REGIOBUSINESS - NR. 187 | 2017-12
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Dezember <strong>2017</strong> I Jahrgang 16 I Nr. <strong>187</strong><br />
Politik & Wirtschaft 09<br />
Ausbildung live<br />
Der Aktionstag „Ein Tag Azubi“ der Wirtschaftsjunioren Heilbronn-Franken wird sehr gut<br />
angenommen. 28 Unternehmen der Region beteiligen sich daran.<br />
Jungen Menschen, die<br />
Schwierigkeiten haben in<br />
den Arbeitsmarkt zu finden,<br />
einen echten Einblick in den beruflichen<br />
Alltag geben – darum<br />
ging es beim Aktionstag „Ein<br />
Tag Azubi“ der Wirtschaftsjunioren<br />
Heilbronn-Franken Ende<br />
November. Insgesamt nahmen<br />
über 30 Jugendliche aus der Region<br />
teil, darunter etwa 20<br />
Flüchtlinge. 28 Betriebe öffneten<br />
dafür ihre Türen.<br />
Das Besondere am Aktionstag<br />
„Ein Tag Azubi“: Die Teilnehmer<br />
begleiten an diesem Tag einen<br />
Auszubildenden durch seinen<br />
Arbeitstag. Michael Layer,<br />
Kreissprecher der Wirtschaftsjunioren<br />
Heilbronn-Franken, erklärt:<br />
„Die jungen Leute erleben<br />
hautnah die Arbeitswelt eines<br />
Auszubildenden. Mit dem<br />
Aktionstag wollen wir Jugendliche<br />
mit Benachteiligungen gezielt<br />
auf die Möglichkeit einer<br />
dualen Ausbildung aufmerksam<br />
machen und eröffnen damit<br />
zahlreiche Chancen für deren<br />
berufliche Integration.“<br />
Erfreulich: Der 18-jährige Ismael Watara (li.) von der Elfenbeinküste verbrachte den Aktionstag<br />
bei der Landmetzgerei Setzer in Wolpertshausen. Inzwischen hat er einen Ausbildungsvertrag als<br />
Fleischer bei der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall unterzeichnet.<br />
Foto: WJ<br />
IMPULSE In enger Zusammenarbeit<br />
mit verschiedenen<br />
Einrichtungen der Jugendsozialarbeit<br />
ist es den Wirtschaftsjunioren<br />
gelungen, passende Unternehmen<br />
für die jungen Teilnehmenden<br />
zu finden. Christian<br />
Horny vom ISE Institut<br />
Kirchberg/Jagst berichtet: „Wir<br />
haben uns sehr gerne am Aktionstag<br />
der Wirtschaftsjunioren<br />
beteiligt, denn für die Jugendlichen<br />
ist es eine echte Chance.<br />
Sie entdecken Stärken und erhalten<br />
wertvolle Impulse zur<br />
Entwicklung von Berufsperspektiven.“<br />
Dass sich der Aktionstag mehr<br />
als gelohnt hat, zeigt sich nicht<br />
zuletzt am Beispiel von Ismael<br />
Watara von der Elfenbeinküste.<br />
Der 18-Jährige hat den Aktionstag<br />
bei der Landmetzgerei Setzer<br />
in Wolpertshausen verbracht.<br />
ERFOLGREICH Bereits zwei<br />
Tage später hat er einen Ausbildungsvertrag<br />
als Fleischer bei<br />
der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft<br />
Schwäbisch Hall unterzeichnet.<br />
Der Aktionstag<br />
„Ein Tag Azubi“ fand bundesweit<br />
statt und ist Bestandteil des<br />
Projektes „Jugend stärken:<br />
1000 Chancen“.<br />
Dieses Gemeinschaftsprojekt<br />
der Wirtschaftsjunioren<br />
Deutschland und des Bundesministeriums<br />
für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend unterstützt<br />
junge Menschen mit<br />
schwierigen Ausgangsbedingungen<br />
beim Eintritt ins Berufsleben.<br />
pm<br />
www.wjhn.de<br />
Ehrung: IHK-Hauptgeschäftsführerin Elke Döring (4. v. re.) und IHK-Präsident<br />
Prof. Harald Unkelbach (7. v. re.) mit den landesbesten Auszubildenden<br />
aus der Region und ihren Ausbildern.<br />
Foto: IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg<br />
Spitzenleistungen<br />
werden belohnt<br />
Zwölf Azubis aus der Region gehören zu den Landesbesten.<br />
Unter dem Motto „Best of<br />
<strong>2017</strong>“ ehrte der Baden-Württembergische<br />
Industrie- und Handelskammertag<br />
(BWIHK) in Rottweil<br />
die besten Nachwuchskräfte<br />
der dualen Berufsausbildung.<br />
Vor rund 500 Gästen durften insgesamt<br />
117 Azubis die Auszeichnung<br />
als Landesbeste entgegennehmen.<br />
Sie haben sich unter den<br />
beinahe 45 000 Prüfungsteilnehmern<br />
besonders hervorgetan. Von<br />
allen Spitzen-Absolventen, die<br />
ihre Prüfung mit der Note „sehr<br />
gut“ und mindestens 92 Punkten<br />
abgelegt haben, sind zwei Auszubildende<br />
ganz vorne. Zu ihnen gehört<br />
auch Marvin Fütterer. 100<br />
von 100 möglichen Punkten erreichte<br />
der Elektroniker für Automatisierungstechnik,<br />
der seine<br />
Ausbildung bei Audi in Neckarsulm<br />
absolvierte. Doch auch elf<br />
weitere Nachwuchskräfte aus Heilbronn-Franken<br />
durften eine Urkunde<br />
entgegennehmen.<br />
Vier von ihnen hatten gleich doppelten<br />
Grund zur Freude: Johannes<br />
Ehrnsperger (Distelhäuser),<br />
Marvin Fütterer (Audi), David<br />
Gärtner (Südwestdeutsche Salzwerke)<br />
und Sascha Neigel (Burhan<br />
Uzun) wurden auch auf nationaler<br />
Ebene als bundesbeste Azubis<br />
gekürt.<br />
„Das ist eine ganz großartige Leistung<br />
unserer Auszubildenden und<br />
der Ausbildungsbetriebe“, lobte<br />
Elke Döring, Hauptgeschäftsführerin<br />
der IHK Heilbronn-Franken,<br />
die den zwölf Absolventen bei der<br />
Landesbestenehrung die Glückwünsche<br />
der IHK Heilbronn-Franken<br />
überbrachte.<br />
pm/jw<br />
www.heilbronn.ihk.de<br />
Gastkommentar<br />
Vorbild und effizienter Wachstumsmotor<br />
Die Zahlen belegen eindrucksvoll: Der Mittelstand bleibt das (gestärkte) Rückgrat der Wirtschaft.<br />
Fleißig: Der deutsche Mittelstand ist heute laut Georg Fahrenschon,<br />
dem Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, so<br />
widerstandsfähig wie noch nie.<br />
Foto: NPG-Archiv<br />
Die großen und zumeist börsennotierten<br />
Unternehmen<br />
machen oft die Schlagzeilen,<br />
der Mittelstand aber bleibt<br />
Vorbild, Wachstumsmotor, Jobund<br />
Ausbildungsmaschine sowie<br />
effizienter als die „Großen“ –<br />
und das mit weniger Investitionen<br />
in Sachanlagen.<br />
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband,<br />
DSGV, hat jüngst<br />
300 000 Familienunternehmen<br />
„unter die Lupe genommen“ und<br />
dabei eine Vielzahl beeindruckender<br />
und interessanter Daten zutage<br />
gefördert.<br />
Am Anfang stand eine Definition<br />
von „Mittelstand“: Abweichend<br />
von EU-Definitionen und vielen<br />
staatlichen Förderkriterien wird<br />
in dieser Studie als Mittelstand bezeichnet:<br />
Unternehmen, die nicht<br />
kapitalmarktorientiert sind, bis<br />
750 Millionen Euro Umsatz machen<br />
und bis zu 5000 Mitarbeiter<br />
beschäftigen.<br />
Klar muss man eine Definition finden,<br />
aber auch diese hier blendet<br />
damit viele Mittelständler aus, die<br />
meiner simplen Definition entsprechen:<br />
Mittelstand ist da, wo Eigentum<br />
und Verantwortung in einer<br />
Hand liegen; einfach: Wo der<br />
Inhaber „mit Haus und Hof“ für<br />
das Unternehmen haftet. Zurück<br />
zu den Grundlagen der Studie:<br />
Den drei Millionen mittelständischen<br />
Firmen und Personengesellschaften<br />
stehen 550 deutsche börsennotierte<br />
Unternehmen gegenüber.<br />
Ein Vergleich von börsennotierten<br />
Unternehmen mit mittelständischen<br />
zeigte zwar auf, dass die<br />
„an der Börse“ zwischen 2010<br />
und 2016 bei den Investitionen in<br />
Sachanlagen mit einem Plus von<br />
5,5 Prozent deutlich über den<br />
„mittleren“ mit 3,1 Prozent lagen,<br />
aber bei drei weiteren Vergleichszahlen<br />
hatte der Mittelstand die<br />
Nase vorne: Umsatzwachstum im<br />
genannten Zeitraum plus 5,1 Prozent<br />
gegenüber 1,5 Prozent, bei<br />
der Mitarbeiterentwicklung ebenfalls<br />
ein deutliches Plus für den<br />
Mittelstand: 5,5 mehr zu nur 2<br />
Prozent mehr und am deutlichsten<br />
fiel der Unterschied aus bei<br />
den einbehaltenen Gewinnen:<br />
2016 behielt der Mittelstand<br />
stolze 75 Prozent seiner Gewinne<br />
(nach Steuern) ein – diese flossen<br />
also in das Unternehmen zurück<br />
und stärkten das Eigenkapital.<br />
Bei den Kapitalgesellschaften<br />
verbleibt weniger Gewinn im Unternehmen:<br />
Nur 21 Prozent.<br />
Nach Georg Fahrenschon, dem<br />
Präsidenten des Deutschen Sparkassen-<br />
und Giroverbands „ist der<br />
Mittelstand heute so widerstandsfähig<br />
wie noch nie. Umsätze und<br />
Gewinn steigen, die Eigenkapitalquote<br />
erreicht ein Rekordniveau<br />
– und das bei einem Höchststand<br />
an Beschäftigten. Das alles ist ein<br />
Ausdruck von Stärke und Zuversicht“.<br />
Aufgrund dieser sehr guten Entwicklung<br />
sind heute auch viele Unternehmen<br />
aus dem Mittelstand in<br />
der Lage, Investitionen ganz oder<br />
zumindest teilweise selbst zu finanzieren.<br />
Und dabei gehen sie sehr<br />
vorsichtig und zurückhaltend vor.<br />
Ulf Sommer im Handelsblatt: „Einfach<br />
ausgedrückt gilt das Motto:<br />
Jeder Euro wird mindestens zweimal<br />
umgedreht, ehe er das Unternehmen<br />
verlässt.“<br />
Mittelständler investieren fokussierter<br />
und langfristiger, weil ihre<br />
Geschäftsmodelle sehr spezialisiert<br />
und auf lange Sicht im Voraus<br />
ausgerichtet sind. Georg Fahrenschon<br />
fasste das in einem Interview<br />
so zusammen: „Mittelständische<br />
Unternehmer sind deutlich<br />
langfristiger ausgelegt. Sie stellen<br />
regelmäßiger Mitarbeiter ein, haben<br />
eine langfristige Finanzierungsstrategie<br />
und investieren<br />
auch kontinuierlich.“<br />
Für langfristige Erfolge braucht<br />
man eben eine langfristige, generationsübergreifende<br />
Sichtweise.<br />
Die kurzfristigen Anforderungen<br />
des Kapitalmarkts sind hier nicht<br />
immer hilfreich. Auch hat der Mittelstand<br />
eine andere Firmenkultur.<br />
Missstände im höchsten Management,<br />
wie wir sie gerade in einigen<br />
Großunternehmen sehen,<br />
sind im Mittelstand nur sehr<br />
schwer vorstellbar. Der herausragende<br />
Erfolg vieler Mittelständler<br />
Dr. Walter Döring<br />
Der gebürtige Stuttgarter war lange eine<br />
der Galionsfiguren der FDP. Er war Gemeinderat<br />
in Schwäbisch Hall, Vorsitzender der<br />
Landtagsfraktion und Wirtschaftsminister<br />
von Baden-Württemberg. Heute arbeitet<br />
der 63-Jährige als Consultant und hält Vorlesungen<br />
an Hochschulen. Im Kreistag ist er<br />
für die Freien Demokraten politisch aktiv.<br />
Döring ist Initiator und Mitorganisator des<br />
Kongresses „Gipfeltreffen der Weltmarktführer“<br />
in Schwäbisch Hall und gründete<br />
die Akademie Deutscher Weltmarktführer.<br />
liegt in ihrer „Nischenpolitik“ begründet:<br />
Sie konzentrieren sich<br />
auf Nischenmärkte, verfügen in<br />
diesen über eine einzigartige Expertise<br />
und erreichen auf diese<br />
Weise häufig Weltmarktführerstatus.<br />
Die Bedeutung des Mittelstands<br />
unterstreichen neben den<br />
rein ökonomischen Daten auch<br />
die auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt:<br />
Er steht für 91 Prozent<br />
der Auszubildenden und 74<br />
Prozent der Beschäftigten.<br />
Kein Wunder also, dass gerade<br />
jetzt wieder so oft und wie die Zahlen<br />
eindrucksvoll belegen auch<br />
völlig zurecht vom Mittelstand als<br />
„Rückgrat der deutschen Wirtschaft“<br />
gesprochen wird.