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aktuelles<br />
Geschäft mit strengen Auflagen<br />
AiB 6 | <strong>2016</strong><br />
Netto aufgegangen, wo Arbeitsbedingungen<br />
und Mitbestimmungsrechte weitaus schlechter<br />
sind als bei Plus. Mit der Übernahme von KT<br />
würde Edeka in den entsprechenden Regionen<br />
seine Marktmacht weiter ausbauen, so die Argumentation<br />
der Kartellwächter.<br />
Mit der Ablehnung des KT-Verkaufes an<br />
Edeka durch das Bundeskartellamt sowie die<br />
Monopolkommission hatten laut lebensmittelzeitung.de<br />
beide Akteure von Anfang an<br />
gerechnet und die Möglichkeit der Ministererlaubnis<br />
einkalkuliert. Im Herbst 2015 stellten<br />
sie die entsprechenden Anträge. Gleichzeitig<br />
brachten sich nun auch einige Edeka-Konkurrenten<br />
ins Spiel: Vor allem die Nummer Zwei<br />
im deutschen Lebensmitteleinzelhandel Rewe<br />
(zu der unter anderem auch der Discounter<br />
Penny gehört) warb in ganzseitigen Anzeigen<br />
für eine mögliche Übernahme von KT zu<br />
besseren Konditionen, als Edeka sie geboten<br />
hatte. Auch die Schweizer Migros, die Kieler<br />
Coop, Kaufland und die Discounterkette Norma<br />
meldeten Interesse an – allerdings nur an<br />
Teilen des Filialnetzes. Beschäftigte, Betriebsräte<br />
und ver.di hatten jedoch von Anfang an<br />
die Zerschlagung von Kaiser’s-Tengelmann<br />
verhindern wollen, da das auch die Schließung<br />
defizitärer Filialen – die vor allem in der Region<br />
Nordrhein angesiedelt sind – nach sich<br />
gezogen hätte. Insofern wäre als Alternativkäufer<br />
zu Edeka eigentlich nur Rewe in Frage<br />
gekommen. »In dem Fall hätte das Kartellamt<br />
wahrscheinlich den Verkauf ebenso abgelehnt<br />
wie beim Käufer Edeka«, gibt der Berliner Kaiser’s-Betriebsratsvorsitzende<br />
Volker Bohne zu<br />
bedenken. »Außerdem ist nie klar geworden,<br />
warum Rewe ein Angebot vorlegte, nachdem<br />
KT und Edeka längst handelseinig waren.«<br />
Auflagen zur Sicherung von Arbeitsplätzen<br />
und Mitbestimmungsrechten<br />
In einer Anhörung im Bundeswirtschaftsministerium<br />
Mitte November 2015, an der Bundeswirtschaftsminister<br />
Sigmar Gabriel persönlich<br />
teilnahm, zeichnete sich bereits ab, dass es<br />
am Ende eine Erlaubnis unter Auflagen geben<br />
könnte. »Der erste Entwurf des Wirtschaftsministeriums<br />
enthielt allerdings noch viele Kann-<br />
Bestimmungen und nicht rechtsfeste Auflagen«,<br />
erinnert sich Hubert Thiermeyer, ver.di-Fachbereichsleiter<br />
Handel im ver.di-Landesbezirk<br />
Bayern. »Danach wurde auch dank unserer<br />
Einwendungen erheblich nachgebessert.« Bei<br />
der Präsentation der Auflagen für die KT-Übernahme<br />
durch Edeka am 17. März zeigte sich<br />
der Bundeswirtschaftsminister hochzufrieden.<br />
»Bei der Abwägung der Gemeinwohlgründe<br />
›Arbeitsplatzerhalt‹ und ›Erhalt der Arbeitnehmerrechte‹<br />
mit der vom Bundeskartellamt<br />
festgestellten Wettbewerbsbeschränkung durch<br />
die Fusion, war für mich klar: Die Gemeinwohlgründe<br />
überwiegen die Wettbewerbsbeschränkung.«<br />
Deshalb habe er einen Ansatz gewählt,<br />
der Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaften<br />
eine starke Position einräume. Erst nach Abschluss<br />
von Tarifverträgen, die Beschäftigung,<br />
Mitbestimmung und Erhalt der Standorte in<br />
ihrer bisherigen Struktur sicherten, sowie der<br />
Überprüfung dieser Verträge durch das Bundeswirtschaftsministerium<br />
könne die Übernahme<br />
durch Edeka vollzogen werden.<br />
Rewe-Beschwerde könnte<br />
Übernahme verzögern<br />
Im April begannen in den KT-Regionen die<br />
Tarifverhandlungen zwischen ver.di sowie der<br />
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten<br />
(NGG) auf der einen, KT und Edeka auf der<br />
anderen Seite. Ein »insgesamt gutes Klima«<br />
für den Bereich München/Oberbayern machte<br />
Hubert Thiermeyer von ver.di nach der ersten<br />
Verhandlungsrunde aus. Die Beteiligten seien<br />
sich einig, den Übergang positiv für die Beschäftigten<br />
zu gestalten. Für die NGG, die die<br />
Beschäftigten in drei KT-Fleischwerken in Bayern,<br />
Brandenburg und NRW vertritt, bedeutet<br />
die Ministererlaubnis einen ganz besonderen<br />
Erfolg, da zu Beginn des Verkaufsprozesses<br />
keine Rede von einer Übernahme dieser<br />
KT-Bestandteile durch Edeka war. Auch hier<br />
kamen die Tarifverhandlungen bald nach Erteilung<br />
der Ministererlaubnis in Gang. Offen<br />
war im April (bei Redaktionsschluss) noch, ob<br />
Rewe beim Oberlandesgericht Düsseldorf eine<br />
aufschiebende Wirkung für die Übernahme<br />
durch Edeka erwirken wird. Diesen Antrag<br />
hatte das Unternehmen gleichzeitig mit einer<br />
Beschwerde gegen die Ministererlaubnis beim<br />
Gericht eingereicht. Der KT-Verkaufsprozess<br />
könnte sich noch länger hinziehen. v<br />
Gudrun Giese, Dipl.-Politologin,<br />
freie Journalistin für<br />
gewerk schaft liche Themen, Berlin.<br />
www.gudrun-giese.de<br />
Sie ist Co-Autorin des »Schwarz-Buch« Lidl<br />
und Verfasserin zahlreicher Broschüren.<br />
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