Schauplätze der Umweltgeschichte - Werkstattbericht - SUB Göttingen
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Die Bedeutung von Schädlingen und Sortenvielfalt<br />
Georg Barth<br />
Im Hinblick auf die Kartoffelfäule und an<strong>der</strong>e Kartoffelschädlinge, wie etwa dem<br />
Kartoffelkäfer, war es sicherlich nur eine Frage <strong>der</strong> Zeit, bis diese über den Seeweg<br />
von den Anden nach Europa gelangten und sich zum Problem für den europäischen<br />
Kartoffelanbau entwickelten. Aber auch <strong>der</strong> Befall durch einheimische Bakterien,<br />
Viren o<strong>der</strong> Pilze führte zu verschiedenen Kartoffelerkrankungen (u.a. Ringfäule,<br />
Kartoffelschorf, Grauschimmelfäule). Angesichts <strong>der</strong> Folgen <strong>der</strong> Kartoffelschädlinge<br />
begann man damit, nach einer Möglichkeit zu suchen, die Kartoffeln<br />
vor einem Schädlingsbefall zu schützen. Neben strengen Einfuhrkontrollen für<br />
Kartoffelsaatgut und <strong>der</strong> Verwendung von Pflanzenschutzmitteln versuchte man<br />
vor allem wi<strong>der</strong>standsfähigere Züchtungen zu finden. In Deutschland stieg die<br />
Zahl <strong>der</strong> verwendeten Kartoffelsorten zwischen 1811 und 1866 von 33 auf 55. Auf<br />
einer Internationalen Kartoffelausstellung im Jahr 1875 waren 600 verschiedene<br />
Sorten vertreten. Heute umfasst <strong>der</strong> Weltkatalog <strong>der</strong> Kartoffelsorten ca. 3500 Sorten,<br />
darunter 132 aus Deutschland. Der Großteil <strong>der</strong> Kultivare wird aber kaum<br />
o<strong>der</strong> gar nicht (mehr) landwirtschaftlich genutzt. Dennoch bemüht man sich um<br />
die Erhaltung <strong>der</strong> weniger stark genutzten Sorten als Teil <strong>der</strong> biologischen Vielfalt<br />
und des Kulturerbes.<br />
Die UN erklärte das Jahr 2008 zum „Internationalen Jahr <strong>der</strong> Kartoffel“. Es<br />
soll vor allem dazu beitragen, das Bewusstsein in den Entwicklungslän<strong>der</strong>n für den<br />
Stellenwert <strong>der</strong> Kartoffel als Nahrungsmittel zu steigern sowie die Erhaltung <strong>der</strong><br />
Biodiversität <strong>der</strong> Nutzpflanzen zu unterstützen. In Deutschland ist <strong>der</strong> Pro-Kopf-<br />
Verbrauch von Speisekartoffeln mittlerweile auf etwa 60 kg pro Jahr gesunken,<br />
wohingegen die industrielle Verwendung zugenommen hat. Im Jahr 2005 wurden<br />
etwa 60 Prozent <strong>der</strong> deutschen Kartoffelproduktion in <strong>der</strong> Industrie verarbeitet.<br />
Beispiele sind die Herstellung von Stärke, Chips, Pommes Frites etc.. Die Kartoffel<br />
bietet zudem Nutzungsmöglichkeiten als nachwachsen<strong>der</strong> Rohstoff z.B. für Papier<br />
und Pappe, Kleister und Leim sowie für Baustoffe und Verpackungen o<strong>der</strong><br />
Waschmittel.<br />
2 Erster feldmäßiger Kartoffelanbau in Pilgramsreuth<br />
Gerichtsakten über den Streit zwischen Kirche und Bauern um den<br />
Zehnten belegen den frühen Anbau <strong>der</strong> Kartoffel<br />
Zur damaligen Zeit war es Recht, dass die Bauern im Rahmen <strong>der</strong> so genannten<br />
Zehntpflicht einen Teil ihrer Fel<strong>der</strong>täge als jährliche Abgabe <strong>der</strong> Kirche entrichteten.<br />
So sah sich <strong>der</strong> 1689 nach Pilgramsreuth ins Pfarramt einberufene Johann<br />
Matthäus Keppel vor einem Problem. Da <strong>der</strong> großflächige Kartoffelanbau we<strong>der</strong><br />
allgemein üblich noch bekannt war, fand sich hierzu in den im Mittelalter angelegten<br />
Zehntregistern, welche überwiegend verschiedene Getreide als abgabepflichtige