Komplett. Das Sauerlandmagazin. Zwischen Verse und Sorpe. Ausgabe September/Oktober 2017
Themen u.a. Plettenberg und Herscheid werden demenzfreundliche Kommunen; Sie hängen noch: Kaugummiautomaten und andere Exoten; Leben im Kloster: vier Mönche in Werdohl
Themen u.a. Plettenberg und Herscheid werden demenzfreundliche Kommunen; Sie hängen noch: Kaugummiautomaten und andere Exoten; Leben im Kloster: vier Mönche in Werdohl
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AUF SCHNÄPPCHENJAGD<br />
EIN HUBBI-KURZKRIMI Von Pia Mester<br />
„Hubbi! Frühstück ist fertig!“<br />
Hannelores markerschütterndes Brüllen riss Hubbi aus<br />
dem Tiefschlaf. Auch ihr Rauhhaardackel Meter hatte<br />
sich erschrocken <strong>und</strong> sprang auf ihr Bett, um seinem<br />
Frauchen erstmal ausgiebig das Gesicht zu schlecken.<br />
Sie schaute auf den Minnie-Maus-Wecker auf ihrem<br />
Nachttisch: 8.20 Uhr. An einem Samstag!<br />
Aber da sie nun schon mal wach war <strong>und</strong> sie wusste,<br />
dass ihre Mutter keine Ruhe geben würde, bis sie<br />
sich an den familiären Frühstückstisch bequemt hatte,<br />
schlüpfte Hubbi in ihre Plüsch-Hauslatschen <strong>und</strong> schlurfte<br />
nach unten.<br />
Ihr Vater Hermann murmelte ein knappes „Guten Morgen“<br />
<strong>und</strong> versteckte sich wieder hinter der Tageszeitung.<br />
Sobald er einen Teil fertig gelesen hatte, reichte er<br />
die Seiten an seine Frau weiter. Die schaute Hubbi vorwurfsvoll<br />
an. „Du verschläfst noch dein ganzes Leben“,<br />
sagte sie <strong>und</strong> biss in ihr Marmeladenbrötchen.<br />
Hubbi erwiderte nichts. Stattdessen setzte sie sich <strong>und</strong><br />
begann damit, eine Brötchenhälfte dick mit Nutella zu<br />
beschmieren.<br />
„Da stopft jemand immer wieder Restmüll in den Glascontainer“,<br />
murmelte Hermann in die Stille. „Die Stadtverwaltung<br />
droht damit, den Container abzubauen,<br />
wenn das nicht aufhört.“<br />
„Unverschämt sowas“, ereiferte sich Hannelore kurz <strong>und</strong><br />
schaute dann wieder in den Stapel Werbeprospekte vor<br />
ihr.<br />
Hubbi kannte den Container, er lag genau auf ihrem alltäglichen<br />
Gassi-Weg. Gar nicht so doof, dachte sie. Der<br />
Glascontainer befand sich nicht direkt in einem Wohngebiet.<br />
Niemand bekam mit, wenn dort jemand seinen<br />
Müll ablud.<br />
„Oh, heute startet im Sterncenter der Sommerschlussverkauf“,<br />
sagte Hannelore aufgeregt <strong>und</strong> griff nach<br />
dem schnurlosen Telefon. „Hallo, Edeltraud“, hörte Hubbi<br />
ihre Mutter sagen. „Ja, hast du schon gesehen, im<br />
Sterncenter gibt es in allen Läden Prozente. Ja, hm, ja,<br />
in Ordnung, ich hole dich um zehn ab. Hm“, ihr Blick<br />
flog zu Hubbi. „Ich frag sie mal.“<br />
Hubbi schwante Böses. Wenn ihre Mutter <strong>und</strong> deren<br />
beste Fre<strong>und</strong>in, die dummerweise auch Hubbis Patentante<br />
war, etwas ausheckten, endete das für Hubbi<br />
meist übel.<br />
Hannelore legte auf <strong>und</strong> räusperte sich. „Edeltraud<br />
meinte du solltest mitkommen zum Einkaufsbummel.<br />
Sie findet, du könntest mal wieder ein paar neue Klamotten<br />
gebrauchen <strong>und</strong> vielleicht machst du ja ein<br />
Schnäppchen.“<br />
Hubbi würde lieber im Januar einmal quer durch die<br />
<strong>Sorpe</strong> schwimmen, als sich mit Edeltraud <strong>und</strong> ihrer Mutter<br />
ins Sommerschlussverkauf-Getümmel zu stürzen.<br />
„Ach was, geht ihr mal ohne mich, ich störe doch nur.“<br />
Sie hoffte, dass Hannelore sich damit zufrieden gab.<br />
Tat die aber nicht. „Und was hast du stattdessen vor?<br />
Eine R<strong>und</strong>e mit Meter drehen <strong>und</strong> dich wieder auf die<br />
faule Haut legen, so wie jeden Tag?“<br />
Hubbi wollte einwenden, dass sie abends ja noch arbeiten<br />
musste. Ihre Kneipe, die Nuckelpinne, betrieb sich<br />
schließlich nicht von alleine. Doch ihre Mutter bombardierte<br />
sie weiter mit Vorwürfen.<br />
„Eine junge Frau wie du muss doch mal raus. Also, als ich<br />
in deinem Alter war habe ich jede Gelegenheit wahrgenommen,<br />
einen netten jungen Mann kennen zu lernen.“<br />
Sie schielte rüber zu Hermann. Hubbi wusste, dass die<br />
beiden sich nicht zufällig über den Weg gelaufen waren,<br />
sondern einander von wohlwollenden Verwandten vorgestellt<br />
wurden.<br />
„Und du brauchst wirklich neue Sachen“, setzte Hannelore<br />
ihre Tirade fort, „Allein diese verwaschenen Jeans-<br />
Hosen, in denen du immer rumläufst. Und diese glitzernden<br />
T-Shirts, sowas tragen doch eher Kinder <strong>und</strong><br />
keine erwachsenen Frauen.“<br />
Hubbi öffnete den M<strong>und</strong>, doch ehe sie sich verteidigen<br />
konnte, sprang Hermann für sie in die Bresche. „Jetzt<br />
lass das arme Kind doch mal in Ruhe. Wenn sie nicht<br />
mitkommen will, dann will sie halt nicht.“<br />
Hannelore schaute beleidigt von ihrem Ehemann zu ihrer<br />
Tochter, klappte die Prospekte zu, kippte den Rest<br />
ihres Kaffees herunter <strong>und</strong> verschwand ohne ein Wort.<br />
Hubbi hörte ihren Vater hinter seiner Zeitung erleichtert<br />
aufatmen.<br />
Eine St<strong>und</strong>e später machte sich Hubbi mit Meter auf<br />
den Weg. Sie genoss die Ruhe <strong>und</strong> freute sich auf den<br />
einsamen Waldweg. Als sie an der Affelner Kirche vorbei<br />
kam, sah sie, dass die Blätter der Bäume sich bereits<br />
rot <strong>und</strong> gelb färbten. Ein Streifenwagen fuhr an ihr<br />
vorbei <strong>und</strong> bog in eine Nebenstraße ein. Sie erkannte<br />
ihren Schulfre<strong>und</strong> Kevin hinter dem Steuer. Er sah sie<br />
auch <strong>und</strong> grüßte unauffällig. Eigentlich konnte Hubbi<br />
Kevin nicht leiden, doch bei ihren Ermittlungen war er<br />
ihr oft eine Hilfe, also wollte sie es sich nicht mit ihm<br />
verscherzen.<br />
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