12 Die Bundeswehr März 2011Alle reden von Attraktivität,niemand aber von den zeitlichenBelastungen der Soldatinnenund Soldaten. Seit Jahren fordertder <strong>DBwV</strong> eine den Beamtenvergleichbare Arbeitszeitregelungfür Soldaten, also eine von der Bundesregierungin Kraft zu setzende„Verordnung über die Arbeitszeit derSoldatinnen und Soldaten“ (AZVSold).Die Angst vor einer solchen Verordnungmuss grenzenlos sein.Offenbar glaubt man, dass mit einersolchen Verordnung der Dienst in denStreitkräften sowie der Auftrag derBundeswehr undurchführbar würden.Bei Nachfragen wird stets auf diebesonderen dienstlichen Eigentümlichkeitender Streitkräfte verwiesen,die es erforderlich machen, Soldatenjederzeit und überall zu Diensten einteilenzu müssen. Dass die „Arbeitszeitverordnungfür Beamtinnen undBeamte des Bundes“ (AZV) mit denbesonderen Eigentümlichkeiten desDienstes und des Auftrags fürbestimmte Beamte vereinbar ist undAusnahmen möglich sind, beweist §15 der Verordnung.Was übrigens für die Bundespolizeizulässig ist, sollte auch für dieStreitkräfte möglich sein: § 11 desBundespolizeibeamtengesetzesregelt, dass „bei Einsätzen und beiÜbungen von Verbänden, Einheitenoder Teileinheiten der Bundespolizeivon einer Dauer von mehr alsVerbandspolitikWo <strong>bleibt</strong> die Arbeitszeitverordnung für Soldaten?Im vergangenen Jahr wurde vielüber Soldaten gesprochen, dieunter posttraumatischen Belastungsstörungenleiden. Das ist gutso. Eine Gruppe von Kameraden abersoll nicht vergessen werden, dieschon jahrzehntelang mit ähnlichenSchwierigkeiten in Wehrdienstbeschädigungsverfahrenkämpfen.Ob es um die Beweislastverteilungund damit um die Schwierigkeitder Antragsteller geht, ein jahrelangzurückliegendes Ereignis rechtswirksamzu beweisen, oder um denBeweis des Zusammenhangs zwischenDienst und Erkrankung – denradargeschädigten Soldaten sind diesejuristischen und tatsächlichen Problemeleider bestens bekannt.Im Oktober 2010 hat der <strong>DBwV</strong>in einem Symposium unter Teilnahmevon Vertretern des Bundes zurUnterstützung Radargeschädigtereinem Tag anstelle einer Dienstbefreiungnach den §§ 87 und 88 desBundesbeamtengesetzes ein einheitlicherFreizeitausgleich festgesetztwird, der die Dauer des Einsatzesoder der Übung und die damitverbundene dienstliche Beanspruchungangemessen berücksichtigenmuss. Die Entscheidung trifft derBundesminister des Innern oder dievon ihm bestimmte Dienststelle.Der Freizeitausgleich soll gewährtwerden, sobald die dienstlichenVerhältnisse es zulassen, möglichstinnerhalb von drei Monaten.“ Auchdas EU-Recht ist kein Hinderungsgrundfür eine AZVSold, wie imVerbandsmagazin mehrfach berichtet.In den vielen Verbänden, Dienststellen,Ämtern und Kommandobehörden,in denen auch die Soldatendurch Teilhabe an den Gleitzeitregelungender Arbeitszeitverordnung fürBeamte unterliegen, läuft die Arbeitauch reibungslos. Insofern sollte eskeine rechtlichen Schwierigkeitenbereiten, für die Soldaten, die nichtden Gleitzeitregeln unterliegen, eineArbeitszeitverordnung zu schaffen.Wer sich am Begriff „Arbeitszeit“im Zusammenhang mit demDienst als Soldatin oder Soldat stört,dem sei ein Blick in andere gesetzlicheRegelungen empfohlen. So lautetdie Überschrift des Abschnitts 3 desSoldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes:„Vereinbarkeit von(BzUR), der Gesellschaftfür Strahlenschutz,des Wehrbeauftragten,einesMitgliedes der ehemaligenRadarkommissionund einesBundestagsabgeordnetendie vielseitigenProbleme unterBerücksichtigungjuristischer undmedizinischerAspekte diskutiert.Als Ergebnis wurdeein gemeinsamesweiteres Vorgehenzur Klärung noch nicht entschiedenermedizinischer und juristischerFragen beschlossen.Als verantwortlicher Mandatsträgerhat Herr Meyer am 14. DezemberSeite an Seite mit Vertretern desBzUR Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zu dieserThematik vorgetragen. DasGespräch sei „ein kleiner Hoffnungsschimmer“gewesen, sagte der Vorsitzendedes BzUR, Peter Rasch.Familie und Dienst in den Streitkräften.“Der erste Paragraf diesesAbschnittes (§ 12) fordert „FamiliengerechteArbeitszeiten und Rahmenbedingungen“.Eine fehlende Arbeitszeitverordnungfür Soldaten kann sich auchnegativ auf die Teilzeitarbeit auswirken(bei der noch immer keinegesetzlich geforderten Arbeitszeitmodellevorliegen): In einer Einheitwird man mit 23 Stunden Wochenarbeitszeitmit 50 Prozent der Besoldungbezahlt, in einer anderen mussman für 50 Prozent Besoldung nur 20Wochenstunden leisten.Wer nicht A wie Arbeitszeitverordnungfür Soldaten sagt, kann dannnatürlich auch nicht B wie Bezahlungsagen. Ein Leutnant, der mehr arbeitet,erhält für jede Stunde Mehrarbeitrund 2,60 Euro, der Regierungsinspektordagegen 17,43 Euro.Unnötig, darauf aufmerksam zumachen, dass beide nach der BesoldungsgruppeA 09 besoldet werden.Auch hier fordert der <strong>DBwV</strong> seit Jahrendie Angleichung der Vergütungssätze,wobei allerdings der unmittelbareVergleich zwischen den Vergütungssätzenschwierig ist.Wie bekannt, enthalten die Vergütungssätzefür Soldatinnen undSoldaten auch Arbeitszeiten, die mitder Grundbesoldung als abgegoltenanzusehen sind. Die Vergütungssätzefür Bundesbeamte hingegen sindreine Stundensätze (wobei anzumerkenist, dass erst ab der sechstenÜberstunde im Monat ein Anspruchauf Vergütung erwachsen kann).Aus dem Grund muss bei einerAZVSold auch die Berechnung derzu vergütenden Mehrarbeit umgestaltetwerden. Nichts spricht dagegen,§ 50a des Bundesbesoldungsgesetzes(BBesG) zu streichen unddie Rechtsgrundlage für dieGewährung einer Mehrarbeitsvergütungin einen gesonderten Absatzdes § 48 BBesG aufzunehmen, derdie allgemein gefasste Überschrift„Mehrarbeitsvergütung“ trägt.Wie im Übrigen die Spatzen vonden Dächern pfeifen, soll im Attraktivitätspaketdes BMVg zumindesteine spürbare Anhebung der jetzigenBeträge ins Auge gefasst wordensein. Wenn man bedenkt, dass dieBeträge der Mehrarbeitsvergütungfür Beamtinnen und Beamte jeweilsmit den Besoldungsanpassungenangehoben werden, die Beträge fürdie Soldaten seit 1. Januar 1996 aberunverändert sind, dann sind dieErwartungen unserer Mitglieder entsprechend.Nur am Rande: Letztmals wurdeder <strong>DBwV</strong> im Jahr 2006 vom BMVgin Kenntnis gesetzt, dass eine Novellierungdes Erlasses über den Ausgleichbesonderer zeitlicher Belastungder Soldaten „so gut wie veröffentlichungsreif“sei. Die Veröffentlichungdürfte nach dieser langen Zeitüberreif sein.hdsRadargeschädigte erhalten konzertierte Hilfe<strong>DBwV</strong> und BzUR kämpfen gemeinsam für die Rechte der BetroffenenSoldaten, die einst an Radargeräten gearbeitethaben, sind schwer erkrankt.Weiterhin wird der <strong>DBwV</strong> sichdirekt an das zuständige Referat desBMVg wenden, um eine gemeinsameLösung zu finden. Fachleute sollenhelfen, Fragen und Stellungnahmenzusammenzutragen. Das gemeinsameVorgehen mit dem BzURist allen Beteiligten eine große Hilfe.Es <strong>bleibt</strong> abzuwarten, ob dieUmstrukturierung der Bundeswehrhinderlich oder förderlich für derartigeAnliegen sein wird und ob diegroße mediale Aufmerksamkeit inden vergangenen Monaten, die inBezug auf die Fürsorgepflicht desDienstherrn herrscht, sich positiv aufmögliche Entscheidungen desBMVg auswirkt. Was nicht abgewartetwird, sind Planung und Durchführungweiterer Maßnahmen des<strong>DBwV</strong>, um seinen radargeschädigtenMitgliedern bestmöglich zu helfen.Alexander SanneFoto: Archiv
Zwischenruf Die Bundeswehr März 2011 13Oberstleutnant Thomas Sohst,Vorsitzenderdes Landesverbandes WestZwischenrufGebäudesanierungDie Bundeswehr stelle ich mir vor wieein fünfstöckiges Gebäude, gebaut imJahre 1956 mit dem ein oder anderenAnbau. Manche Räume stehen leer, anderesind wegen Baufälligkeit gesperrt. Hier und daist erkennbar, dass Verschönerungsarbeitendurchgeführt wurden. Aber ich werde dasGefühl nicht los: Die Substanz ist marode. Eswurde vermutlich zu lange von der Substanzgelebt. Die Statik stimmt einfach nicht mehr.Es zieht durch Fenster und Türen.Die Menschen, die in diesem Gebäudearbeiten, bemühen sich, das Beste zu geben.Manche setzen ihr Leben aufs Spiel, wenn Sieaußerhalb des Gebäudes ihren Dienst versehen.Aber Frust und Enttäuschung nehmen zu.Da wird an die Kanzlerin geschrieben –zunächst zum Thema Wehrpflicht: „Wie wirddie Reduzierung auf sechs Monate begründet?“– keine Antwort! Dann schreiben120000 Mitarbeiter und prangern an, dass dasfür den 1. Januar 2011 versprochene Weihnachtsgeldgestrichen wird – keine Antwort!So erleben Soldaten und zivile Mitarbeiterdas freundliche Desinteresse hautnah. Wohersollten sie den Mut und die Zuversicht nehmen,den Umbau des Gebäudes fröhlich anzupacken?Der Deutsche BundeswehrVerband prüft,ob mit einer Klage auf amtsangemessene Alimentierungnach Artikel 33(5) Grundgesetzoder mit einer weiteren Petition der Ignoranzentgegengetreten werden kann. Denn es mögekeiner glauben, dass die Mitarbeiter aufgeben.Soldatinnen und Soldaten sind Staatsbürgerin Uniform, die von den durch die Bürgergewählten Politikern – von der Bundesregierungund dem Deutscher Bundestag – in dieEinsätze geschickt werden. Aber sie habenRechte. Die Möglichkeit mit Postkarten zuprotestieren war da nur ein Möglichkeit.Sie sind motiviert eine Renovierung desGebäudes Bundeswehr von Grund auf durchzuführen,wissend, dass umgezogen werdenmuss und nicht jeder ein Dienstzimmer in demneuen Gebäude erhalten wird.Wer aber ab dem Jahre 2015 sparen will,der muss ab dem Jahr 2012 investieren (eigentlichab sofort!).Es muss investiert werden in den Bestand,denn ein kompletter Neubau ist bei der Auftragslagenicht möglich. Es muss investiertwerden in die neuen Mitarbeiter, denn <strong>ohne</strong> siewird das neue Haus nicht betrieben werdenkönnen.Jeder Hausbesitzer weiß: Zunächst muss ineine energetische Sanierung investiert werden,bevor man Heizkosten sparen kann.Bei der Bundeswehr ist es vergleichbar!Bundeskanzlerin, Finanzminister und die Mitgliederdes Haushaltsausschusses scheinendas nicht zu wissen. Warum sonst gibt es keinerkennbares Signal an die Bew<strong>ohne</strong>r im HausBundeswehr. Wir brauchen das Signal, um mitMut (und ein wenig Spaß) die Pläne der Sanierungumzusetzen!Der Verteidigungsminister hatte auf derGrundlage des Berichtes des Generalinspekteurs163500 Soldatinnen und Soldaten alsoperatives Minimum an die Regierung gemeldet.Aus der Regierung und den sie tragendenParteien wurden 185000 gefordert. Wer mehrwill, muss sagen, woher das Geld kommt.Dies zur alleinigen Aufgabe des Verteidigungsministerszu machen, ist unfair. Hiermüssen diejenigen, die das Mehr geforderthaben, selbst zur Kasse treten. Wer bestellt,muss zahlen!Für den Umbau wurde eine Anschubfinanzierunggefordert. Diejenigen, die schonim Jahre 2000 in dem Gebäude Bundeswehrgearbeitet haben, können sich daran erinnern:Die Weizsäcker-Kommission hatte dieseAnschubfinanzierung gefordert. Leider wurdesie nicht realisiert. Es wurde von der Substanzgelebt, mit dem bekannten Ergebnis.Wir befürchten, dass der Fehler erneutgemacht wird. Die Konsequenzen wären fatal.Vor zehn Jahren war da noch Substanz. Heuteist das Gebäude in weiten Teilen marode. DieSubstanz stellen die Mitarbeiter dar, die sichbemühen, das Gebäude zusammenzuhalten.Das wird nicht gut gehen.Die Sanierung beginnt bei der Hausverwaltung,die sich im 5. Stock befindet. Das istgut. Der Dreck, den ein Umbau mit sich bringt,wird dann nicht immer durch die frisch saniertenEtagen getragen.Eine Befürchtung treibt die Mitarbeiterum: Das Geld ist nach der Sanierung der 4. und5. Etage aufgebraucht. Und dann könnte espassieren, dass der renovierte Teil durch denmaroden Teil ungebremst nach unten schießt.Es darf nicht so weit kommen! Das Vertrauen,dass es gut gehen wird, muss schnellaufgebaut werden. Die Anzahl der soldatischenund zivilen Mitarbeiter, die den Weg derReform mit dem Minister mitgehen wollen,nimmt ab – von Tag zu Tag. Dazu tragen diefehlenden Signale aus der Regierung und demDeutschen Bundestag bei. Es besteht dringenderHandlungsbedarf. Sonst gibt es irgendwannnichts mehr zu reformieren. Und daswäre nicht gut für die Sicherheit Deutschlands– schreibt ein Staatsbürger in Uniform, dersich dieser Sicherheit verpflichtet fühlt, derdeshalb Soldat geworden ist.