<strong>Trans*</strong> <strong>Mens<strong>ch</strong>en</strong> <strong>und</strong> <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong>Eins<strong>ch</strong>ränkung nur dur<strong>ch</strong> physis<strong>ch</strong>e Massnahmen behandeln lässt. Darüber hinaus geht dieMedizin mit dem ICD-10-Klassifizierungssystem heute immer no<strong>ch</strong> von einem di<strong>ch</strong>otomenGes<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>termodell aus, wel<strong>ch</strong>es jedo<strong>ch</strong> in der Realität ni<strong>ch</strong>t der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Diversitätentspri<strong>ch</strong>t.Amerikanis<strong>ch</strong>e Psy<strong>ch</strong>iater veröffentli<strong>ch</strong>ten im Jahre 1952 das erste Mal eine den ICDergänzende Klassifikation von psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en ‚Störungen‘: Das DSM (Diagnostic and StatisticalManual of Mental Disorders). Dieses ist mittlerweile weltweit im Gebrau<strong>ch</strong> <strong>und</strong> wird dauerndaktualisiert. Als Ergänzung des ICD-10-Klassifizierungssystems wird im na<strong>ch</strong>folgendenUnterkapitel <strong>Trans*</strong> im DSM-IV-TR-Klassifizierungssystem dargestellt (vgl. DSM-IV, 2000).2.1.2. DSM-IV-TRIn Amerika ist ein weiteres Klassifikationssystem der American Psy<strong>ch</strong>iatric Association(Amerikanis<strong>ch</strong>e psy<strong>ch</strong>iatris<strong>ch</strong>e Vereinigung) entstanden, wel<strong>ch</strong>es oft au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weizvon Psy<strong>ch</strong>iatern für Diagnosen ergänzend zum ICD-10 verwendet wird: DSM-IV-TR(Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Textrevision 2000). Der DSM-IV-TRenthält speziellere <strong>und</strong> genauere diagnostis<strong>ch</strong>e Kriterien <strong>und</strong> berücksi<strong>ch</strong>tigtges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsspezifis<strong>ch</strong>e Unters<strong>ch</strong>iede (vgl. DSM-IV, 2000).Im DSM-IV-TR (1994) wird auf diagnostis<strong>ch</strong>e Merkmale, Zusatzcodierungen,Codierungsregeln, zugehörige Merkmale <strong>und</strong> Störungen, besondere Alters- <strong>und</strong>Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsmerkmale, die Prävalenz, den Verlauf <strong>und</strong> Differentialdiagnosen bei denGes<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsidentitätsdiagnosen eingegangen (vgl. S. 636 – 642).Unter ‚Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsidentitätsstörung‘ befinden si<strong>ch</strong> im DSM-IV-TR folgende diagnostis<strong>ch</strong>eMerkmale:Diagnostis<strong>ch</strong>e Merkmale für Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsidentitätsstörungA. Ein starkes <strong>und</strong> andauerndes Zugehörigkeitsgefühl zum anderen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t (d.h. ni<strong>ch</strong>tledigli<strong>ch</strong> das Verlangen na<strong>ch</strong> irgendwel<strong>ch</strong>en kulturellen Vorteilen, die als mit derZugehörigkeit zum anderen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t verb<strong>und</strong>en empf<strong>und</strong>en werden.)Bei Kindern manifestiert si<strong>ch</strong> das Störungsbild dur<strong>ch</strong> vier (oder mehr) der folgendenMerkmale:1. Wiederholt geäussertes Verlangen oder Bestehen darauf, dem anderen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tanzugehören.2. Bei Jungen Neigung zum Tragen der Kleidung des anderen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts oder Imitationweibli<strong>ch</strong>er Aufma<strong>ch</strong>ung; bei Mäd<strong>ch</strong>en das Bestehen darauf, nur eine dem männli<strong>ch</strong>enStereotyp entspre<strong>ch</strong>ende Bekleidung zu tragen.3. Starke <strong>und</strong> andauernde Neigung zum Auftreten als Angehöriger des anderenGes<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts in Phantasie- <strong>und</strong> Rollenspielen oder anhaltende Phantasien über dieeigene Zugehörigkeit zum anderen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t.4. Intensives Verlangen na<strong>ch</strong> Teilnahme an Spielen <strong>und</strong> Freizeitbes<strong>ch</strong>äftigungen, die fürdas andere Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t typis<strong>ch</strong> sind.5. Ausgeprägte Bevorzugung von Spielgefährten des anderen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts.Ba<strong>ch</strong>elorarbeit Jack Walker, WS08 Seite 19
<strong>Trans*</strong> <strong>Mens<strong>ch</strong>en</strong> <strong>und</strong> <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong>Bei Jugendli<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> Erwa<strong>ch</strong>senen manifestiert si<strong>ch</strong> das Störungsbild dur<strong>ch</strong> Symptome wiegeäussertes Verlangen na<strong>ch</strong> Zugehörigkeit zum anderen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t, häufiges Auftreten alsAngehöriger des anderen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts, das Verlangen, wie ein Angehöriger des anderenGes<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts zu leben oder behandelt zu werden oder die Überzeugung, die typis<strong>ch</strong>enGefühle <strong>und</strong> Reaktionsweisen des anderen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts aufzuweisen.B. Anhaltendes Unbehagen im Geburtsges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t oder Gefühl der Person, dass dieGes<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsrolle des eigenen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts für sie ni<strong>ch</strong>t die ri<strong>ch</strong>tige ist.Bei Kindern ist das Störungsbild dur<strong>ch</strong> eines der folgenden Merkmale gekennzei<strong>ch</strong>net: BeiJungen die Behauptung, dass der Penis oder die Hoden abstossend seien odervers<strong>ch</strong>winden werden, oder die Behauptung, dass es besser wäre, keinen Penis zu haben,oder eine Aversion gegen Rauf- <strong>und</strong> Tobespiele <strong>und</strong> eine Ablehnung von typis<strong>ch</strong>emJungenspielzeug, Jungenspielen <strong>und</strong> Jungenbes<strong>ch</strong>äftigungen; bei Mäd<strong>ch</strong>en Ablehnung desUrinierens im Sitzen, die Behauptung, dass sie einen Penis haben oder ihnen no<strong>ch</strong> einsol<strong>ch</strong>er wa<strong>ch</strong>sen wird, oder die Behauptung, dass sie keine Brust bekommen mö<strong>ch</strong>ten oderni<strong>ch</strong>t menstruieren mö<strong>ch</strong>ten, oder eine ausgeprägte Aversion gegen normative weibli<strong>ch</strong>eBekleidung.Bei Jugendli<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> Erwa<strong>ch</strong>senen manifestiert si<strong>ch</strong> das Störungsbild dur<strong>ch</strong> Symptome wiedas Eingenommensein von Gedanken darüber, die primären <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>ärenGes<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsteile loszuwerden (z. B. Na<strong>ch</strong>su<strong>ch</strong>en um Hormone, Operationen oder andereMassnahmen, wel<strong>ch</strong>e körperli<strong>ch</strong> die Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsmerkmale so verändern, dass dasAussehen des anderen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts simuliert wird) oder der Glaube, im fals<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tgeboren zu sein.C. Das Störungsbild ist ni<strong>ch</strong>t von einem somatis<strong>ch</strong>en Intersex-Syndrom begleitet.D. Das Störungsbild verursa<strong>ch</strong>t in klinis<strong>ch</strong> bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträ<strong>ch</strong>tigungenin sozialen, berufli<strong>ch</strong>en oder anderen wi<strong>ch</strong>tigen Funktionsberei<strong>ch</strong>en.Codiere basierend auf dem aktuellen Alter:302.6 (F64.2) Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsidentitätsstörung bei Kindern.302.85 (F64.0) Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsidentitätsstörung bei Jugendli<strong>ch</strong>en <strong>und</strong> Erwa<strong>ch</strong>senen.Bestimme, ob (für Personen na<strong>ch</strong> Abs<strong>ch</strong>luss der sexuellen Entwicklung):Sexuelle orientiert auf Männer.Sexuelle orientiert auf Frauen.Sexuell orientiert auf beide Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ter.Sexuell orientiert weder auf Männer no<strong>ch</strong> auf Frauen.Au<strong>ch</strong> bei den Definitionen des DSM-IV-TR zeigt si<strong>ch</strong>, wie au<strong>ch</strong> bei den Definitionen des ICD-10, eine relativ starke Pathologisierung von <strong>Trans*</strong> genauso wie die Annahme einesdi<strong>ch</strong>otomen Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>termodells. Au<strong>ch</strong> hier wird <strong>Trans*</strong> pathologisierend als ‚Störung‘bezei<strong>ch</strong>net <strong>und</strong> es wird von ‚Störungsbildern‘ gespro<strong>ch</strong>en. Darüber hinaus zeigen diediagnostis<strong>ch</strong>en Merkmale sehr prägnant auf, was es bedeutet, als trans* Mens<strong>ch</strong> leben zumüssen. Zudem wird deutli<strong>ch</strong>, dass es si<strong>ch</strong> bei der Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tsidentität ni<strong>ch</strong>t um die Art dersexuellen Orientierung handelt. <strong>Trans*</strong> <strong>Mens<strong>ch</strong>en</strong> können genauso wie alle anderen<strong>Mens<strong>ch</strong>en</strong> hetero-, bi- homo- oder asexuell sein. Eine trans* Frau äussert si<strong>ch</strong> zu diesemThema folgendermassen: „Darum sage i<strong>ch</strong> – <strong>und</strong> dann muss i<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> denen beibringen – eshat ni<strong>ch</strong>ts mit der Sexualität zu tun. Es gibt alles quer dur<strong>ch</strong>, jeder Mens<strong>ch</strong> fühlt anders, jederMens<strong>ch</strong> hat ja seine Sexualität <strong>und</strong> das ist bei uns genau glei<strong>ch</strong>. Es gibt Bisexuelle, es gibtHeterosexuelle, es gibt Lesbis<strong>ch</strong>e, es gibt S<strong>ch</strong>wule.“Ba<strong>ch</strong>elorarbeit Jack Walker, WS08 Seite 20