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Partnering bleibt ohne Alternative - DBwV

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Interview Die Bundeswehr März 2011 7inzwischen erwiesen, dass dieser afghanischeSoldat, der drei unserer Soldaten getötet und achtverwundet hat, seit fast zwei Jahren Soldat warund bisher nicht auffällig geworden war. Trotzdemgibt es zum <strong>Partnering</strong> keine <strong>Alternative</strong> mitBlick auf die Entwicklung der afghanischenSicherheitskräfte, auch wenn ein solcher Zwischenfallzu tiefem Misstrauen führt. Das ist keingroßer Trost für die Angehörigen der Gefallenenund die Verwundeten und ihre Angehörigen,denen meine aufrichtige Anteilnahme gilt.Die Bundeswehr: Das jetzt verlängerte Mandatdes Bundestages verbindet eine mögliche Reduzierungdeutscher Truppen eng mit der Sicherheitslage.Wie sehen Sie die Perspektiven?General a.D. Ramms: Ein komplexes Thema,eine komplexe Frage. Barack Obama hat in seinerRede am 1. Dezember 2009 in West Pointüber den Aufwuchs der amerikanischen Truppenallgemein gesprochen. Er hat dann gesagt, dassman unter bestimmten Bedingungen und Voraussetzungenab dem 1. Juli 2011 über die Übergabeder Verantwortung und in deren Folge übereine Rücknahme der Kräfte sprechen kann. Dasist in Deutschland so interpretiert worden, alsbeginne der Abzug am 1. Juli 2011. Doch so hatder Präsident das nicht gesagt. Zweite Anmerkungzu diesem Thema: Die Kommandeure,zuerst McChrystal und danach auch Petraeus,haben immer wieder intensiv betont, dass einAusdünnen in bestimmten Provinzen zunächstzur Folge hat, dass die freigesetzten Kräfte ananderen Stellen eingesetzt werden. Und das kannich nur nachdrücklich unterstützen. Diese jetzigeDiskussion ist ein bisschen aus der Luftgegriffen und sie ist auch gefährlich. Wenn wirsehen, dass wir heute 120 Distrikte in diesemLand einigermaßen unter Kontrolle haben, müssenwir uns auf der anderen Seite im Klaren sein,dass wir 250 bis 260 Distrikte nach wie vor nichtunter Kontrolle haben. Dort ist es nicht überallgefährlich, dort wird nicht überall gekämpft.Dort müssen wir aber hinein mit den afghanischenSicherheitskräften. Und deswegen benötigenwir die Kräfte, die woanders frei werden. Dasheißt, Abzugsdiskussionen mit dem Datum 1.Juli 2011 gehen nach meiner Auffassung in diefalsche Richtung. Sie sind innenpolitisch gefährlich,weil man der Bevölkerung ein falsches Bildgibt und die Menschen im Jahre 2012 fragen werden,wo die deutschen Soldaten sind, die abgezogenwerden. So wird <strong>ohne</strong> Not eine Erwartungshaltungin Deutschland geschürt, die nichtzu halten ist. Normalerweise unterschreibt keinSoldat einen Scheck auf solche ungeklärten Rahmenbedingungen.Die Bundeswehr: Schätzt die Bundesregierungdie Lage richtig ein?General a.D. Ramms: Ob die Bundesregierungeine realistische Einschätzung der Lage vornimmt,vermag ich nicht zu sagen. Die Lageeinschätzungvon Seiten der NATO zusammen mitder afghanischen Regierung wird jedoch realistischsein. Sie wird sich auf den tatsächlichgeschaffenen Bedingungen abstützen und dannauch entsprechende Empfehlungen enthalten fürbestimmte Provinzen und bestimmte Distrikte.Zur Erinnerung: Das mit der afghanischenRegierung abgestimmte Konzept, dem auch dieNATO auf dem Gipfel in Lissabon zugestimmthat, sieht vor, dass eine mögliche Übergabe vonunten auf der Distriktebene beginnt und bei denProvinzen fortgesetzt wird. Diese Prozesse nehmenZeit in Anspruch. Ich glaube, dass wir jetzteiner sehr wichtigen Phase entgegensehen. Siewissen, dass wir immer eine Kampfpause hattenin der Winterzeit. Viele Talibanführer aus Afghanistanhaben sich in die Ruhephase nach Pakistanzurückgezogen, was natürlich Fragen nach unserenEinflussmöglichkeiten in Pakistan aufwirft.In jedem Fall wird die Ruhephase in Afghanistanim März, April, Mai in Sommeraktivitätenumschlagen. Erst dann können wir beurteilen, obdie Maßnahmen, die wir in Afghanistan getroffenhaben, tatsächlich greifen mit Blick auf dieZahl der getöteten und verwundeten Soldaten.Die Bundeswehr: Einige Beobachter verkündenja schon die Trendwende ...General a.D. Ramms: Wie schon erwähnt, müssenwir mit der entsprechenden Analyse bisJuni/Juli abwarten. Es wird sicherlich weitereAktivitäten in Kandahar und Helmand geben, eswird andere Regionen geben, wo die Aktivitätsinkt. Wir müssen auf die Gesamtergebnisseschauen. Dann lässt sich womöglich absehen,dass die Gewalt abnimmt. Soldaten leben normalerweisenicht nach dem Prinzip Hoffnung,doch ich hoffe, dass die in Afghanistan ergriffenenMaßnahmen, sowohl von der militärischenals auch von der zivilen Seite, sich dann tatsächlichpositiv auswirken werden und die besagteTrendwende im Jahre 2011 kommt.Die Bundeswehr: Gerade von der zivilen Seitekönnten die Anstrengungen ein wenig größersein, oder?General a.D. Ramms: Sie kennen meinenberühmten Satz: Der militärische Anteil macht20 bis 25 Prozent aus, der zivile Anteil für Afghanistanliegt bei 75 bis 80 Prozent. Zu dieser Aussagestehe ich nach wie vor. Der Anteil derSicherheit, für den wir sorgen, ist der kleinereTeil. Der größere Teil ist alles, was sich auf diezivile Bevölkerung richtet, was Vertrauen schafftfür die afghanische Regierung. Das heißt, wirreden über Drogenhandel, wir reden über Korruption,wir reden über Kriminalität, wir redenüber die Mängellage. All diese Faktoren spielenin der schwierigen Lage eine Rolle. Wir redendazu über den Aufbau der afghanischen Justiz,wir reden über afghanische Vollstreckungsbehörden.Denn was nutzt Justiz, wenn Sie keineGefängnisse haben, um jemanden bestrafen zukönnen, der rechtmäßig verurteilt worden ist.Dieser große Komplex hängt dahinter. Von derVerwaltung in Afghanistan müssen wir gar nichterst reden. Für mich war eine der interessantestenErkenntnisse im vergangenen Jahr, dass in einerGesamtoperation wie in Helmand der Verwaltungsaufbaumit geplant war, aber erst sehr spätoder an einigen Stellen gar nicht durchgeführtwerden konnte. Grund: Die afghanischen Verwaltungsbeamtenhaben gefehlt. Die warenschlicht und einfach nicht da, obwohl die Stelleneingerichtet waren. Und da sage ich: Sie könnendas Gesicht des afghanischen Oberregierungsratesnicht durch den amerikanischen, britischenoder französischen Oberstleutnant ersetzen.Die Bundeswehr: An welchen Kriterien könnteman eine Verbesserung der Situation festmachen?General a.D. Ramms: Hier gibt es harte und weicheFaktoren. Zu den harten Faktoren gehört dieZahl der Sicherheitskräfte, die in einer Provinzvorhanden und ausgebildet worden sind. Das isteine Zahl, die können Sie messen. Die weichenFaktoren kommen dazu, etwa die Frage: Wie könnenSie diese Sicherheitskräfte einsetzen? Dassind Dinge, die bewertet werden müssen durcheine entsprechende Beurteilung der <strong>Partnering</strong>-Einheiten, die mit diesen Sicherheitskräftenzusammenarbeiten. Dazu kommt ein anderer sehrwichtiger Faktor, nach meiner Auffassung einweicher: Wie werden diese afghanischen Sicherheitskräftevon der afghanischen Bevölkerungakzeptiert? Die afghanische Bevölkerung mussmit diesen Sicherheitskräften leben, muss das Vertrauenhaben, sich an diese zu wenden. Das klapptnicht, wenn Dinge passieren wie im vergangenenJahr in der Helmand-Operation. Dort habenafghanische Polizisten, in ihre Funktion wiedereingesetzt, als erstes illegale Checkpoints aufgemachtund anschließend bei der Bevölkerungabkassiert. So entsteht kein Vertrauen. Das heißt,es gibt zahlreiche Dinge, die gesehen, bewertetund beurteilt werden können. Sie stellen einen Teilder Analyse dar und werden von anderen Faktorenwie Wirtschaftskraft, Lebensmittel- und Stromversorgungoder Funktionsfähigkeit der Justizergänzt. Dann kann man entscheiden, welche Provinzenund Distrikte übergeben werden können.Die Bundeswehr: Gibt es Distrikte, wo das funktioniert?General a.D. Ramms: Es gibt sogar Provinzen,wo das funktioniert. Ich bin im Jahr 2009 in derProvinz Panjshir gewesen, ich war von den dortigenZuständen begeistert. Wir sind fest etabliert.Dort gibt es ein amerikanisches PRT, das sehr engmit afghanischen Sicherheitskräften zusammenarbeitet.In dieser Provinz können Sie herumlaufen<strong>ohne</strong> Stahlhelm, <strong>ohne</strong> Schutzweste und dergleichen.Die amerikanischen Soldaten tragenihre meist kurzläufigen Waffen verdeckt. Dasheißt, sie laufen nicht voll bewaffnet rum, wie wirdas von amerikanischen Soldaten gewohnt sind.Sie arbeiten mit Sicherheitskräften, dem Gouverneurder Provinz und mit den Gouverneuren derDistrikte zusammen. Das wäre ein Beispiel, woman sagen könnte: Diese Provinz könnte auf einenSchlag übergeben werden, die amerikanischenSoldaten könnten in einer anderen Provinz für einPRT genutzt werden. Das Panjshirtal ist ein TeilAfghanistans, der nicht von Paschtunen bewohntwird und wo die Panjshirs selbst darauf achten,dass die Paschtunen und die Taliban nicht in ihreRegion einsickern. Hier gibt es eine Art nichtoffizielleBürgerwehr, die mit afghanischen Sicherheitskräftenzusammenarbeitet, und das Musterfunktioniert hier. Dieses Muster wollen wir versuchen,auf andere Provinzen zu übertragen, abermit der nötigen Vorsicht.Die Bundeswehr:Was kann die NATO tun, wennTaliban versuchen, in eigentlich befriedetenRegionen wieder Fuß zu fassen?General a.D. Ramms: Das ist ein sehr guterPunkt, der anschaulich macht, warum man dieAussagen über einen Abzug zwischen 2011 und

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