Tadelakt_2011_Nr_285.pdf 1419KB 08.09.2012
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VORWORT<br />
Vor rund sieben Jahren bin ich zum ersten Mal auf die <strong>Tadelakt</strong>-Technik aufmerksam<br />
geworden. In einem Laden mit marokkanischen Importwaren stand ein kleiner Tisch<br />
mit gusseisernem Gestell und einer wundersam schimmernden, verputzähnlichen<br />
Tischplatte. Auf meine Nachfrage hin wurde mir erklärt, dass sich dieses Material «Ta-<br />
delakt» nenne und ein reiner Kalkverputz sei.<br />
Fasziniert von der schimmernden, glatten Oberfläche wurde ich neugierig und suchte<br />
nach jemandem, der mir dieses Handwerk beibringen könnte. In einem <strong>Tadelakt</strong>kurs<br />
durfte ich erste Mustertafeln anfertigen und eine Wand verputzen. Seither beschäftige<br />
ich mich mehr oder weniger intensiv mit dieser Verputztechnik.<br />
<strong>Tadelakt</strong> leitet sich vom arabischen Verb «dellek» ab, was soviel heisst, wie massieren,<br />
einreiben. Der Begriff meint also «massiert», «eingerieben».<br />
Zu entdecken, dass <strong>Tadelakt</strong> eine gute Alternative zu Keramikplatten und kunstharz-<br />
vergüteten Spachtelmassen und -Klebern ist, war für mich eine kleine Erleuchtung.<br />
Versuche mit verschiedenen Untergründen, Vorbehandlungen, Formen und Farben,<br />
sowie Versuche mit nachgebauten <strong>Tadelakt</strong>mischungen, haben meine Faszination für<br />
dieses edle und dauerhafte Naturprodukt verstärkt.<br />
Viele Menschen kennen Kalk nur als lästige Ablagerung an Gläsern, Pfannen und Ge-<br />
räten. Sie sind sich nicht bewusst, dass Kalkmörtel, Kalkverputze und Kalkfarben die<br />
Baugeschichte seit Beginn unserer Zeitrechnung geprägt haben. Mit dem Verschwin-<br />
den der traditionellen Kalkanwendungen ist die Skepsis gegenüber diesen hochwerti-<br />
gen Produkten gestiegen. Das Misstrauen gegenüber dieser Verputztechnik ist relativ<br />
gross. Aussagen wie «Das hält doch nicht! Ist das überhaupt dicht? Das ist viel zu teu-<br />
er!», kennt jede/r <strong>Tadelakt</strong>verarbeiter/in zur Genüge.<br />
In verschiedenen Ländern, vom Mittelmeerraum bis zum Mittleren Osten, haben die<br />
Menschen bereits vor mehreren tausend Jahren Lehmbauten mit Kalkverputzen über-<br />
zogen, um sie besser vor Verwitterung zu schützen.<br />
Obwohl es praktisch keine geschichtlichen Überlieferungen zum Thema <strong>Tadelakt</strong> gibt,<br />
weiss man anhand von Funden, dass diese wasserabweisende Verputztechnik bereits<br />
vor 2000 Jahren zum Abdichten von Zisternen und Wasserleitungen eingesetzt wurde.<br />
Das Wissen über dieses komplexe Handwerk wird bis heute mehrheitlich mündlich von<br />
Generation zu Generation weitergegeben. Vor gut zwei Jahrtausenden haben die Römer<br />
den Zement entdeckt. Von diesem Moment an haben sich auch in Südeuropa, nament-<br />
lich in Italien, stark verdichtete glatte Verputze, wie Stucco und Marmorino entwickelt.<br />
Wie genau sich die verschiedenen Techniken im Laufe der Zeit gegenseitig beeinflusst<br />
haben, ist nicht geklärt.<br />
Nach wie vor gibt es relativ wenig Literatur zum Thema <strong>Tadelakt</strong>. Was ich bei vielen Ar-<br />
tikeln und Beiträgen vermisse, ist eine ganzheitliche Behandlung des Themas, ohne die<br />
Absicht, ein eigenes Produkt zu verkaufen. Für mich ist dies ein Ansporn, eine möglichst<br />
detaillierte und unabhängige Arbeit zum Thema zu schreiben. Dies verschafft mir die<br />
Gelegenheit, mich weiter in das Thema <strong>Tadelakt</strong> zu vertiefen und mir auch weiterge-<br />
hende Fragen zu stellen:<br />
Gibt es in der Schweiz Kalkschichten, welche jenen in Marokko gleichen? Wäre es mög-<br />
lich, <strong>Tadelakt</strong> in der Schweiz herzustellen? Vielleicht sogar in einem eigenen Ofen, des-<br />
sen Abwärme sich zum Heizen nutzen lässt?<br />
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