<strong>Antrag</strong> <strong>zum</strong> <strong>61.</strong> <strong>Landeskongress</strong> <strong>Antrag</strong> 504<strong>61.</strong> <strong>Landeskongress</strong> der <strong>Junge</strong>n <strong>Liberale</strong>n <strong>Hessen</strong>, Offenbach, 26.-27. Oktober 2013<strong>Antrag</strong>steller: BV Rhein-Main, KV Frankfurt, LAK Innen und RechtStatus: ❏ angenommen ❏ nicht angenommen ❏ verwiesen an ______________________Der <strong>61.</strong> <strong>Landeskongress</strong> möge beschließen:1Begriff der "öffentlichen Ordnung" aus dem HSOG2streichen!3 Der Begriff der „öffentliche Ordnung“ ist aus dem hessischen Gesetz über die4 öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) zu streichen.5 Begründung:6 Zunächst sind an dieser Stelle die Begriffe der „öffentlichen Sicherheit“ und der „öffentlichen7 Ordnung“ zu klären. Die „öffentliche Sicherheit“ meint dabei die Unverletzlichkeit der objektiven8 Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie der Einrichtungen9 und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger der Hoheitsgewalt (V. Götz Allg. POR10 S.18). Es handelt sich dabei also um einen umfassenden Auftrag an die Polizei bzw. der11 Ordnungsverwaltung das Recht zu schützen.12 In vielen Polizeigesetzen der Bundesländer, so auch in <strong>Hessen</strong>, findet sich der Begriff der13 „öffentlichen Ordnung“ als Anhängsel der „öffentlichen Sicherheit“ ohne rechtlich fassbaren14 Anwendungsbereich wieder. Die „öffentliche Ordnung“ ist die Gesamtheit der ungeschriebenen15 Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils16 herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten17 staatsbürgerlichen Zusammenlebens betrachtet wird (Drews, Preuß. PolizeiR, Allg. Teil, S.12;18 1927). Kurz gesagt, handelt es sich dabei um die herrschende Sozialmoral. Zum Verständnis sei19 noch mal erwähnt, dass die „öffentliche Ordnung“ nur aus ungeschriebenen Verhaltensregeln20 besteht, denn bei einem Verstoß von Rechtsvorschriften gibt es einen Verstoß gegen die21 Rechtsordnung, sodass die „öffentliche Sicherheit“ betroffen ist. „Öffentliche Ordnung“ und22 „öffentliche Sicherheit“ schließen sich somit aus und sind nicht etwa Teil des Anderen.23 Ein erster Kritikpunkt ist dabei, dass man diese subjektiv sehr relativen „Sozialnormen“ auf eine24 Stufe mit der Rechtsordnung hebt. Daran angeknüpft ist es bezeichnend, von herrschenden25 Wertvorstellungen auszugehen, die empirisch nicht zu belegen sind und die im Endeffekt26 dadurch doch eine Einzelfallentscheidung der Polizeiverwaltung und der Gerichte werden27 könnten. Beispiele, in denen die „öffentliche Ordnung“ zur Anwendung kam sind beispielsweise28 „Peep- Shows“, „Damen-Schlamm- Catchen oben Ohne“, „Paintball“, beim „Laserdome“ oder29 beim „Zwergenweitwurf“. Des Weiteren lassen sich auch Fälle konstruieren, wo beispielsweise30 das Skaten außerhalb zugewiesener Skateparks darunter fallen könnte, oder der überspitzt31 formulierte Fall eines Bürgers, der einen unaufgeräumten Garten besitzt und Besuch von der32 Polizei bekommt, die diesen <strong>zum</strong> Aufräumen auffordert. Die aufgezählten Beispiele verdienen33 somit fundamentale liberale Kritik. Schließlich kann es nicht sein, dass jede subjektiv34 empfundene Unappetitlichkeit oder jedes als unmöglich empfundene Benehmen verfolgt wird.35 Auch sollte die Selbstbestimmung des Einzelnen nicht derart in Frage gestellt werden. Die36 Protagonisten handeln schließlich freiwillig. Darüber hinaus ist ein Schaden für Dritte, in diesem37 Fall also die Gesellschaft, nicht festzustellen. Eine Peep-Show muss man beispielsweise nicht42
38 schön finden; angucken muss man sie sich aber ebenso wenig. Eine offene Gesellschaft39 zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass sie verschiedenste Lebensentwürfe toleriert und40 akzeptiert.41 Freiheit bedeutet eben auch „leben und leben lassen“.Als ein Argument für die „öffentliche42 Ordnung“ wird die Tatsache aufgeführt, dass es auch an anderen Stellen der Rechtsordnung43 Verweise auf „gute Sitten“, „Treu und Glauben“ oder Handelsbräuche gibt. Dem ist jedoch44 entgegen zu setzen, dass diese aufgezählten „Bräuche“ im Zwischenmenschlichen Miteinander45 angesiedelt sind oder daher stammen – im öffentlichen Recht findet man sie wesentlich seltener.46 Sie sind einfache, traditionelle Benimmregeln der Menschen untereinander und beschreiben oder47 konkretisieren gewachsene Vorgänge, beispielsweise bei Vertragsverhandlungen und48 umschreiben bspw. Willkürverbote. Die Legitimation zur Vertragsauslegung anhand von49 Geschäftsbräuchen beruht damit auf dem konkludenten Einverständnis beider Parteien.50 Demgegenüber ist die „öffentliche Ordnung“ in einem Über- und Unterordnungsverhältnis51 angesiedelt (Staat gegenüber Bürger). Dementsprechend handelt es sich bei Anwendung der52 schwammigen „öffentlichen Ordnung“ dann um Eingriffe in die Rechtsgüter des einzelnen53 Bürgers. Daran teilweise anknüpfend kann aufgeführt werden, dass der Begriff „der öffentlichen54 Ordnung“ zu unbestimmt sei, da wie bereits ausgeführt, Moralvorstellungen den Weg zu55 willkürlichen Entscheidungen ebnen. Ein „demoskopisches Sicherheitsrecht“ ist aber wegen des56 Rechtsstaatsprinzips aus unserer Verfassung <strong>zum</strong>indest äußerst bedenklich.57 Zusätzlich könnte die „öffentliche Ordnung“ gegen den aus dem Demokratieprinzip hergeleiteten58 Minderheitenschutz verstoßen, wenn zur Definition eines Eingriffstatbestandes mehrheitliche59 Wertvorstellungen herangezogen würden. Weiterhin ist der Anwendungsbereich der „öffentlichen60 Ordnung“ durch die Verrechtlichung aller Lebensbereiche zugunsten der „öffentlichen61 Sicherheit“ zurückgegangen. Viele Bereiche wie z.B. die von verrohenden oder sexuellen62 Schaustellungen oder auch „Belästigung der Allgemeinheit“ lassen sich, sofern nötig, ohne63 weiteres über das Ordnungswidrigkeitsgesetz oder ein anderes Gesetz lösen. „Aggressives64 Betteln“ oder Banalitäten wie Ausspucken eines Kaugummis auf dem Gehweg könnten durch65 Rechtsverordnungen geregelt werden, oder sind es, je nach Kommune, bereits. Da wesentliche66 Eingriffe der Verwaltung jedenfalls auf Grund der „öffentlichen Ordnung“ nicht auszuschließen67 sind, sollte dies sowieso eine Frage der Parlamente und nicht die der Polizei und68 Ordnungsverwaltung sein. Die „öffentliche Ordnung“ als Relikt des Preußischen Polizeirechts69 aus vorkonstitutioneller Zeit sollte jedenfalls in einem modernen und toleranten Rechtsstaat70 keinen Platz haben.43