Tadelakt_2011_Nr_285.pdf 1419KB 08.09.2012
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5 TADELAKT IM HEUTIGEN<br />
BAUALLTAG<br />
Noch vor einigen Jahrzehnten kostete Baumaterial viel und Arbeitsstunden galten<br />
wenig. Die Handwerker und Bauherren nahmen sich Zeit, um die Materialien so lan-<br />
ge trocknen zu lassen, bis sie weiter bearbeitet werden konnten. Durch hochvergütete<br />
Baustoffe wie Kleber, Bauschäume, schnellbindende Mörtel und Verputze, ist der heu-<br />
tige Baualltag um einiges hektischer geworden. In kurzer Zeit wird sehr viel gebaut. Der<br />
Bezug eines Hauses geschieht nicht selten nur wenige Monate nach Baubeginn. Der<br />
Zeitdruck beim Bauen fördert die Entwicklung von immer effizienteren, noch schnel-<br />
ler zu verarbeitenden Materialien. Besonders bei Renovationen gehören Fermacell,<br />
Gipskarton und andere Leichtbauplatten zum Alltag. Diese können rasch verbaut und<br />
sofort nach Einbau verputzt oder weiterbehandelt werden. Diese Hektik beim Bauen<br />
widerspricht aber den alten, qualitativ bewährten Techniken, insbesondere auch dem<br />
<strong>Tadelakt</strong>.<br />
Zum Beispiel ein mit <strong>Tadelakt</strong> verputzter Badezimmerboden sollte mindestens fünf bis<br />
acht Wochen aushärten, bis er benutzt werden kann. In der Endphase einer Baustelle,<br />
wenn in der Regel verputzt wird, ist es oft so, dass sich viele verschiedene Handwer-<br />
ker im Bau befinden. Da der <strong>Tadelakt</strong> besonders in den ersten zwei Wochen äusserst<br />
kratz- und schlagempfindlich ist, sind dies heikle Situationen, welche es bereits in der<br />
Planungsphase zu regeln gilt.<br />
Bis vor 60 Jahren war Kalk eines der gängigsten Baumaterialien. Maler, Gipser und<br />
Maurer konnten Kalkprodukte fehlerfrei einsetzen und erreichten eine sehr hohe Bau-<br />
qualität. Mit der Entwicklung von Kunstharzverputzen und Dispersionsfarben ging viel<br />
Wissen um die Verarbeitung von Kalkputzen und reinen Mineralfarben verloren. Der<br />
«Glaube» an die neuen modernen Baustoffe, hat die alten Techniken und Materialien<br />
fast vollständig verdrängt. Das Arbeiten mit Kalkprodukten erfordert einiges an Erfah-<br />
rung und Können. Bei unsachgemässer Verarbeitung kommt es oft zu gravierenden<br />
Bauschäden. Dies ist mit ein Grund, dass viele Planer und Handwerker gegenüber Kalk-<br />
produkten, respektive <strong>Tadelakt</strong>, sehr skeptisch sind.<br />
Ein weiterer Punkt, den ich hier ansprechen möchte, ist der relativ hohe Preis von Tade-<br />
lakt. Die Verarbeitung von <strong>Tadelakt</strong> ist äusserst zeitaufwändig. Die vielen notwendigen<br />
Arbeitsschritte machen es fast unmöglich, den Aufwand zu verringern. Verschiedene<br />
Firmen haben eigene <strong>Tadelakt</strong>mischungen entwickelt, welche dank Cellulose und Mar-<br />
mormehl auch dünnschichtiger und entsprechend schneller verarbeitet werden kön-<br />
nen. Genau genommen handelt es sich bei diesen Produkten aber nicht um <strong>Tadelakt</strong>,<br />
sondern um Kalkspachtel, welche wie <strong>Tadelakt</strong> bearbeitet werden. Auch aus bauphysi-<br />
kalischer und baubiologischer Sicht dürfen sie nicht mit echtem <strong>Tadelakt</strong> gleichgestellt<br />
werden. Hinzu kommt, dass aus Marokko importiertes Material bei uns relativ teuer<br />
verkauft wird.<br />
Dieser Verputz wird also auch in Zukunft mehr kosten als andere Beschichtungen, was<br />
sich allerdings relativiert wenn man die Lebensdauer betrachtet. Es gibt in Marokko<br />
<strong>Tadelakt</strong>verputze, welche einige hundert Jahre alt und immer noch völlig intakt sind.<br />
Eine schöne Lösung, den Preis niedrig zu halten, ist das Organisieren eines sozialen<br />
Anlasses. Mit mehreren Leuten eine Wand oder ein Badezimmer zu verputzen, ist ein<br />
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