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grundlagen der betriebsratsarbeit<br />

Wahrheit um jeden Preis<br />

AiB 6 | <strong>2016</strong><br />

Es ist stets sinnvoll aus diesem Grund in<br />

eine Betriebsvereinbarung, insbesondere<br />

im Rahmen des Mitbestimmungsrechts bei<br />

technischen Anlagen nach § 87 Abs. 1 Nr. 6<br />

BetrVG, ein formuliertes Beweisverwertungsverbot<br />

aufzunehmen, wie eine Entscheidung<br />

des Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg<br />

zeigt. In dem Fall, den das LAG<br />

Berlin- Brandenburg 5 zu entscheiden hatte,<br />

kündigte ein Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin<br />

wegen angeblicher Löschung von noch<br />

benötigten E-Mails. Da die Arbeitnehmerin<br />

die Löschung der E-Mails bestritt, ließ der<br />

Arbeitgeber die Benutzeraktivität entgegen<br />

einer Gesamtbetriebsvereinbarung durch einen<br />

Systemadministrator auswerten. In der<br />

Gesamtbetriebsvereinbarung war eine Auswertung<br />

zwar zulässig, jedoch nur in Anwesenheit<br />

von einem Mitarbeiter der Bereichsdirektion<br />

Personal oder der Rechtsabteilung,<br />

dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten<br />

und einem Betriebsratsmitglied. Die Auswertung<br />

ergab, dass die Arbeitnehmerin die<br />

Daten tatsächlich gelöscht haben muss. Das<br />

LAG Berlin-Brandenburg entschied jedoch,<br />

dass die Erkenntnis aus der Auswertung nicht<br />

verwertet werden durfte, da in der Gesamtbetriebsvereinbarung<br />

geregelt war, dass personelle<br />

Maßnahmen und somit auch Kündigungen,<br />

die auf Informationen beruhen, die unter<br />

Verstoß gegen die Gesamtbetriebsvereinbarung<br />

gewonnen wurden, unwirksam sind.<br />

Werden Beschäftigte<br />

überwacht, kann das<br />

eine Verletzung des<br />

Persönlich keitsrechts<br />

sein.<br />

rechtliches« Beweisverwertungsverbot aus<br />

dem Betriebsverfassungsgesetz. Das BAG entschied<br />

2007, 4 dass allein die Verletzung eines<br />

Mitbestimmungstatbestandes oder die Nichteinhaltung<br />

einer Betriebsvereinbarung und<br />

deren Verfahrensregelungen mangels einer<br />

gesetzlichen Vorschrift grundsätzlich nicht zu<br />

einer Unverwertbarkeit unstreitigen Sachvortrags<br />

oder unrechtmäßig erlangter Beweise<br />

führe. Das BAG hatte sich in dieser Entscheidung<br />

jedoch nicht mit der Frage zu beschäftigen,<br />

ob ein zwischen den Betriebsparteien<br />

ausdrücklich geregeltes Beweisverwertungsverbot<br />

auch zu einer Unverwertbarkeit von<br />

Beweisen führen würde.<br />

Beweisverwertungsverbot in<br />

Betriebsvereinbarung formulieren<br />

Höchstrichterliche Entscheidung<br />

steht noch aus<br />

Bislang hat das BAG noch nicht entschieden,<br />

ob eine Regelung über die verfahrensrechtlichen<br />

Rechtsfolgen zwischen den Betriebsparteien<br />

getroffen werden kann. Es hat lediglich<br />

entschieden, dass es kein automatisches Beweisverwertungsverbot<br />

aus betriebsverfassungsrechtlichen<br />

Vorschriften gibt.<br />

Gerade Betriebsvereinbarungen zu den<br />

Fallgruppen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG<br />

würden faktisch leerlaufen, wenn kein Beweisverwertungsverbot<br />

geregelt würde. Der<br />

Arbeitgeber könnte jederzeit in vollem Wissen<br />

der Unrechtmäßigkeit gegen die Betriebsvereinbarung<br />

verstoßen und sich so Informationen<br />

beschaffen. Einzig ein Verfahren nach<br />

§ 23 Abs. 3 BetrVG seitens des Betriebsrats<br />

hätte er zu befürchten. Dem Arbeitnehmer<br />

nützt dies in diesem Moment wenig, wenn das<br />

Gericht nicht ohnehin ein allgemeines an den<br />

Grenzen des Art. 2 Abs. 1 GG gemessenes<br />

Beweisverwertungsverbot annähme. Damit<br />

ein vernünftiger Schutz für die Arbeitnehmer<br />

hergestellt werden kann, ist eine Regelung<br />

über ein Beweisverwertungsverbot in einer<br />

Betriebsvereinbarung über Datenerhebung<br />

und Datenauswertung daher unerlässlich. Es<br />

ist letztlich auch nur konsequent, wenn der<br />

Arbeitgeber dazu angehalten wird, sich an seine<br />

eigenen mit dem Betriebsrat aufgestellten<br />

Regeln zu halten. v<br />

Simone Rohs, Rechtsanwältin,<br />

schwegler Rechtsanwälte, Düsseldorf.<br />

4 BAG 13.12.2007 – 2 AZR 537/<strong>06</strong>.<br />

5 LAG Berlin-Brandenburg 9.12.2009 – 15 Sa 1463/09.<br />

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