OBS-Arbeitspapier
AP21_Lobby_final
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Ausverkauf des Journalismus?<br />
Marvin Oppong<br />
Vorwort<br />
„Was kommt 2016 auf die Agenda in Berlin?“ fragt der „Tagesspiegel“ in seiner Einladung zur<br />
„Agenda 2016“-Konferenz und verspricht, dass der Zuschauer dort „aus erster Hand“ von „Spitzenvertretern“<br />
aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft erfährt, was in Zukunft wichtig wird.<br />
Die Konferenz ein Jahr zuvor – die „Agenda 2015“ – war in der Öffentlichkeit sehr umstritten<br />
und wurde heftig kritisiert. Wenn sich Wirtschaftsverbände mit Geldzahlungen u. a. Plätze auf<br />
den Podien der Veranstaltung kaufen und Redner platzieren können, drohe eine Vermischung<br />
von redaktioneller Arbeit und finanziellen Interessen der Verlage und Wirtschaftsverbände,<br />
hieß es auf der einen Seite. Auf der anderen Seite wurde befürchtet, dass damit letztendlich<br />
ein weiterer Verlust der journalistischen Objektivität und Unabhängigkeit einherginge. So hoch<br />
die Wellen der Aufregung auch schlugen, so schnell ebbten sie jedoch auch wieder ab.<br />
Die Geschäftspraxis, für die die „Tagesspiegel“-Konferenz nur exemplarisch steht, scheint<br />
trotz der kurzfristigen Kritik an der „Agenda 2015“ bisher auf wenig und kaum dauerhaftes<br />
Interesse zu stoßen. Dabei war diese „Agenda“-Konferenz des „Tagesspiegels“ mit der anschließenden<br />
Kurz-Debatte nur die Spitze eines Eisberges. Denn für Medienverlage sind Veranstaltungskooperationen<br />
mit Unternehmen und Verbänden längst ein einträgliches Geschäftsmodell<br />
geworden. Ein Geschäftsmodell allerdings auch, das von der Öffentlichkeit noch nicht<br />
genügend mit der notwendigen kritischen Aufmerksamkeit verfolgt wird.<br />
Dieser Eindruck muss zumindest aufkommen, wenn man die Ergebnisse der Recherchen<br />
unseres Autors Marvin Oppong richtig deutet. Der Investigativ-Journalist und Dozent für Recherchetechniken<br />
hat die schwerwiegenden Bedenken aus der „Agenda“-Konferenz-Debatte<br />
aufgegriffen und zum Anlass genommen, sich dieses Themas anzunehmen und speziell die<br />
Kooperationen mit Lobbyorganisationen genauer zu betrachten. Er wirft einen explorativen<br />
Blick auf ein bisher kaum bearbeitetes Feld. Durch sehr aufwendige Recherchearbeiten ist es<br />
ihm gelungen, erstmals das Ausmaß dieser Kooperationen aufzeigen zu können. Sein Fazit: Für<br />
alle Verlage der großen deutschen Zeitungen ist dieser Geschäftszweig mittlerweile zu einem<br />
lukrativen Nebengeschäft geworden.<br />
In seiner Recherchearbeit systematisiert Marvin Oppong aber auch die geäußerten Bedenken<br />
und möglichen Folgen solcher Kooperationen. Er greift die wichtigsten Aspekte auf und<br />
stellt zentrale Fragen: Gibt es Anzeichen dafür, dass die Unabhängigkeit untergraben oder die<br />
Objektivität der Zeitungsredaktionen minimiert werden? Lassen sich direkte Einflussnahmen<br />
auf Inhalte oder Themen feststellen? Die Ergebnisse deuten zumindest auf erhebliche Probleme<br />
hin: Der weitverbreitete Einbezug von Redaktionsmitgliedern in von Lobbyorganisationen<br />
mitunter mitorganisierte oder -finanzierte Veranstaltungen oder die zeitnahe Berichterstattung<br />
über den Kooperationspartner führen den Autor zu der Annahme, dass hier große Risiken für<br />
<strong>OBS</strong>-<strong>Arbeitspapier</strong> 21<br />
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