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SOCIETY 370 / 2016

WIRTSCHAFT - POLITIK - DIPLOMATIE - WISSENSCHAFT - KULTUR - LEUTE

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BANGLADESCH<br />

INTERVIEW<br />

Fotos: <strong>SOCIETY</strong>/pobaschnig<br />

Bangladesch verfolgt eine Politik<br />

der Freundschaft mit<br />

allen.“ Außenminister Abul<br />

Hassan Mahmood Ali sieht<br />

sein Land als eine Brücke in<br />

Südostasien. „Wir wollen die<br />

Lebensqualität unseres Volkes verbessern<br />

und in der internationalen Gemeinschaft<br />

die Rolle eines verantwortungsbewussten<br />

Landes spielen, mit dem Bekenntnis zu einem<br />

Staat mit einem säkularen demokratischen<br />

System“, formulierte der Minister<br />

anlässlich seines Österreich-Besuchs das<br />

Ziel seines Landes.<br />

Bangladesch habe in den letzten Jahren<br />

große Fortschritte gemacht und die<br />

Entwicklungsziele der UNO erreicht, insbesondere<br />

für die Frauen. „Auf einigen<br />

Gebieten sind wir ein Vorbild geworden“,<br />

sagt Minister Ali nicht ohne Stolz. 2015/16<br />

sei beim Bruttonationalprodukt eine positive<br />

Entwicklung konstatiert worden.<br />

„Bangladesch schreitet voran, es wurde<br />

von der Weltbank höher eingestuft.“<br />

Innenpolitisch stehe die Koexistenz der<br />

Volksgruppen auf der Agenda ganz oben.<br />

90 Prozent der Bevölkerung sind Muslime,<br />

ein Prozent Buddhisten, noch weniger<br />

Christen. „Doch wir leben alle friedlich<br />

zusammen. Jeder in Bangladesch,<br />

egal welcher Religion er angehört, nimmt<br />

an Festen der anderen Religionen teil. Da<br />

gibt es eine wirkliche Harmonie.“ Bangladesch<br />

sei ein Staat mit muslimischer<br />

Mehrheit, setze sein Vertrauen aber in ein<br />

System der säkularen Demokratie.<br />

Ist Ihr Wien-Besuch in erster Linie<br />

eine bilaterale Visite?<br />

Es handelt sich um eine bilaterale Visite<br />

im Auftrag der Regierung. Ich komme<br />

erstmals als Außenminister. Doch habe<br />

ich ein besonderes Verhältnis zu Österreich,<br />

denn als ich Botschafter in Deutschland<br />

war, war ich für Österreich mitakkreditiert.<br />

Daher lag mir sehr viel daran, hier<br />

einen bilateralen Besuch zu absolvieren.<br />

Als Botschafter war ich bereits früher in<br />

Österreich gewesen.<br />

Sie trafen Außenminister Sebastian<br />

Kurz. Welche Themen besprachen Sie?<br />

Es gibt viele Chancen der wirtschaftlichen<br />

Kooperation. Der Handel zwischen<br />

beiden Ländern hat sich in den letzten<br />

Jahren ausgeweitet. Die EU ist unser<br />

größter Exportpartner. Wir sind stark<br />

im Schiffsbau, in der Pharmaindustrie,<br />

sind ein großer Exporteur von Fahrrädern<br />

nach Europa – auch Österreich. In<br />

der Kommunikations- und IT-Branche<br />

sind wir gut im Geschäft. An der nächsten<br />

CEBIT-Messe in Hannover werden wir<br />

teilnehmen. Mit Österreich möchten wir<br />

die Zusammenarbeit ausbauen, auch auf<br />

dem High-Tech-Sektor.<br />

Welche politischen Themen wurden<br />

im Außenamt erörtert?<br />

Es ging etwa darum, wie Bangladesch<br />

den Terrorismus bekämpft, welche Position<br />

wir vertreten. Wir haben null Toleranz<br />

gegenüber dem Terrorismus und gewalttätigen<br />

extremistischen Gruppen. Weiters,<br />

wie es um den Informationsaustausch<br />

mit verschiedenen Partnern steht. Wie wir<br />

anderen Staaten helfen, mit dieser Bedrohung,<br />

diesem Problem fertig zu werden.<br />

Führten Sie in Wien auch Gespräche<br />

über multilaterale Themen?<br />

Im Dezember richten wir in Dhaka ein<br />

globales Forum über Migration und Entwicklung<br />

aus. Wir haben Österreich dazu<br />

eingeladen. Die Migrations- und Flüchtlingsproblematik<br />

war in der UNO-Generalversammlung<br />

im Herbst ein Top-Thema.<br />

Eine Vielzahl an Gipfelgesprächen fand<br />

statt. Ministerpräsidentin Sheika Hasina<br />

nahm auch an dem Flüchtlingsgipfel teil,<br />

den US-Präsident Barack Obama einberief.<br />

Weltweit stehen diese Themen im Fokus<br />

multilateraler Treffen. Auch Bangladesch<br />

muss Engagement und Verantwortung<br />

zeigen.<br />

Bangladesch ist auch Mitglied eines<br />

hochrangigen internationalen Gremiums<br />

zu Wasserfragen unter Ägide des<br />

US-Außenministers. Sheika Hasina nahm<br />

an dem Treffen des Panels teil und legte<br />

am UNO-Sitz in New York auch den Standpunkt<br />

Bangladeschs vor der Presse dar.<br />

Wir leisten als Truppen stellendes Land<br />

einen großen Beitrag für Friedensmissionen<br />

der Vereinten Nationen. Bangladesch<br />

ist ein engagiertes Mitglied dieser Peacekeeping<br />

Operations und nimmt seinen<br />

Anteil an der internationalen Verantwortung<br />

wahr.<br />

Bangladesch hat zwei Atommächte,<br />

Indien und Pakistan, als Nachbarn. Welche<br />

Haltung nimmt es ein?<br />

Bangladesch hat keine Nuklear-Ambitionen<br />

und unterzeichnete den Atomwaffensperrvertrag.<br />

Wir hoffen, dass alle auf<br />

dem südasiatischen Subkontinent den<br />

Frieden bewahren werden. Sheika Hasina<br />

hat an Indien und Pakistan appelliert,<br />

sich Zurückhaltung aufzuerlegen.<br />

Wie beurteilen Sie die Wahl von UNO-<br />

Flüchtlingshochkommissar Antonio Guterres<br />

zum nächsten UNO-Generalsekretär?<br />

Wir begrüßen seine Wahl. Er verfügt<br />

über große Erfahrung und er bewältigte<br />

das Amt des Flüchtlingshochkommissars<br />

ausgezeichnet. Er übte diese Funktion<br />

zwei Perioden hindurch, zehn Jahre lang<br />

aus, und er machte seine Sache sehr gut.<br />

Bangladesch ist ein mehrheitlich<br />

muslimisches Land, der Islam ist Staatsreligion.<br />

Das ist der Fall, doch wurde dies von<br />

den religiösen Diktatoren so beschlossen.<br />

Etwas aufzuheben, was in der Verfassung<br />

verankert ist, ist schwierig. Aber das Volk<br />

von Bangladesch strebt einen säkularen<br />

demokratischen Staat an. Alle vier wichtigen<br />

Religionen sind auf unserer Linie.<br />

Papst Franziskus plant eine Reise<br />

nach Indien und auch nach Bangladesch.<br />

Wurde das schon bestätigt?<br />

Ja. Der Erzbischof von Dhaka wurde<br />

kürzlich vom Papst zum Kardinal ernannt.<br />

Die Christen in Bangladesch sind<br />

großteils römisch-katholisch. Von 160<br />

Millionen Menschen ist selbst ein Prozent<br />

ziemlich viel. Der Papst-Besuch in Bangladesch<br />

im nächsten Jahr ist ein Akt der<br />

internationalen Anerkennung, auch für<br />

das Festhalten an den Prinzipien der säkularen<br />

Demokratie, und eine große Ehre<br />

für das Volk von Bangladesch.<br />

A propos Islamismus. Bangladesch<br />

hatte einen heißen Sommer, mit blutigen<br />

Terrorangriffen.<br />

Es gab einen Angriff, bei dem etwa 20<br />

Menschen getötet wurden. Viele von ihnen<br />

waren Ausländer, Italiener und Japaner.<br />

Danach gab es keine Angriffe mehr.<br />

Bangladesch betont, bei den Tätern<br />

handle es sich um einheimische Gruppierungen,<br />

nicht um internationale Terroristen.<br />

Einige gewalttätige Gruppen wurden<br />

unter Kontrolle gebracht. Bei Terroristen<br />

haben wir null Toleranz. (Der Minister<br />

zitiert aus einem Dokument:) Bei den Angreifern<br />

handelte es sich um junge Männer<br />

aus der Mittelschicht in Bangladesch.<br />

Sie mögen vor der schwarzen IS-Flagge<br />

posieren, sie mögen sich auf die Ziele ausländischer<br />

Extremisten berufen, wie Zerstörung<br />

der Demokratie, die Rechte von<br />

Frauen und Kindern unterstützt, doch<br />

diese Terroristen sind hausgemacht. Dies<br />

ergaben Verhöre von festgenommenen Attentätern<br />

und Informationen der Sicherheitsdienste.<br />

In europäischen Medien gab es Berichte<br />

über Unfälle in der Textilindustrie<br />

wegen unzureichender Sicherheit.<br />

Einen Unfall gab es 2012, jetzt sch-<br />

➢<br />

<strong>SOCIETY</strong> 2_<strong>2016</strong> | 59

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