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26 Die Bundeswehr März 2011Oberfeldwebel Tanja M. war Kommandantindes Fahrzeuges, das am 15. April 2010von einer Panzerfaust (RPG) bei Baghlangetroffen wurde. Bei dem Anschlag wurde OberstabsarztDr. Thomas Broer getötet, der sich imhinteren Teil des geschützten Sanitätsfahrzeugesvom Typ Yak befunden hat.Oberfeldwebel Tanja M. ist in Masar i-Sharifeingesetzt. Sie ist Rettungsassistentin und Kommandantindes beweglichen Arzttrupps. Es ist ihrvierter Auslandseinsatz. In den Jahren 2007 und2008 war sie bereits in Afghanistan. Im April2010 fährt die 37-Jährige in die Nähe von Baghlan,in die so genannte Forward Operating Base(FOB). Ihr Auftrag ist es, zusammen mit denanderen Sanitätskräften vor Ort, die medizinischeGrundversorgung für die Soldatinnen und Soldatenbereit zu stellen. Sie richtet sich gerade imLager ein, als sie die Information erhält, dass esin der Nähe einen Anschlag auf ein OperationalMentor and Liaison Team (OMLT) der Bundeswehr,vermutlich mit Toten und Verwundeten,gegeben hat. Oberfeldwebel M. bereitet das Fahrzeugfür die Verwundetenversorgung vor. Innerhalbkürzester Zeit rücken mehrere Fahrzeugeaus, um an den Ort des Anschlages zu gelangen.Tanja M. gliedert sich mit ihrem Yak als vorletztesFahrzeug in die Marschkolonne ein. Sie sitztneben dem Kraftfahrer, einem Oberstabsgefreiten.Der Arzt hat im Innenraum des FahrzeugesPlatz genommen.„Ich hatte ein schlechtes, ein mulmigesGefühl. Es war eine Art Vorahnung“, beschreibtdie Soldatin ihre Gefühle beim Verlassen derFOB. Dennoch beruhigt sie als einsatzerfahreneKommandantin Arzt und Fahrer. „Ich habe versucht,eine gewisse Ruhe auszustrahlen, dennjeder war etwas nervös.“ Oberfeldwebel M. undihr Kraftfahrer sind angespannt, aber ruhig. Siebeobachten, was links und rechts der Straße passiertund geben die Information von Zeit zu Zeitan den Arzt im Innenraum über die Wechselsprechanlageweiter. Die Rettungsassistentinbemerkt, dass die Straßen leerer werden. DerKraftfahrer beobachtet eine Person, die offenkundigdie Fahrzeuge der Kolonne zählt und telefoniert.„Über Funk habe ich gehört, dass die vorderenTeile des Konvois beschossen werden unddann habe ich auch schon Mündungsfeuer vonlinks gesehen.“ Die Kolonne versucht der Gefahrzu entkommen und erhöht die Geschwindigkeit.Die Funkverbindung zu den anderen Fahrzeugenwird schlechter und reißt zeitweise ab. „In dieserSituation habe ich nur an das gedacht, was ich inder Vorbereitung auf den Einsatz gelernt habe,Gas geben und schnell weg hier.“ Plötzlichblockieren die Räder des Yaks, mit einer Vollbremsungkommt das Fahrzeug zum Stehen. DerKraftfahrer erkennt, dass der Druck abfällt unddie Feststellbremse zugegangen ist. Das Druckluftsystemist durch den Beschuss beschädigt undleckt. „Wir sind ganz ruhig geblieben und ichhabe dem Kraftfahrer gesagt: Überlege ganzgenau, ob sich die Feststellbremse mittels einerNotentriegelung öffnen lässt. Er hat kurz überlegtund dann Nein gesagt. Ich habe mich gewundert,wie ruhig wir geblieben sind.“ Sie entschließtSanitätsdienst„Der Anschlag hat etwas in mir verändert“„Ich habe mir gesagt, ichmöchte nicht mit meinem Teamhier in diesem Land sterben“sich, mit ihremTeam im Fahrzeugzu bleiben. Sieweiß nicht, ob versteckteLadungenam Straßenrand liegenoder mit weiteremBeschuss vonrechts zu rechnenist. „Das Fahrzeugist geschützt undwir wurden laufendbeschossen. Das istwie Hagel an derOberfeldwebel Tanja M.Scheibe einesAutos.“Kurze Zeit später hört Oberfeldwebel M. eindumpfes Geräusch. „Es war nicht sehr laut, oderaber ich habe es nicht als laut empfunden, weil ichvoll mit Adrenalin war. In diesem Moment habeich nicht wirklich realisiert, dass eine Granateunser Fahrzeug getroffen hat.“ Es sind Minuten,in denen die Kommandantin und der KraftfahrerTodesängste durchleiden: „Ich habe mir gesagt,ich möchte nicht mit meinem Team hier in diesemLand sterben und ich hoffe, dass ich Kameradenhabe, die uns gleich hier rausholen.“Die Verbindung in den Innenraum des Fahrzeugeskommt nicht mehr zustande. OberfeldwebelM. ahnt, dass etwas Schlimmes passiert seinkönnte. Doch sie hat auch noch Hoffnung undredet sich ein, es könne ein technischer Defektvorliegen. Sie nimmt einen Funkspruch vom hinterenFahrzeug, einem Transportpanzer vom TypFuchs auf: „Mädel, mach dir keine Sorgen, wirschieben dich gleich hier raus. Haltet euch gutfest.“ Tanja M. sieht, wie die Aufständischen eingenebeltwerden und spürt, wie der Fuchs sie mitvoller Wucht aus der Gefahrenzone manövriert.Der Fuchs stellt sich schließlich neben dasSanitätsfahrzeug und bietet somit einen gewissenSchutz. Per Handzeichen werden der Kraftfahrerund Oberfeldwebel M. aufgefordert, in den Fuchseinzusteigen. Zeitgleich unterstützen schwedischeKameraden, die per Funk alarmiert wurden.„Der Arzt ist noch im Innenraum“, sagt OberfeldwebelM.. Die Tür des Yaks wird geöffnet undden Soldaten schlagen Flammen entgegen. Sieerkennen sehr schnell: „Der Doktor ist tot.“ DieFahrt im Fuchs vergleicht Oberfeldwebel M. miteinem schlechten Kriegsfilm: „Wir haben Munitionnach oben gegeben, und die Granatpistolenfertig geladen. Ich hatte eine Platzwunde auf demNasenrücken, was ich aufgrund des Adrenalins inmeinem Blut nicht gespürt habe. Jemand hatmich getröstet, weil der Arzt tot ist. Es war gelebteKameradschaft.“Der Konvoi fährt eine alte Polizeistation in derNähe des Anschlages an, die Schutz bietet. Auchdie OMLT-Soldaten, denen Oberfeldwebel M.und der Konvoi zu Hilfe eilen wollten, sammelnsich in diesem Lager. Hier ist Tanja M. erst einmalfassungslos. Im ersten Moment will sie esnicht wahrhaben, was passiert ist. Das Fahrzeugwird wenige Stunden später von amerikanischenSpezialeinheiten ins Lager gebracht. Die Soldatinmöchte das Fahrzeug und die sterblichenÜberreste des Arztes nicht sehen. „Ich wollte Ihnso in Erinnerung behalten, wie er in das Fahrzeuggestiegen ist.“ Ihre Ausrüstung und die des Oberstabsgefreitenwerden von Kameraden aus demFahrzeug genommen.Am nächsten Tag wird die Rückverlegungnach Kundus organisiert. „Das war die schlimmsteFahrt meines Lebens, denn mein Kraftfahrerund ich saßen ausgerechnet auf den Plätzen vonzwei gefallenen OMLT Soldaten.“ Es gibt Angebote,über das Erlebte zu sprechen. Doch in denersten Tagen möchte die Rettungsassistentin ersteinmal in Ruhe gelassen werden und den Verarbeitungsprozessselbst beginnen. In dieser Phaserücken die Kameraden, die diese Situation miterlebthaben, enger zusammen. Der Einsatz gehtnach dem Anschlag normal weiter. OberfeldwebelM. möchte aber nicht mehr auf Patrouille fahrenund wird zur Rufbereitschaft eingeteilt. Siebeendet den Einsatz sechs Wochen vor demregulären Ende.„Ich glaube, dass ich alles gut verarbeitethabe, was auch damit zusammenhängt, dass ichfrühzeitig nach Hause gegangen bin, mein sozialesUmfeld stimmt, und meine Familie und meinFreund für mich da sind.“ Der Kontakt in den Einsatzist nicht abgerissen und es haben auch nocheinige Gespräche stattgefunden. „Ich bin froh,dass ich eine Kameradin habe, die schon zumzweiten Mal mit mir im Einsatz war, mit der ichüber alles sprechen kann und die jederzeit fürmich da ist.“Oberfeldwebel Tanja M. wird nach ihrerRückkehr wieder bei der Sanitätsstaffel Frankenberg/Ederals Rettungsassistentin eingesetzt.Dort ist sie schwerpunktmäßig für die Ausbildungzuständig. Mittlerweile kann die 37-Jährigeoffen über den Anschlag reden. OberfeldwebelTanja M. hätte sich von ihren Vorgesetzten mehrVerständnis und Fürsorge nach ihren Erlebnissengewünscht. Verbesserungspotential sieht die Soldatinauch bei den Präventivkuren. „Hier mussdie psychologische Betreuung aus meiner Sichtverbessert werden.“ Mit ihrem Kraftfahrer ist sieweiterhin in Verbindung. Beide wären bereit, mitden Angehörigen des gefallenen Arztes zu sprechen,sofern der Wunsch hierzu besteht. Bisher istaber noch kein Kontakt zustande gekommen.„Der Anschlag hat etwas in mir verändert“,resümiert die Soldatin. „Ich würde nochmals inden Einsatz gehen, dann aber in einer Funktion,die hauptsächlich im Lager ist. Einen Anschlagmuss ich nicht noch mal erleben.“ Derzeit durchlebtOberfeldwebel Tanja M. wieder eine angespannteSituation. Ihr Freund, auch ein Bundeswehrsoldat,ist in Afghanistan. „Ich weiß, wie ersich fühlt. Er ist so unbeschwert, wie ich vor demAnschlag. Doch ich bin etwas beunruhigt.“PIZ Sanitätsdienst

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