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OBS-Arbeitspapier

AP21_Lobby_final

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Ausverkauf des Journalismus?<br />

Marvin Oppong<br />

Standpunkt des Deutschen Presserates<br />

Der Deutsche Presserat hat keinen dezidierten Standpunkt zu Kooperationen von Verlagen<br />

mit Lobbyverbänden. Er befasst sich als Organ der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse mit<br />

presse ethischen Fragen im Zusammenhang mit konkreten Berichterstattungen. Es sei „nicht<br />

Aufgabe des Deutschen Presserats, Einfluss darauf auszuüben, in welchen Bereichen Verlage<br />

sich wirtschaftlich betätigen. Für den Presserat ist lediglich wichtig, dass im Falle einer<br />

Berichterstattung über solche Veranstaltungen Transparenz über etwaiges Sponsoring, Themensetzung<br />

durch Sponsoren oder sonstigen Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung<br />

hergestellt wird“, so Oliver Schlappat, Referent des Deutschen Presserates, auf Anfrage.<br />

Man kann dies für eine formalistische Sichtweise halten, denn es ist möglich, dass die wirtschaftliche<br />

Betätigung eines Verlages in einer Weise erfolgt, dass sie direkte Auswirkung auf<br />

seine publizistische Tätigkeit hat. Ein Beispiel: Ein Verlag arbeitet über Jahre immer wieder mit<br />

einem Lobbyverband zusammen, der große Summen zahlt. Dies kann die redaktionelle Unabhängigkeit<br />

gefährden, weil das Medium dann nicht mehr unabhängig über Themen berichten<br />

kann, die den Lobbyverband betreffen, ohne Gefahr zu laufen, dass dieser als zahlungskräftiger<br />

Kunde seinem Verlag verloren geht. Hier entsteht auch die Gefahr vorauseilender Selbstzensur<br />

– Stichwort „Schere im Kopf“ – bzw. einer bewusst oder unbewusst unreflektierten Übernahme<br />

der Verbandsargumente und -perspektiven.<br />

Die entscheidende Frage ist: Kann ein Redakteur noch unabhängig schreiben, wenn er weiß,<br />

dass eine kritische Äußerung über einen wirtschaftlichen Partner seines Verlages eine Rüge<br />

seines Chefs, der sich in der Hierarchie selbst rechtfertigen muss, hervorruft? Angebrachter<br />

wäre es, sich in derartigen Fällen nicht, wie der Presserat es tut, rein auf die Betrachtung der<br />

wirtschaftlichen Betätigung zu beschränken, sondern eine Gesamtschau vorzunehmen. „Sobald<br />

jemand den Eindruck hat, dass eine gewisse wirtschaftliche Betätigung von Verlagen eine<br />

konkrete Berichterstattung beeinflusst [hat], dann rückt dieses Thema in unser Blickfeld. Denn<br />

jedermann hat die Möglichkeit, bei uns eine Beschwerde wegen eines möglichen Verstoßes<br />

gegen den Pressekodex einzureichen“, heißt es dazu beim Presserat. „Sollten sich solche<br />

Beschwerden gar häufen, würde es sicher auch Thema im Plenum werden, wie damit umzugehen<br />

ist. Bisher ist das aber eine Diskussion, die zwar auf Medienseiten in den Zeitungen,<br />

in Blogs, sozialen Medien und offenbar ja auch in der Wissenschaft geführt wird – nur schlägt<br />

sich das Thema bei uns in Beschwerden überhaupt nicht nieder.“<br />

Medienhäuser, die Kooperationen mit Interessenverbänden eingehen, haben dennoch<br />

einige Vorschriften zu beachten. Die einschlägigen Ziffern aus dem Pressekodex sind hier insbesondere<br />

die Regelungen der Ziffer 7 (Trennung von Werbung und Redaktion), unter Umständen<br />

auch der Ziffer 2 (Sorgfalt). „Leitlinien für Berichterstattungen über solche Veranstaltungen<br />

<strong>OBS</strong>-<strong>Arbeitspapier</strong> 21<br />

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