Komplett. Das Sauerlandmagazin. Zwischen Verse und Sorpe. Ausgabe September/Oktober 2017
Themen u.a. Plettenberg und Herscheid werden demenzfreundliche Kommunen; Sie hängen noch: Kaugummiautomaten und andere Exoten; Leben im Kloster: vier Mönche in Werdohl
Themen u.a. Plettenberg und Herscheid werden demenzfreundliche Kommunen; Sie hängen noch: Kaugummiautomaten und andere Exoten; Leben im Kloster: vier Mönche in Werdohl
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EINLADUNG ZUM TUNDELN<br />
Katharina Vollmerhaus liebt kreative Handarbeit<br />
Kennen Sie T<strong>und</strong>eln? Noch nicht gehört? Früher wusste<br />
jedes Kind, was damit gemeint ist. T<strong>und</strong>eln ist eine in<br />
Vergessenheit geratene Flechttechnik, mit der Schnüre,<br />
Bänder oder Kordeln hergestellt werden.<br />
von Martin Büdenbender<br />
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Katharina Vollmerhaus hat das T<strong>und</strong>eln neu entdeckt. Sie<br />
demonstriert die erstaunlich einfache Technik. Die Enden<br />
von vier unterschiedlich gefärbten Wollfäden werden<br />
je an ein als Gewicht dienendes T<strong>und</strong>elholz geb<strong>und</strong>en,<br />
die anderen Enden zusammengeknotet <strong>und</strong> so hoch<br />
oben an einem Türrahmen oder Deckenbalken angebracht,<br />
dass die T<strong>und</strong>elhölzer auf Höhe der Hände hängen.<br />
Und schon kann das Spiel beginnen: Zwei Personen<br />
werfen sich in rhythmischer Folge einander die T<strong>und</strong>eln<br />
in einer abgesprochenen Reihenfolge zu, wodurch sich<br />
die Fäden miteinander verflechten <strong>und</strong> sich ein schönes<br />
Farbmuster ergibt.<br />
Von Ackerbau <strong>und</strong> Viehzucht <strong>und</strong> natürlich vom Eisengewerbe<br />
haben die Menschen früher im Lennetal gelebt.<br />
„Nicht nur“, weiß Katharina Vollmerhaus. „Plettenberg<br />
zum Beispiel war eine richtige Weberstadt“, betont die<br />
Herscheiderin. Webereien gab es dort zuhauf. <strong>Das</strong> änderte<br />
sich erst mit dem Stadtbrand von 1725, der 94 Prozent<br />
des Plettenberger Stadtgebietes vernichtete <strong>und</strong> dem<br />
auch die meisten Webstühle zum Opfer fielen. Heute erinnert<br />
rein gar nichts mehr in der Vier-Täler-Stadt daran, wie<br />
sehr die Herstellung von Textilien früher einmal das Leben<br />
bestimmt hat. Damals wurde nicht nur gewebt, sondern<br />
auch gestrickt, gehäkelt <strong>und</strong> genäht. Legendär war<br />
die Unterwäsche fürs Militär aus Plettenbergs Web- <strong>und</strong><br />
Nähstuben. Strapazierfähige Wolle von Sauerländer Schafen.<br />
„Unverwüstlich waren die Unterhosen“, lacht Katharina<br />
Vollmerhaus, „aber es gab Beschwerden. Die Unterwäsche<br />
soll ordentlich gekratzt <strong>und</strong> gejuckt haben.“<br />
R<strong>und</strong> ums Thema Weberei <strong>und</strong> Handarbeitskunst kennt<br />
die Herscheiderin viele Geschichten. Sie erinnert an ein<br />
altes Gedicht, in dem eine hübsche Magd drei stolze Ritter<br />
zugunsten eines schneeweißen Webers verschmähte.<br />
„Wissen Sie, was mit einem schneeweißem Weber gemeint<br />
ist? Schneeweiß war er, weil er die Schwindsucht<br />
hatte. Und die Schwíndsucht war insbesondere unter Leinenwebern<br />
weit verbreitet, weil die ganz unges<strong>und</strong> in<br />
dunklen Kellern in Lehmkuhlen hockten, um den Leinen<br />
feucht weben zu können. Damals war weiße Hautfarbe<br />
hoch angesehen. Sie zeugte von einem vornehmen<br />
Stand.“