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Haus Gerolzhofen - Dr. Loew

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Lebensqualität aus Nutzersicht<br />

Wie Menschen mit geistiger Behinderung in Wohneinrichtungen<br />

ihre Lebenssituation beurteilen<br />

Das Rehabilitationssystem befindet<br />

sich in einem grundlegenden Wandel,<br />

der gekennzeichnet ist durch eine Abkehr<br />

von einem Versorgungsmodell hin<br />

zu einer stärkeren Dienstleistungs- und<br />

Nutzerorientierung. Während in der<br />

Vergangenheit die Weiterentwicklung<br />

der Unterstützungssysteme nach fachlichen<br />

(„objektiven“) Leistungsstandards<br />

im Fokus stand, rückt zunehmend die<br />

Frage nach den Wirkungen der Unterstützungsangebote<br />

und deren Beurteilung<br />

durch die Nutzerinnen und Nutzer<br />

selbst in den Vordergrund (vgl. Oelerich<br />

& Schaarschuch 2005).<br />

Die traditionelle Behindertenhilfe ist<br />

noch weitgehend durch ein Versorgungsmodell<br />

gekennzeichnet, das<br />

wesentlich vom Gedanken der paternalistischen<br />

Fürsorge geprägt ist. Das<br />

zeigt sich darin, dass die Formulierung<br />

von Zielen und Standards überwiegend<br />

professionell dominiert ist und dabei<br />

der Fokus vor allem auf objektive Qualitätsmerkmale<br />

gesetzt wird. Die Perspektiven<br />

der Betroffenen werden nicht<br />

hinreichend berücksichtigt. Dabei erschöpft<br />

sich eine gute Leistungserbringung<br />

nicht darin, bestimmte strukturelle<br />

Bedingungen oder fachliche Standards<br />

einzuhalten. Die Leistungen müssen<br />

für die Nutzer auch einen subjektiven<br />

Gebrauchswert besitzen, sich also als<br />

relevant und sinnvoll für die eigene<br />

Lebensführung erweisen. Fragen, die<br />

dadurch in den Vordergrund rücken,<br />

sind: Inwiefern tragen Unterstützungsleistungen<br />

tatsächlich zur Verbesserung<br />

der Lebenslagen von Menschen<br />

mit Behinderung bei, zur Erweiterung<br />

von Teilhabechancen, zu Möglichkeiten<br />

der Alltagsbewältigung und zufrieden<br />

stellenden Lebensführung? Die Beantwortung<br />

dieser Fragen macht es erforderlich,<br />

die Nutzer der Angebote als<br />

„Experten in eigener Sache“ selbst zu<br />

Wort kommen zu lassen - sie sind also<br />

bei der Planung, Qualitätsdefinition und<br />

beurteilung von sozialen Dienstleistungen<br />

aktiv einzubeziehen.<br />

Mangelnde Ergebnisevaluation<br />

und Wirkungsorientierung in der<br />

Behindertenhilfe<br />

Eine konsequente Ergebnis- und Wirkungsorientierung<br />

ist in der deutschen<br />

Behindertenhilfe noch wenig ausgeprägt.<br />

In einer bundesweiten Studie<br />

von Wetzler (2003) wurde der Implementationsstand<br />

von Qualitätsmanagement<br />

in Wohnheimen untersucht.<br />

Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme<br />

verdeutlichen, dass ein Großteil der<br />

Wohneinrichtungen einzelne Verfahrenselemente<br />

der Qualitätssicherung<br />

einsetzt, diese Bemühungen aber vor<br />

allem die strukturierende Ebene der<br />

Leistungserstellung betreffen. Dass die<br />

Nutzerzufriedenheit eine wichtige Rolle<br />

bei der Qualitätsbeurteilung spielt,<br />

bejahen über 90% der Einrichtungen.<br />

Ergebnisevaluation wird aber nur von<br />

rund der Hälfte der Wohneinrichtungen<br />

vorgenommen, über ein <strong>Dr</strong>ittel sieht<br />

auch zukünftig keine derartigen Verfahren<br />

vor (vgl. Abb. 1). So kommt<br />

auch der erste Heimbericht der Bundesregierung<br />

zu dem Schluss: „Bezüglich<br />

des Leistungsgeschehens und<br />

der Qualitätssicherung liegen speziell<br />

für den Bereich der stationären Behindertenhilfe<br />

wenig aussagekräftige Informationen<br />

und Daten vor“ (BMFSFJ<br />

2006, 237).<br />

Vielerorts herrschen Vorbehalte hinsichtlich<br />

der Umsetzbarkeit nutzerorientierter<br />

Evaluationsverfahren – gerade<br />

wenn es sich bei den Nutzer/innen<br />

um Menschen mit geistiger Behinderung<br />

handelt. Dies mag zum einen<br />

damit zusammenhängen, dass diesem<br />

Personenkreis aufgrund kognitiv-kommunikativer<br />

Beeinträchtigungen häufig<br />

keine Urteilskompetenz zugestanden<br />

und ihre grundsätzliche Befragbarkeit<br />

angezweifelt wird.<br />

Zwar gibt es inzwischen vereinzelte Ansätze<br />

zur Nutzerbefragung. Diese halten<br />

jedoch wissenschaftlichen Kriterien<br />

kaum stand, da sie nicht theoriegeleitet<br />

auf systematischer Basis konstruiert,<br />

empirisch überprüft und für den weiteren<br />

Einsatz optimiert worden sind.<br />

von <strong>Dr</strong>. Markus Schäfers<br />

Abbildung 1<br />

SOZIALPOLITIK_<br />

In einer eigenen Studie (vgl. Schäfers<br />

2008) wurde ein solches Verfahren entwickelt,<br />

um so einen Beitrag zur dringend<br />

notwendigen Nutzerbefragung<br />

zu leisten und gleichzeitig der Lebensqualitätsbeurteilung<br />

zu dienen. Untersuchungs-<br />

und Handlungsfeld der Studie<br />

ist der stationäre Wohnbereich für<br />

Menschen mit Behinderung, einer der<br />

Kernbereiche traditioneller sozialer Angebote,<br />

der in Deutschland immerhin<br />

knapp 200.000 Plätze umfasst.<br />

Studie zur Entwicklung und<br />

Erprobung eines Instruments<br />

zur Lebensqualitätserhebung<br />

Zielsetzung der Studie war es, die methodischen<br />

Grundlagen für eine Lebensqualitätserhebung<br />

bei Menschen mit<br />

Behinderung zur nutzerorientierten Evaluation<br />

von Wohn- und Unterstützungsangeboten<br />

zu erarbeiten. Das Konzept<br />

„Lebensqualität“ dient deshalb als theoretische<br />

Basis, da es einen mehrdimensionalen<br />

Betrachtungsrahmen sowohl<br />

für die objektiven Lebensumstände als<br />

auch für die subjektive Wahrnehmung<br />

und Bewertung der Lebenssituation zur<br />

Verfügung stellt. Auf der Ebene der sozialen<br />

Dienste und Einrichtungen bietet<br />

das Konzept Lebensqualität ein wertvolles<br />

Bezugssystem zur Planung, Gestaltung<br />

und Evaluation sozialer Dienstleistungen.<br />

Die Arbeit liefert Zug um Zug alle<br />

notwendigen Bausteine für Nutzerbefragungen:<br />

Ergebnisse der Methodenforschung<br />

zur Befragung von Menschen mit<br />

geistiger Behinderung (insbesondere<br />

aus dem angloamerikanischen<br />

Sprachraum) wurden systematisiert.<br />

Das vorfindbare Instrumentenrepertoire<br />

zur Nutzer- und Lebensqualitätsbefragung<br />

(deutsch- und<br />

englischsprachig) wurde gesichtet,<br />

analysiert und bewertet.<br />

Darauf aufbauend wurde ein Instrument<br />

zur Erhebung von Lebensqualität<br />

bei Menschen mit geistiger<br />

Behinderung konstruiert, praktisch<br />

erprobt sowie systematisch getestet<br />

und optimiert.<br />

In einer Methodenanalyse wurde<br />

überprüft, inwieweit der methodische<br />

Zugang über die direkte<br />

Befragung dieser Zielgruppe zu gültigen<br />

Einschätzungen ihrer Sichtweisen<br />

führen kann.<br />

<strong>Dr</strong>.<strong>Loew</strong> PERSPEKTIVE 2009 7

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