Komplett. Das Sauerlandmagazin. Zwischen Verse und Sorpe. Ausgabe September/Oktober 2017
Themen u.a. Plettenberg und Herscheid werden demenzfreundliche Kommunen; Sie hängen noch: Kaugummiautomaten und andere Exoten; Leben im Kloster: vier Mönche in Werdohl
Themen u.a. Plettenberg und Herscheid werden demenzfreundliche Kommunen; Sie hängen noch: Kaugummiautomaten und andere Exoten; Leben im Kloster: vier Mönche in Werdohl
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SPURENSUCHE<br />
ZWISCHEN<br />
GRABSTEINEN<br />
Jüdische Friedhöfe im Sauerland<br />
<strong>und</strong> was das mit uns zu tun hat<br />
Von Iris Kannenberg<br />
Jüdisches<br />
Leben im Sauerland.<br />
Gibt es das überhaupt<br />
noch? Eigentlich nicht. Vor<br />
dem Holocaust waren Städte wie Finnentrop, Plettenberg,<br />
Lüdenscheid oder Meinerzhagen voll mit jüdischem<br />
Leben. Es gab viele jüdische Mitbürger. Sehr viele<br />
von ihnen angesehen <strong>und</strong> geachtet. Sie waren mitten<br />
drin im Leben. Sauerländer eben. Nachbarn. Fre<strong>und</strong>e.<br />
Was ist passiert? Wie konnte so etwas überhaupt passieren?<br />
<strong>Das</strong>s ein Teil der Bevölkerung einfach verschwindet.<br />
Für „lebensunwert“ erklärt wird. Ausgelöscht ist. Wie<br />
würde das sein, wenn heute jemand meine Nachbarin<br />
einfach abholen würde? Meinen Friseur, meine beste<br />
Fre<strong>und</strong>in, meinen Banker, meinen Arbeitskollegen. Und<br />
keiner von ihnen käme jemals zurück. Einfach weg. Für<br />
immer.<br />
Wie würde ich damit umgehen, mich fühlen, um sie<br />
trauern? Würde ich mich dagegen wehren? So, wie<br />
manche es getan haben zwischen 1933 <strong>und</strong> 1945? Mein<br />
Leben riskieren? Was blieb hier im Sauerland übrig von<br />
der großen jüdischen Gemeinschaft, die so lange zum<br />
Leben dazu gehörte? Wie kann so etwas überhaupt passieren,<br />
dass ein wichtiger Teil der Bevölkerung einfach<br />
nicht mehr existiert?<br />
Es gibt nicht mehr viele Zeugen jüdischen Lebens im<br />
Lenne- oder Volmetal. Vieles ist vergessen, verdrängt,<br />
nicht mehr existent. Es gibt nur wenige Denkmäler, die<br />
uns aus der Zeit berichten, in der Menschen einer<br />
anderen Religionsgemeinschaft mitten unter uns<br />
wohnten, lebten <strong>und</strong> arbeiteten. Bei uns Zuflucht fanden.<br />
Nach Jahrh<strong>und</strong>erten der Diaspora, der Zerstreuung<br />
des jüdischen Volkes unter die Nationen, erhielten die<br />
deutschen Juden im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert endlich schrittweise<br />
staatsbürgerliche Rechte. In Deutschland erlebten die<br />
Juden, die in Europa durch die schrecklichsten Progrome<br />
gegangen waren <strong>und</strong> eigentlich überall verfolgt wurden,<br />
ein sogenanntes „Goldenes Zeitalter“. Sie fühlten sich<br />
angekommen <strong>und</strong> akzeptiert. Als Teil der Gesellschaft.<br />
Was genau war es, das Deutsche dazu brachte, ihre<br />
ebenfalls deutschen Nachbarn nur wegen ihrer Zugehörigkeit<br />
zu einer anderen Religionsgemeinschaft ohne<br />
Widerstand nach Auschwitz gehen zu lassen? Und was<br />
blieb von den Deportierten zurück?<br />
Diese Fragen zu beantworten ist nicht leicht. Neid, Missgunst,<br />
Gleichgültigkeit, Angst? Was bewegt Menschen<br />
dazu, einfach wegzuschauen? Was erinnert uns überhaupt<br />
noch an diese Zeit? Nun, sicher die Mahnmale <strong>und</strong><br />
Tafeln an ehemaligen jüdischen Gebäuden.<br />
So war die Stadtbibliothek Lüdenscheid, die im Haus der<br />
jüdischen Kultusgemeinde sitzt, also eigentlich einmal<br />
eine Synagoge. Daran erinnert eine Tafel auf der Rückseite<br />
des Gebäudes. In Meinerzhagen, der Volme-Stadt,<br />
in der die meisten Juden in diesem Teil des Sauerlandes<br />
gelebt haben, erinnern „Stolpersteine“ an die Juden,<br />
die deportiert wurden. Eine gute Aktion, deren Weiterführung<br />
jedoch leider 2016 vom Stadtrat gestoppt wurde.<br />
Man befürchtete etwaige Regressforderungen gegenüber<br />
der Stadt ....<br />
Bewegende Gedenktafel<br />
in Plettenberg<br />
Was tatsächlich übrigblieb, sind die jüdischen Friedhöfe.<br />
Überall gibt es sie. In Plettenberg, Finnentrop, Meinerzhagen,<br />
Lüdenscheid, Altena. Einige davon habe ich besucht.<br />
Ich wollte wissen, ob mich das, was sie repräsentieren,<br />
nämlich einen Teil unserer Bevölkerung, der niemals<br />
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