Medien- und Massenkommunikation: Begriffe und Modelle
Medien- und Massenkommunikation: Begriffe und Modelle
Medien- und Massenkommunikation: Begriffe und Modelle
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
http://www.mediaculture-online.de<br />
ständig beschworen wird, auch wenn es sich insgeheim um eine kontrollierte<br />
Aufzeichnung handelt. Heute wird es sogar von der ‘Echtzeit’ übertrumpft, also von der<br />
Gleichzeitigkeit von Ereignis <strong>und</strong> Berichterstattung sowie von der Simultaneität medialer<br />
Reproduktion in diversen (multimedialen) Kanälen (Virilio 1992, 1996; Hörisch 1993;<br />
Kloock/Spahr 2000, 133ff). Daneben ist eine Aktualität zweiten oder auch posterioren<br />
Grades – vornehmlich für die Druckmedien – erf<strong>und</strong>en worden, da die Rasanz der<br />
Produktion die Berichterstattung in den elektronischen <strong>Medien</strong> sehr verkürzt <strong>und</strong> ihr<br />
vielfach Hintergr<strong>und</strong> wie Einordnung zum Opfer fallen. So arbeiten vor allem<br />
ausführlichere <strong>und</strong> auch wertende Formen des Journalismus – etwa in Magazinen,<br />
Berichten <strong>und</strong> Reportagen – Hintergründe aktueller Ereignisse auf, avisieren <strong>und</strong><br />
beurteilen Entwicklungen <strong>und</strong> Tendenzen <strong>und</strong> erschließen Zusammenhänge. Bei<br />
investigativen Vorgehensweisen des Journalismus, bei denen unbekannte Tatsachen<br />
oder geheim gehaltene Machenschaften enthüllt <strong>und</strong> damit der öffentlichen Diskussion<br />
zugänglich gemacht werden (Ludwig 2002), schaffen die <strong>Medien</strong> selbst Aktualität, da ihre<br />
Redaktionen bestimmen, wann <strong>und</strong> wie sie ihre Recherchen <strong>und</strong> Enthüllungen<br />
veröffentlichen wollen. Die Publikation wird dabei zum Ereignis <strong>und</strong> kann dann ihrerseits<br />
publizistische Reaktionen <strong>und</strong> Weiterungen auslösen. Vor allem die wöchentlichen<br />
Magazine – wie SPIEGEL, STERN <strong>und</strong> FOCUS – sehen in solch einer publizistischen<br />
Aktualität ihre öffentliche Aufgaben, <strong>und</strong> sie leben auch publizistisch wie ökonomisch von<br />
ihr.<br />
Allerdings sind die Übergänge zur so genannten “Pseudo-Aktualität” fließend, deren sich<br />
besonders populäre <strong>Medien</strong> mit denen von ihnen initiierten oder gar inszenierten<br />
Ereignissen (“Events”) <strong>und</strong> “News” unaufhörlich befleißigen. Denn auch besagte<br />
Magazine bauschen oft Pseudo-Ereignisse, Vermutungen <strong>und</strong> Verdächtigungen<br />
unverhältnismäßig auf <strong>und</strong> produzieren “Schein-Enthüllungen”, wenn nicht gar<br />
Falschmeldungen (“Enten”). Denn alle <strong>Medien</strong> müssen <strong>und</strong> wollen in der heute<br />
verschärften Konkurrenz <strong>und</strong> Vielzahl Aufmerksamkeit erzeugen, am besten eine, die sie<br />
selbst lancieren <strong>und</strong> bestimmen, sie setzen sich mithin selbst als Aktualität <strong>und</strong> Nachricht<br />
<strong>und</strong> betonen die bereits weit gediehene Selbstreferentialität bzw. Eigenrealität des<br />
<strong>Medien</strong>systems. Immer weniger fungiert es nämlich als öffentlicher Mittler zwischen<br />
sozialer Wirklichkeit <strong>und</strong> Publikum, vielmehr agiert es oft genug als besagte eigene<br />
Realität, die sich dem Publikum als vermeintlich bedeutend <strong>und</strong> attraktiv aufdrängt.<br />
48