stahlmarkt 07.2011 (Juli)
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RECHT K 65<br />
Alles, was RECHT ist<br />
von Christoph Burgmer<br />
Christoph Burgmer<br />
Fachanwalt für Arbeitsrecht<br />
40212 Düsseldorf<br />
Tel. +49 211 586777-0<br />
www.burgmer.com<br />
Anfechtung eines Vergleichs<br />
wegen Drohung<br />
1.) Ein Prozessvergleich kann wegen Drohung<br />
angefochten werden (§ 123 Abs. 1<br />
BGB). Unerheblich ist, ob die Drohung<br />
vom Prozessgegner oder vom Gericht<br />
ausgeht.<br />
Auch wenn eine Partei (notwendig)<br />
anwaltlich vertreten ist, genügt zur<br />
Anfechtung die Beeinflussung ihres Willens,<br />
wenn der Prozessbevollmächtigte<br />
den Vergleich aufgrund der Weisung der<br />
Partei schließt.<br />
2.) Die Voraussetzungen an eine Drohung<br />
i.S.v. § 123 Abs. 1 BGB sind bereits dann<br />
erfüllt, wenn der Vorsitzende Richter<br />
eines Landesarbeitsgerichts gegenüber<br />
einer Prozesspartei äußert: »Gleich werden<br />
Sie an die Wand gestellt und erschossen«,<br />
»Ich reiße Ihnen sonst den Kopf<br />
ab« und »Seien Sie vernünftig, sonst<br />
müssen wir Sie zum Vergleich prügeln«.<br />
Die bloße, auch eindringliche Verdeutlichung<br />
der Prozessrisiken kann regelmäßig<br />
nicht als Drohung gewertet werden.<br />
Die Entscheidung des BAG stellt klar, dass<br />
ein gerichtlich abgeschlossener Vergleich<br />
angefochten werden kann, wenn dieser aufgrund<br />
einer Drohung evtl. durch einen Richter<br />
für das Abschließen eines Prozessvergleichs<br />
ausgesprochen wurde. Die Aufgabe<br />
der Richter ist es, Rechtsstreitigkeiten zu<br />
entscheiden. Darauf hat jede Partei verfassungsgemäß<br />
einen Anspruch (sog. Justizgewährungsanspruch).<br />
Bei einem Güte- oder<br />
einem Kammertermin ist es von Vorteil, dass<br />
Zeugen im Gerichtssaal anwesend sind, sollte<br />
man sich vom Richter bedrängt fühlen.<br />
Ebenso sollte man darauf bestehen, mögliches<br />
Drohverhalten des Richters im Protokoll<br />
aufzunehmen.<br />
BAG, Urteil vom 12.05.2010 – 2 AZR 544/08<br />
Abmahnung schränkt<br />
Kündigungsmöglichkeit ein<br />
1.) Spricht der Arbeitgeber wegen einer<br />
bestimmten Vertragspflichtverletzung<br />
eine Abmahnung aus, so kann er wegen<br />
des darin gerügten Verhaltens des<br />
Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis<br />
nicht mehr – außerordentlich oder<br />
ordentlich – kündigen.<br />
2.) Treten anschließend weitere Pflichtverletzungen<br />
zu den abgemahnten hinzu<br />
oder werden frühere Pflichtverletzungen<br />
dem Arbeitgeber erst nach Ausspruch der<br />
Abmahnung bekannt, kann er auf diese<br />
zur Begründung einer Kündigung zurückgreifen<br />
und dabei die bereits abgemahnten<br />
Verstöße unterstützend heranziehen.<br />
Mit diesem Urteil führt das BAG seine Rechtsprechung<br />
zum Verbrauch eines Kündigungsgrundes<br />
durch Ausspruch einer<br />
Abmahnung fort. Somit verzichtet man<br />
beim vorschnellen Abmahnen zugleich auf<br />
sein etwaiges Kündigungsrecht.<br />
Damit eine Abmahnung auch eine Warnfunktion<br />
hat, sollte sie möglichst zügig ausgesprochen<br />
werden. Es ist jedoch sinnvoll,<br />
sich im Abmahnungsschreiben vorzubehalten,<br />
aufgrund anderer Vergehen zu kündigen.<br />
Formulierungsbeispiel: »Hinsichtlich<br />
anderer Pflichtverletzungen, die nicht<br />
Gegenstand dieser Abmahnung sind, behalten<br />
wir uns den Ausspruch einer Kündigung<br />
vor«.<br />
BAG, Urteil vom 26.11.2009 – 2 AZR 751/08<br />
Falsch berechnete<br />
Kündigungsfrist<br />
1.) Ist die Frist in einer Kündigungserklärung<br />
falsch angegeben, so wird dadurch die<br />
ordentliche Kündigung insgesamt<br />
unwirksam. In diesem Fall muss der<br />
gekündigte Arbeitnehmer innerhalb von<br />
drei Wochen Kündigungsschutzklage<br />
erheben.<br />
2.) Der fünfte Senat des BAG beantwortet<br />
die Frage nicht, ob eine mit zu kurzer<br />
Frist erklärte Kündigung im Regelfall als<br />
Kündigung mit richtiger Frist auszulegen<br />
ist.<br />
Die einzelnen Senate des BAG sind sich<br />
nicht einig, wie mit einer ordentlichen Kündigung<br />
umgegangen werden soll, die mit zu<br />
kurzer Frist ausgesprochen wurde. Zwei<br />
Senate sind der Ansicht, dass bei einer<br />
ordentlichen Kündigung für den Arbeitnehmer<br />
erkennbar ist, dass der Kündigende die<br />
Frist einhalten wollte. Der achte und der nun<br />
urteilende fünfte Senat beantwortet diese<br />
Frage nicht. Falls sich der Arbeitgeber bei<br />
der Berechnung der Kündigungsfrist vertan<br />
hat, so sollte er eine erneute Kündigung<br />
aussprechen. Dies soll nur der Sicherheit<br />
dienen. In dieser Kündigung sollte er jedoch<br />
klarstellen, dass diese Kündigung keine<br />
»Rücknahme« der zuvor ausgesprochenen<br />
Kündigung darstellt. Andernfalls bestünde<br />
die Gefahr, dass das Gericht in dem Kündigungsschutzverfahren<br />
feststellen würde,<br />
dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet<br />
wurde, da die ausgesprochene Kündigung<br />
aufgrund der fehlerhaften Frist nicht wirksam<br />
ist.<br />
BAG, Urteil vom 01.09.2010 – 5 AZR 700/09<br />
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