stahlmarkt 07.2011 (Juli)
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6 K<br />
Seitenblick<br />
Am Image arbeiten<br />
Früher war es einfach: Wer gute Produkte zu einem<br />
attraktiven Preis anbot konnte sicher sein, dass seine Kasse<br />
klingelt. Heute achten die Verbraucher immer häufiger<br />
darauf, dass das Unternehmen bei dem sie einkaufen,<br />
Umwelt- und Sozialstandards einhält. Auch wollen immer<br />
mehr Menschen bei Unternehmen arbeiten, die ein<br />
anerkannt gutes Image haben.<br />
WW K Vor ein paar Wochen durften mehr als<br />
800 Mitarbeiter des Textildiscounters Kik<br />
einmal etwas anderes tun, als für ihren<br />
Arbeitgeber Shirts und Blusen zu verkaufen<br />
oder im Büro zu arbeiten. Sie absolvierten<br />
ein Casting für Werbeaufnahmen. Gesucht<br />
wurden mehr als drei Dutzend Männer und<br />
Frauen, die ihr Gesicht für die Kleiderkette<br />
in die Kamera halten. Im Herbst will der Fi <br />
lialist, der in Deutschland mehr als 2.300<br />
Läden betreibt, dann die Imagekampagne<br />
starten. Dass eine solche Aktion »Mitarbeiter<br />
werben für ihr eigenes Unternehmen«<br />
etwas bewirken kann, hatte zuvor bereits<br />
die Fast-Food-Kette McDonald’s bewiesen.<br />
Umfragen zeigen, dass der Burger-Anbieter<br />
sein Image als Arbeitgeber deutlich verbessert<br />
hat, seitdem ausgesuchte Beschäftigte<br />
für ihren Arbeitgeber als Model aufgetreten<br />
waren.<br />
Warum greifen Unternehmen zu solchen<br />
Methoden? Warum setzen sie nicht auf traditionelle<br />
Formen der Werbung? Etwa<br />
indem sie einen Prominenten für ein Testimonial<br />
gewinnen? Die Antwort ist einfach:<br />
Weil die Glaubwürdigkeit sehr viel größer<br />
ist, wenn ein Mitarbeiter vor die Kamera<br />
tritt.<br />
Für die Unternehmen ist es vor allem aus<br />
zwei Gründen wichtig, in einem guten Licht<br />
zu erscheinen. Zum einen natürlich, um sich<br />
positiv von Mitbewerbern abzuheben und<br />
bei den Kunden Sympathiepunkte zu sammeln.<br />
Zum anderen aber auch, um sich als<br />
Ein gutes Unternehmensimage<br />
ist attraktiv<br />
für Führungskräfte.<br />
attraktiver Arbeitgeber zu empfehlen. Denn<br />
längst ist es nicht mehr so, dass nur bei<br />
wenigen ausgewählten Spezialisten, wie<br />
Ingenieuren, Mangel herrscht. Oder, dass<br />
ausschließlich um hoch qualifizierte Nachwuchskräfte,<br />
die sogenannten High Potentials,<br />
gebuhlt wird. Die demografische Entwicklung<br />
lässt vielmehr erwarten, dass bald<br />
auch in anderen, weniger anspruchsvollen<br />
Berufsfeldern Mitarbeiter knapp werden.<br />
Also polieren die Unternehmen ihr Image als<br />
Arbeitgeber auf.<br />
Wie sehr sich vor allem die Unternehmen<br />
bemühen, in einem besseren Licht zu er <br />
scheinen, ist derzeit intensiv bei einigen derjenigen<br />
Einzelhändler zu beobachten, die<br />
lange Zeit ein Schmuddelimage hatten.<br />
Dazu gehört Kik. Die Kleiderkette war unter<br />
anderem wegen mieser Arbeitsbedingungen<br />
in seinen Nähereien in Bangladesch<br />
heftig in die Kritik geraten. Inzwischen kontrolliert<br />
der Billiganbieter seine Lieferanten<br />
stärker und beschäftigt in der Geschäftsführung<br />
sogar einen anerkannten Fachmann<br />
für Themen wie nachhaltiges Wirtschaften<br />
und Umwelt. Oder Lidl: Der Discounter<br />
musste heftige Kritik einstecken, als bekannt<br />
wurde, dass er Mitarbeiter bespitzeln ließ<br />
und die Gründung von Betriebsräten behinderte.<br />
Das Unternehmen zog daraufhin die<br />
Notbremse, erhöhte die Löhne, durchleuchtete<br />
die Führungsstruktur und informierte<br />
die Öffentlichkeit stärker. Die Maßnahmen<br />
hatten Erfolg. Die Umfragewerte für Lidl<br />
haben sich deutlich verbessert.<br />
Oder Schlecker: Zunächst war es nur die<br />
Gewerkschaft Verdi, die die Drogerie kette<br />
immer wieder an den Pranger stellte, weil<br />
sie angeblich Mitarbeiter peinigte und<br />
wegen Kleinigkeiten abmahnte. Dann be <br />
gann das Familienunternehmen, Teile der<br />
Stammbelegschaft durch schlechter be <br />
zahlte Mitarbeiter einer Leiharbeitsfirma zu<br />
ersetzen, und plötzlich interessierte sich<br />
sogar Bundesarbeitsministerin Ursula von<br />
der Leyen für dessen Geschäftsgebaren.<br />
Prompt sackten die Sympathiewerte für<br />
Schlecker in den Keller. Firmenchef Anton<br />
Schlecker reagierte, ließ zu, dass seine<br />
34.000 Mitarbeiter künftig nach Einzelhandelstarif<br />
bezahlt werden und schränkte die<br />
umstrittene Leiharbeit ein. Inzwischen versuchen<br />
Schleckers Kinder, die im Unternehmen<br />
Schritt für Schritt Verantwortung übernehmen,<br />
den schlechten Ruf weiter aufzupolieren.<br />
Viele Kunden richten ihre Kaufentscheidung<br />
nicht mehr nur vornehmlich am Preis<br />
aus, sondern wollen beim Einkauf auch ein<br />
gutes Gewissen haben. Unternehmen können<br />
das nicht als Modeerscheinung abtun,<br />
sondern müssen sich ernsthaft mit dem Thema<br />
Nachhaltigkeit beschäftigen: zum einen,<br />
weil immer weniger Menschen bei ihnen<br />
arbeiten wollen, zum anderen, weil immer<br />
mehr Menschen bei ihnen kaufen wollen.<br />
ber (sm 110702323) K<br />
<strong>stahlmarkt</strong> <strong>07.2011</strong>