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AiB 6 | <strong>2016</strong><br />
rechtsprechung<br />
betriebsratswahl<br />
Unwirksamkeit der Betriebsratswahl wegen<br />
Zurückweisung der Gewerkschaftsliste<br />
§ 19 BetrVG, § 6 Abs. 1 Satz 2 WO, § 3 Abs. 2 Nr. 8 WO,<br />
§ 14 Abs. 4 BetrVG<br />
1. Es ist den Mitgliedern des Wahlvorstandes zuzumuten,<br />
auch über ihre Kernarbeitszeit hinaus bis 24.00 Uhr noch<br />
Wahlvorschläge anzunehmen, es sei denn, die Arbeitszeit<br />
der überwiegenden Mehrheit der Arbeitnehmer endet bereits<br />
zu einem früheren Zeitpunkt.<br />
2. Der Wahlvorstand hat nicht die Richtigkeit einer Wahlvorschlagsliste<br />
dahingehend zu überprüfen, ob ein auf ihr<br />
enthaltener Wahlbewerber zu Unrecht auf der Liste gestrichen<br />
worden ist oder nicht.<br />
(Leitsatz des Bearbeiters)<br />
LAG Nürnberg, Beschluss vom 31.7.2015 – 3 TaBV 5/15<br />
Der Fall<br />
Im Rahmen der zurückliegenden Betriebsratswahlen 2014 hatte<br />
der amtierende Wahlvorstand im Wahlausschreiben angegeben,<br />
dass die wahlberechtigten Arbeitnehmer/innen aufgefordert<br />
seien, vor Ablauf von 2 Wochen, spätestens jedoch bis zum<br />
XX.XX.2014, 15.00 Uhr Vorschlagslisten beim Wahlvorstand<br />
einzureichen. Die im Betrieb vertretene Gewerkschaft reichte<br />
innerhalb der Frist ihre Vorschlagsliste ein. Auf der Liste war<br />
ein ursprünglich eingetragener Kandidat wieder gestrichen worden.<br />
Die Einreichung der Vorschlagsliste beim Wahlvorstand<br />
erfolgte persönlich durch den 1. Bevollmächtigten der zuständigen<br />
Verwaltungsstelle sowie einen Gewerkschaftssekretär der<br />
zuständigen Verwaltungsstelle, die den Wahlvorschlag auch<br />
unterzeichnet hatten. Gleichwohl wurde die Zulassung der<br />
Liste durch den Wahlvorstand mit der Begründung verweigert,<br />
dass die Streichung eines Bewerbers, nachdem dieser bereits<br />
schriftlich seine Willenserklärung zur Aufnahme in die Liste<br />
abgegeben habe, nicht zulässig sei. Die Betriebsratswahl fand<br />
daraufhin ohne die Kandidaten der zuständigen Gewerkschaft<br />
statt. Diese focht die Wahl daraufhin an.<br />
Die Entscheidung<br />
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg, ebenso wie die vorhergehende<br />
Instanz, das Arbeitsgericht Nürnberg, haben die Wahl<br />
für unwirksam erklärt. Zum einen sei schon die durch den<br />
Wahlvorstand angegebene Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen<br />
unzutreffend gewesen. Bei der Zweiwochenfrist<br />
gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 WO handelt es sich um eine gesetzliche<br />
Frist, die grundsätzlich um 24.00 Uhr endet. Der Wahlvorstand<br />
darf jedoch das Fristende auf eine frühere Zeit am<br />
selben Tag nach vorne verlegen, aber nur wenn der Zeitpunkt<br />
des festgesetzten Fristablaufs nicht vor dem Ende der Arbeitszeit<br />
der überwiegenden Mehrheit der Arbeitnehmer liegt. Die<br />
Tatsache, dass der Wahlvorstand und die Wahlvorstandsmitglieder<br />
womöglich ihre Arbeit um 15.00 Uhr, also zu einem<br />
früheren Zeitpunkt, beendeten, ist nicht relevant. Da nicht<br />
die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer um 15.00 Uhr<br />
ihre Arbeit beendete, hätte die Möglichkeit eröffnet werden<br />
müssen, bis 24.00 Uhr Wahlvorschläge einzureichen. Es ist<br />
den Wahlvorstandsmitgliedern oder zumindest einem Teil des<br />
Wahlvorstands zumutbar, über ihre Kernarbeitszeit hinaus<br />
bis 24.00 Uhr noch Wahlvorschläge anzunehmen. Nach § 19<br />
Abs. 2 BetrVG berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften<br />
nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn<br />
er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen<br />
konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei eine hypothetischen<br />
Betrachtungsweise eine Wahl ohne Verstoß gegen wesentliche<br />
Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten<br />
Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte.<br />
Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss also nur<br />
dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen<br />
lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein<br />
anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung<br />
nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit<br />
der Wahl.<br />
Darüber hinaus ist die Wahl auch unwirksam, weil der Wahlvorstand<br />
die Liste der zuständigen Gewerkschaft zu Unrecht<br />
zurückgewiesen hat. Gemäß § 14 Abs. 5 BetrVG muss jeder<br />
Wahlvorschlag einer Gewerkschaft von zwei Beauftragten<br />
unterzeichnet sein. Diese formalen Voraussetzungen für den<br />
Wahlvorschlag waren erfüllt. Die Streichung des Bewerbers<br />
war somit unerheblich, da die Liste, so wie sie eingereicht wurde,<br />
vom Willen der unterzeichnenden Beauftragten der Gewerkschaft<br />
umfasst war. Da bereits diese beiden Unterschriften<br />
ausreichten, war der Wahlvorschlag gültig und hätte durch den<br />
Wahlvorstand nicht zurückgewiesen werden dürfen. Der Wahlvorstand<br />
hat keinen Einfluss auf die Aufstellung von Listen<br />
und vor allem auch nicht auf die Durchführung der Wahl. Das<br />
Wahlverfahren ist in der Wahlordnung eingehend im Sinne<br />
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