fortdauer einer vom Lustprinzip<br />
ersehnten Situation nur ein Gefühl von lauem Behagen“<br />
ergebe. „Wir sind so eingerichtet, dass wir allein den<br />
Kontrast intensiv geniessen können, den Zustand nur<br />
sehr wenig“. Er skizziert dann, quasi mit existenzphilosophischer<br />
Resignation, seine Diagnose der sowohl<br />
lebensbedingten wie kulturbedingten Komponenten<br />
menschlichen „Unglücks“: <strong>die</strong> Körperlichkeit mit ihrer<br />
Anfälligkeit <strong>für</strong> Krankheiten und Leiden, letztlich <strong>die</strong><br />
Sterblichkeit jedes Menschen, sodann <strong>die</strong> „Aussenwelt<br />
mit ihren unerbittlichen, zerstörenden Kräften“, resp.<br />
<strong>die</strong> fremdbestimmten oder externen, nicht beeinflussbaren<br />
Bedingungen unseres Daseins (darunter <strong>die</strong> grossen<br />
naturbedingten oder zeitgeschichtlichen bedingten<br />
Verhältnisse), schließlich <strong>die</strong> Bedingungen, <strong>die</strong> sich aus<br />
den Beziehungen <strong>zu</strong> anderen Menschen ergeben.<br />
Große Ängste oder Gefühle der Erschöpfung und der<br />
Wertlosigkeit in breiten Teilen der Bevölkerung werfen<br />
<strong>die</strong> Frage auf, ob sich unter den aktuellen postmodernen<br />
und postindustriellen Zeitbedingungen <strong>die</strong> Suche,<br />
ja der Hunger nach Glück auf schmerzhafte Weise verdichtet.<br />
Tatsächlich bedarf <strong>die</strong>se Frage der Klärung wie<br />
auch <strong>die</strong> damit konnotierte Frage, ob <strong>die</strong>se Sehnsucht<br />
– wie andere Süchte – durch das Erkennen der Ursachen<br />
des leidvollen Mangels (im Sinn des analytischen<br />
Prozesses) heilbar ist, eventuell durch das Umwandeln<br />
* Den hier in einer gekürzten Fassung veröffentlichten Vortrag hielt<br />
Prof. Dr. Wicki-Vogt am 16. November 2006 im Studium Generale<br />
der <strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Lübeck</strong>, Themenreihe "Ethos".<br />
Dr. phil. Maja Wicki-Vogt,<br />
Zürich, geb. 1940, geschieden,<br />
vier Kinder. Studium<br />
und Doktorat in Philosophie,<br />
allgemeinem Staatsrecht und<br />
Menschenrechte, Soziologie/Politologie;<br />
Zweitstudium<br />
Psychologie/Psychoanalyse/<br />
Traumatherapie. Dozentin <strong>für</strong><br />
Philosophie an <strong>Universität</strong>en<br />
und Fachhochschulen in der Schweiz und im Ausland,<br />
seit 1996 in Philosophie und Psychoanalyse<br />
<strong>für</strong> post-graduates an der <strong>Universität</strong> Bern. Psychoanalytische<br />
und psychotraumatologische Praxis<br />
in Zürich. Langjährige gesellschaftsanalytische<br />
Arbeit (Weltwoche, Tages-Anzeiger, NZZ, Schweizer<br />
Fernsehen DRS / Sternstunden Philosophie, MOMA<br />
- Monatsmagazin <strong>für</strong> neue Politik, Schweizerisches<br />
Flüchtlingshilfswerk SFH etc.). Zahlreiche wissenschaftliche<br />
Publikationen.<br />
der Sehnsucht in Wünsche, <strong>die</strong> erfüllbar sind, und in Erfahrungen,<br />
<strong>die</strong> nicht täuschen, oder in eine allmähliche<br />
Akzeptanz deren Nichterfüllbarkeit, <strong>die</strong> von einer anderen,<br />
neuen Lebens<strong>zu</strong>stimmung getragen wird<br />
1. Was heisst „Suche nach Glück“ unter den Bedingungen<br />
der aktuellen Zeit?<br />
Im Zusammenhang meiner therapeutischen Arbeit wird<br />
<strong>zu</strong>nehmend deutlich, dass insbesondere bei jungen<br />
Menschen <strong>die</strong> Suche nach Glück in erster Linie eine<br />
Suche nach Sicherheit ihres eigenen Ich und ihres Lebenswertes<br />
ist. Eine große Verunsicherung steht hinter<br />
der Frage, <strong>die</strong> immer wieder gestellt wird: Wer bin ich<br />
tatsächlich, wohin und <strong>zu</strong> wem gehöre ich, wie kann<br />
ich erfahren und wissen, was mein Lebenswert ist? Es<br />
geht letztlich um <strong>die</strong> zentrale Frage nach der Identität<br />
sowie nach der Übereinstimmung von Identität und Individualität,<br />
d.h. um <strong>die</strong> Frage nach dem Daseinswert<br />
und Lebenswert des eigenen Ich in seiner Besonderheit.<br />
Vielfältige Familienzerwürfnisse, Migration und<br />
Flucht, <strong>die</strong> mangelnde Zeit Erwachsener <strong>für</strong> Kinder, <strong>zu</strong><br />
116 FOCUS MUL 24, Heft 2 (2007)