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LE-2-2016

LOGISTIK express Fachzeitschrift

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„Amazon Locker könnte der<br />

Schwerthieb sein“<br />

Lange hat sich Online-Händler Amazon beim Versand seiner Ware der Kapazitäten<br />

großer Anbieter bedient und ist mit ihnen gemeinsam gewachsen. Nun<br />

ändert der Konzern sukzessive seine Strategie. INTERVIEW: BIJAN PEYMANI<br />

Dr. Thomas Roeb, Professor<br />

für Handelsbetriebslehre<br />

und Marketing<br />

an der Hochschule<br />

Bonn-Rhein-Sieg in<br />

Deutschland, über die<br />

Ziele und die Folgen für<br />

den Markt. Vor allem in<br />

„Amazon Locker“, dem<br />

Pendant zu den Packstationen<br />

von DHL, sieht<br />

der Handelsexperte einen<br />

wirkungsvollen Hebel für<br />

Amazons eigene Logistik-<br />

Bemühungen im Interview<br />

mit LOGISTIK express.<br />

THOMAS ROEB<br />

LOGISTIK express: Herr Roeb, Amazon weitet<br />

die eigenen Logistik-Fähigkeiten – zunächst<br />

vor allem im Heimatmarkt – konsequent aus.<br />

Wie ernst muss man dies nehmen?<br />

Prof. Dr. Thomas Roeb: Sehr ernst. Amazon<br />

ist zwar ein Gigant des E-Commerce, aber<br />

ein Gigant auf tönernen Füssen. Der Konzern<br />

selbst erklärt seine geringe Profitabilität mit<br />

den laufenden Investitionen, aber Google und<br />

Apple investieren auch und verdienen sich<br />

trotzdem eine goldene Nase. Amazon muss<br />

Profitabilität suchen, wo es sie gibt, und ein<br />

Feld ist die Logistik.<br />

LOGISTIK express: Ist aber das nicht mit immensem<br />

finanziellen Aufwand verbunden? In<br />

den USA hat Amazon jüngst 1.000 Sattelzüge<br />

gekauft und 20 Frachtflugzeuge geleast.<br />

Roeb: Natürlich bedingt die Strategie Investitionen.<br />

Aber aufgrund seiner Größe ist das Unternehmen<br />

in der Lage, eigene Logistik-Strukturen<br />

zumindest in bestimmten Bereichen so<br />

auszulasten, dass sie billiger sind als die bisher<br />

eingekauften Transportleistungen.<br />

LOGISTIK express: Angeblich plant Amazon,<br />

das in den USA und Großbritannien etablierte<br />

„Amazon-Locker“-Modell auch in Europa<br />

einzuführen. Welche Standorte bieten sich an?<br />

Roeb: „Amazon Locker“ könnte der Schwerthieb<br />

sein, mit dem sich der gordische Knoten<br />

der hohen Kosten der letzten Meile durchschlagen<br />

lässt. Naheliegend sind hochfrequente Orte<br />

in großen Städten. Aber auch auf dem Land,<br />

wo die Entfernungen für die Kuriere besonders<br />

lang und die Erreichbarkeit der Adressaten<br />

besonders schwierig sind, könnte „Locker“ interessant<br />

sein. Sinnvoll wären dann Standorte<br />

an stark befahrenen Straßen oder sogar Innenstadtlagen<br />

in preiswerten Nebenstraßen.<br />

LOGISTIK express: Bisher war neben Hermes<br />

vor allem DHL in Deutschland der Logistik-Partner.<br />

Weshalb riskiert Amazon die Konfrontation<br />

– liegt es am schlechten Service?<br />

Roeb: Servicemängel mögen eine Rolle<br />

spielen, aber so groß, dass sie allein die enormen<br />

Investitionen in den Aufbau der Logistik-<br />

Infrastruktur rechtfertigten, sind sie sicher<br />

nicht. Strategisch, das heißt langfristig, sind die<br />

Kostenersparnisse aus eigener Logistik sicher<br />

interessanter.<br />

LOGISTIK express: Steht zu warten, dass<br />

der Konzern freie Logistik-Kapazitäten,<br />

analog zum Cloud-Computing, auch<br />

an andere Firmen verkauft?<br />

Roeb: Davon muss man ausgehen. „Amazon<br />

Web Services“ sollte ursprünglich der besseren<br />

Ausnutzung der Rechenkapazitäten für das<br />

eigene Geschäft dienen. Heute ist es der mit<br />

fast acht Milliarden US-Dollar Umsatz weltweit<br />

größte Cloud-Dienst, dessen Kapazitäten<br />

auch andere Unternehmen nutzen. Transportkapazitäten<br />

wären strukturell nicht völlig anders<br />

zu interpretieren. [BP]<br />

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