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AiB 6 | <strong>2016</strong><br />

rechtsprechung<br />

einstellung<br />

Beteiligungsrechte bei Einstellungen<br />

und Arbeitszeit; Unterlassungsanspruch<br />

§ 99 und § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG<br />

Wird der Betriebsrat bei Einstellungen – selbst wenn der<br />

Einsatz befristet erfolgen soll – nicht nach § 87 Abs. 1<br />

Nr. 2 BetrVG beteiligt, wenn diese im Rahmen von Dienstoder<br />

Schichtplänen erfolgen, hat er einen Unterlassungsanspruch<br />

gegen den Einsatz der Arbeitnehmer.<br />

(Leitsatz des Bearbeiters)<br />

LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 5.11. 2015 – 6 TaBV 4/15<br />

(nicht rechtskräftig, Revision, BAG Az – 1 ABR 5/16 – ).<br />

Der Fall<br />

Der Arbeitgeber, ein bundesweit tätiges Unternehmen, stellte<br />

gegen den Willen des Betriebsrats wiederholt Arbeitnehmer befristet<br />

zur Bewältigung in Zeiten erhöhter Auslastung und als Ersatz-<br />

und Vertretungskräfte ein. Er beantragte regelmäßig vor der<br />

Einstellung nach § 99 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats<br />

zu den jeweiligen befristeten Einstellungen, wobei die Befristungen<br />

in vielen Fällen nur auf wenige Wochen oder sogar wenige<br />

Tage begrenzt waren. Der Betriebsrat verweigerte die Einstellung<br />

und bestritt die Eilbedürftigkeit. Die Arbeitnehmer wurden<br />

vorläufig beschäftigt und das Zustimmungsersetzungsverfahren<br />

eingeleitet. In einzelnen Niederlassungen des Unternehmens<br />

existieren (Rahmen-) Dienst- oder Schichtpläne, die die Betriebsparteien<br />

vereinbart hatten. Der Arbeitgeber hatte es jedoch unterlassen,<br />

den Betriebsrat bei der Zuordnung der – hier befristet<br />

eingestellten – Arbeitnehmer zu einzelnen Dienst- oder Schichtplänen<br />

zu beteiligen, da nach seiner Auffassung in den vereinbarten<br />

(Rahmen-) Dienst- oder Schichtplänen die Zuordnung der<br />

bereits beschäftigten Arbeitnehmer und der zukünftig eingestellten<br />

Beschäftigten enthalten sei. Der Betriebsrat machte geltend,<br />

dass der Arbeitgeber sein Mitbestimmungrecht nach § 87 Abs. 1<br />

Nr. 2 BetrVG verletzt habe, da der Arbeitgeber ihn nicht bei der<br />

Zuordnung der – hier befristet eingestellten – Arbeitnehmer zu<br />

einzelnen Dienst- oder Schichtplänen beteiligt hat.<br />

Die Entscheidung<br />

Wegen der kurzen Einsatzzeiten der Arbeitnemer hatten sich<br />

zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitsgerichts, wie in<br />

vielen anderen Fällen, die Zustimmungsersetzungsverfahren<br />

durch Zeitablauf erledigt. Streitig war nur noch der Unterlassungsanspruch<br />

des Betriebsrats. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht<br />

entschieden, dass die Zuordnung der Beschäftigten<br />

zu den einzelnen Schichten mitbestimmungspflichtig sei.<br />

Es gäbe keinen Automatismus für die Zuordnung der Beschäftigten<br />

und kein alleiniges Gestaltungsrecht des Arbeitgebers.<br />

Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach § 99 und § 87<br />

BetrVG bestehen bei Einstellungen nebeneinander.<br />

Da das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG<br />

keiner Einschränkung unterliegt und kein Recht für einseitige<br />

vorläufige Maßnahmen des Arbeitgebers etwa i.S.v. § 100<br />

BetrVG enthält, kann eine fehlende Einigung – hier über die<br />

Zuordnung – zwischen den Betriebsparteien nur durch die Einigungsstelle<br />

ersetzt werden. Hat der Arbeitgeber bereits in<br />

der Vergangenheit dieses Mitbestimmungsrecht missachtet,<br />

hat der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch. Dies gilt<br />

auch bei Kurzeinsätzen.<br />

Hinweis für die Praxis<br />

Aus den Entscheidungen des ArbG und LAG wird deutlich,<br />

dass der Arbeitgeber bei Einstellungen – egal ob es<br />

sich um unbefristete oder befristete Einstellungen oder<br />

den Einsatz von Leihkräften, auch aus anderen Betrieben,<br />

handelt, neben § 99 BetrVG auch das Mitbestimmungsrecht<br />

nach § 87 Abs. Nr. 2 (und ggf. auch Nr. 3) BetrVG<br />

zu beachten hat. Anerkannt ist dies etwa bei Versetzungen<br />

zwischen den Schichten oder beim Absetzen von Schichtarbeit.<br />

Im Regelfall werden die Betriebsräte keine Einwendungen<br />

bei Einstellungen von zusätzlichem Personal<br />

oder Aushilfskräften haben und die Zustimmung erteilen.<br />

Anders kann es beispielsweise sein, wenn Arbeitgeber zu<br />

Befristungen oder zum Einsatz von Leiharbeitnehmern<br />

greifen, obwohl es sich um Daueraufgaben handelt. Unabhängig<br />

von diesem grundsätzlichen Konflikt zwischen<br />

den Betriebsparteien, muss der Arbeitgeber die Beteiligungsrechte<br />

(§ 99 BetrVG) und die Mitbestimmungsrechte<br />

(§ 87 BetrVG) nebeneinander beachten. Gibt es im<br />

Betrieb verschiedene Arbeitszeitmodelle, Schicht- oder<br />

Dienstpläne, muss der er die Zustimmung des Betriebsrats<br />

zum Einsatz des neuen oder der zusätzlich eingesetzten<br />

Kollegen in einem der bestehenden Dienst- oder Schicht-<br />

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