LE-2-2016
LOGISTIK express Fachzeitschrift
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Amazon plant Angriff auf DHL & Co.<br />
Lange waren sie enge Partner, jetzt greift Amazon die Pakettochter DHL der<br />
Deutschen Post nicht nur in ihrem Heimatmarkt frontal an. Der US-Konzern drängt<br />
mit Macht in das Logistik-Geschäft. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt,<br />
schmiedet Amazon im Stillen eine Flotte von Flugzeugen, Lkw und Schiffen.<br />
Parallel will der Multi europaweit vollautomatische Packstationen aufbauen.<br />
Projektname: „Amazon Locker“. AUTOR: BIJAN PEYMANI<br />
Erst jüngst hat Amazon von der amerikanischen<br />
Air Transport Service Group<br />
(ATSG) 20 Frachtflugzeuge des Typs<br />
Boeing-767 geleast. Teil des Deals ist<br />
die Option für Amazon, binnen fünf Jahren bis<br />
zu 19,9 Prozent an der ATSG zu übernehmen.<br />
Vorausgegangen war der Kauf „Tausender“<br />
von Sattelaufliegern für das US-Geschäft, wie<br />
der Internet-Konzern mit weltweit mehr als 260<br />
Millionen aktiven Kundenkonten im Dezember<br />
vergangenen Jahres bestätigte.<br />
Experten sehen in den Aktivitäten das Bestreben<br />
Amazons, sich zum Logistik-Dienstleister<br />
aufzubauen. Zudem vermuten sie, dass<br />
der Multi mittelfristig ungenutzte Kapazitäten<br />
auch anderen Unternehmen anbieten könnte.<br />
Parallel dazu drängt der Konzern in Europa<br />
Zug um Zug ins Paketgeschäft – und stellt sich<br />
damit nicht zuletzt gegen seinen langjährigen<br />
Partner DHL, eine Tochter der Deutschen<br />
Post. Amazon selbst schweigt auf Nachfrage.<br />
Doch die Indizien sprechen für sich. Im Herbst<br />
2015 hatten die Amerikaner in Olching bei<br />
München ihr bundesweit erstes citynahes<br />
Verteilzentrum eröffnet. Damit sollen Amazon-Bestellungen<br />
innerhalb Münchens noch<br />
schneller und vor allem unabhängiger von<br />
den angestammten Logistik-Partnern DHL und<br />
Hermes ausgeliefert werden. An deren Stelle<br />
treten sukzessive lokale Dienstleister; weitere<br />
Großstädte in Deutschland sollen folgen.<br />
Ein anderes Projekt namens „Amazon Locker“<br />
lässt vor allem bei DHL, mit 43,7 Prozent Primus<br />
im deutschen Paketmarkt, die Alarmsirenen<br />
schrillen. Dahinter steht der Aufbau eigener<br />
vollautomatischer Packstationen, bisher eine<br />
DHL-Domäne. Für die landesweit rund 2.750<br />
gelben Automaten mit über 280.000 Fächern<br />
– das einzige flächendeckende Netz – haben<br />
sich nach DHL-Angaben bisher acht Millionen<br />
Kunden registriert.<br />
Amazon plant, das in den USA und Großbritannien<br />
etablierte „Locker“-Modell in Europa<br />
auszurollen. Auf der Agenda steht neben<br />
Frankreich offenbar auch Deutschland. Darauf<br />
lassen Stellenanzeigen schließen, die die<br />
Münchner Amazon-Zentrale geschaltet hat.<br />
Die Deutsche Post DHL Group kommentiert<br />
die Pläne nicht. Stattdessen verweist sie auf<br />
ihre „Konzernstrategie 2020“ zum Ausbau des<br />
europäischen Paketgeschäfts.<br />
Doch Amazons Nadelstiche im Heimatmarkt<br />
schmerzen. Natürlich beobachte man alle Entwicklungen<br />
sehr genau, lässt die Deutsche<br />
Post verlauten, gibt sich zugleich aber „sehr<br />
zuversichtlich, dank unseres marktführenden<br />
Netzwerks und der hohen Servicequalität<br />
langfristig der führende Paketdienstleister in<br />
Deutschland zu bleiben“. Davon habe „im<br />
Übrigen“ auch Amazon beim Wachstum<br />
im deutschen Markt profitiert. Der Dank des<br />
US-Konzerns hält sich in Grenzen: Aus Sicht der<br />
Deutschen Post entwickelt sich Amazon immer<br />
mehr vom treuen Großkunden zum gefährlichen<br />
Konkurrenten. [BP]<br />
BIJAN PEYMANI<br />
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