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Medien- und Massenkommunikation: Begriffe und Modelle

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das perfideste Regime des Massenterrors <strong>und</strong> die grausamste, perfekteste Maschinerie<br />

der physischen Massenvernichtung rechtfertigten (siehe Rammstedt 1986): Gerade jene<br />

Massenpsychologie, die a priori die Schlechtigkeit der Masse postuliert <strong>und</strong> zugleich nach<br />

der Herrschaft ruft, die diese im Zaum hält, warnen die Soziologischen Exkurse (Institut<br />

für Sozialforschung 1956, 74), die in der unmittelbaren Nachkriegszeit im Frankfurter<br />

Institut für Sozialforschung unter der Leitung von Max Horkheimer (1895 -1973) <strong>und</strong><br />

Theodor W. Adorno (1903 – 1969) entstehen, wird selbst ein Mittel der Verführung. So<br />

lesen sich Hitlers Deklamationen über die Masse <strong>und</strong> ihre Beeinflussung wie eine billige<br />

Kopie Le Bons. Massenpsychologische Gemeinplätze verdecken jene die Massen<br />

manipulierende Demagogie, in deren Dienst sie selbst stehen.<br />

In den USA ist der Begriff ‘mass’ nicht derart tiefgründig <strong>und</strong> ideologisch besetzt,<br />

wenngleich die europäische Diskussion, vor allem aber die aufkommenden totalitären<br />

Bewegungen Besorgnis erregen. Eher wird ‘Masse’ funktionalistisch gesehen als relativer<br />

Indikator für jenen Grad der erreichten Industrialisierung <strong>und</strong> Urbanisierung, für die<br />

fortschreitende soziale Nivellierung <strong>und</strong> Erosion, aber auch als Ausdruck für die als<br />

unumkehrbar erachtete Isolierung des Individuums aus den überkommenen Strukturen<br />

wie Verwandtschaft, Tradition, Religion oder ständischer Position. Zunehmend – so die<br />

verbreitete Diagnose – vereinzeln die Individuen, leben isolierten Atomen ähnlich in<br />

wechselseitiger Anonymität, als “einsame Masse” <strong>und</strong> sind Einflüssen, zumal gezielt von<br />

außen ansetzenden wie den <strong>Medien</strong> schutzlos ausgeliefert (Riesman 1958).<br />

In die deutsche Sprache wird der Begriff ‘<strong>Massenkommunikation</strong>’ in den 60er Jahren<br />

durch die schlichte Übernahme des angloamerikanischen ‘mass communication’<br />

eingeführt – <strong>und</strong> die ideologischen Implikationen des mitteleuropäischen Masse-Begriffs<br />

bleiben wohl anfangs unbedacht. Seither debattiert man über seine missverständliche<br />

Semantik <strong>und</strong> hat auch schon für seine Abschaffung plädiert (Merten 1977, 145; Merten<br />

1986, 111). Aber seine internationale Gebräuchlichkeit lässt ihn überleben – bis er nun<br />

wohl von dem unverfänglichen, aber auch breiteren der <strong>Medien</strong> oder der medialen<br />

Kommunikation abgelöst wird, weil die realen Entwicklungen – wie skizziert – dahin<br />

tendieren.<br />

Falsch sei von Anfang an gewesen, kritisierte der amerikanische Soziologe Herbert<br />

Blumer (1966, 30, zit. nach Kunczik 1979 2 , 18f), der Massengesellschaft zu unterstellen,<br />

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